Erstellt am: 10. 8. 2011 - 06:00 Uhr
Sowas wie eine Versicherung
Noch 499 Tage?
Mittwoch, 10. August:
Der Weltuntergangs-
vorbereitungstag auf FM4
Eine stundenlange Autofahrt im Genick und 30 Grad im Schatten. Wenige Meter entfernt lockt die Traun mit dem kühlenden Sirenengesang ihres Wasserplätscherns. Doch in dieser Ecke von Gmunden geht es nicht um Erholung, sondern um den Ernstfall. SEBA Selbstschutzzentrum Gmunden Ges.m.b.H heißt die Firma. Wer an die drohende Apokalypse glaubt und den Aschewolken/Atompartikeln/Killerbienen nicht am ersten Tag des Untergangs zum Opfer fallen will, sollte hier einen Großeinkauf machen.
Wer allerdings bei Gasmasken an stinkende politisch bedenkliche Army-Shops denkt, wird positiv überrascht. Geschäftsführer Karl Hillinger stellt gespritzten Apfelsaft auf den Tisch und erklärt mir seinen Betrieb, der so ausschaut, als wäre er die zentraleuropäische Depandance der Dharma Initiative.
Sarah Strauss
Die Krise als Chance
Mein ganz persönliches Lieblingsprodukt
"Bei uns ist das Geschäft in Krisenzeiten immer besser. Durch Dinge wie Fukushima, Weltwirtschaftskrise und andere Atomkraftwerke in unserer Gegend hat sich die Nachfrage in letzter Zeit verstärkt." Die Angst vor atomarem Staub, ökonomischer Aussichtslosigkeit und - in Gmunden recht konkret - dem AKW Temelin ist es, die viele Kunden aufrüsten lässt.
Was früher verpflichtend war, wird jetzt gerne freiwillig gemacht: Der Bau eines Schutzraumes. Ende der 70er Jahre gab es in jedem Bundesland Gesetze, die einen solchen Raum in jedem neu gebauten Haus vorsahen. Auch Hillinger selbst hat natürlich einen: "Es ist eigentlich ein alter Weinkeller, den wir als Sicherheitsraum ausgestattet haben. Den Weinkeller haben wir natürlich belassen. Es ist sicher angenehm, ein bisschen Verpflegung zu haben, wenn es einmal so weit sein sollte. Was wir natürlich nicht wollen."
Sarah Strauss
Sarah Strauss
Hillinger gehört zu den wenigen Geschäftsmännern, denen am liebsten wäre, ihre Produkte kämen gar nie zum Einsatz. "Wir sind sowas wie eine Versicherung. Man zahlt sie ein und ist froh, wenn man sie nie braucht." Bis auf das Betonmauerwerk gibt es bei SEBA alles, was ein moderner Schutzraum braucht. Filtersysteme, Pritschen, wasserlose Toiletten, Schutzanzüge, Gasmasken und vieles mehr.
Ein wichtiger Geschäftsbereich sind die Lebensmittel. Brot, das über 20 Jahre lang haltbar ist, Wasserpackerl, über die man laut Hillingers Angaben sogar mit dem Auto drüberfahren kann und ein Querschnitt der österreichischen Durchschnittsküche. Dehydriert natürlich. Im Hungerfall Wasser drauf gießen und fertig. Wenn nicht einmal dafür Zeit bleibt, gibt es Not-Riegel, die in etwa so wie Lembas-Brot funktionieren. Klein im Unfang, groß im Kaloriengehalt.
Sarah Strauss
Kunden kommen im Laufe des Gesprächs keine ins Geschäft. Ein großer Teil des Verkaufs läuft mittlerweile über das Internet. Aber wer sind die Leute, die sich so perfekt auf den hypothetischen Ernstfall einstellen? Die Palette ist groß. Häuslbauer, die vorsorgen wollen, Hausbesitzer, die ihren verwahrlosten Schutzraum ein bisschen aufmotzen und auch Hotel-Manager sind dabei. Die wollen zum Beispiel im Fall eines Lawinen-Problems dafür sorgen, dass im verschneiten Berghotel trotzdem genug Brot für die Gäste da ist.
Waschechte Apokalyptiker mit krusen Theorien über das Weltenende machen laut Hillinger fünf Prozent des Klientels aus. "Esoterik, Aschewolke, Maya-Kalender und noch viele Geschichten mehr sind die Gründe, warum sich diese Leute mit Lebensmitteln eindecken." Dass zwei der schlimmsten Kapitalverbrechen der aktuellen österreichischen Kriminalgeschichte kausal mit Bunkern zu tun hatten, habe dem Image der Branche sicherlich nicht gut getan, so Hillinger.
Sarah Strauss
Wie jede andere Branche ist auch die Sicherheitsausstattung gewissen Trends unterworfen. Der Renner in diesem Jahr sind Geigerzähler. Die sind aber schwer zu kriegen. "Wir hätten wahrscheinlich um die 1000 verkaufen können. Aber wir kriegen keine mehr. Egal, wo man schaut, die nächsten Liefertermine sind erst 2012." Der Sinn eines solchen Geräts sei aber ohnehin enden wollend: "Was bringt es mir, wenn der Geigerzähler irgendwas anzeigt und ich kann mich nirgends schützen?"
In diesem Falle besser auf den Geigerzähler verzichten und im Weinkeller auf das Ablaufen der Halbwertszeit warten.