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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 8. 2011 - 17:50

Fußball-Journal '11-80.

Die alltäglichen Absurditäten in der fußballerischen Bananen-Republik Österreich - heute mit: gerichtlich belegtem politischem Machtmissbrauch, offenem Missbrauch der Medienmacht und dem Leberwurst-System der ÖFB-Coaches.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute...
...mit einem Gerichtsurteil, dass die Unrechtmäßigkeit der Übernahme der beiden vom Landeshauptmann und seiner Partei erfundenen Retorten-Vereine bestätigt.

...mit einer geradezu prototypischen Medien-Campaign eines Boulevard-Blatts gegen den ÖFB.

...mit den offen nach außen getragenen Personal-Problemen des Verbands.

Man könnte es "Possen" nennen, würde das alles nicht pars pro toto für jegliches gesellschaftliche Verhalten in allen Bereichen in ganz Österreich stehen.

Ich wollte das nicht; heute schon wieder ein Fußball-Journal verfassen - es stand ein "normales" auf dem Plan. Aber: ich kann gar nicht anders. Denn heute zutagetretende Absurditäten und Missstände können nicht bis morgen warten.

Und die nun folgenden drei Geschichten erzählen fast alles über den Zustand des heimischen Fußballs, zwischen politischer Instrumentalisierung, der Macht der Boulevard-Medien oder auch der Denkungsart der zunehmend oligarchischer herrschenden Fußball-Nomenklatura aus Ex-Teamspielern, die den Sport als ihren Exklusiv-Besitz betrachtet und konseuqent abwirtschaftet.

Kärnten is lei aans

Das Kärntner Urteil ist noch nicht rechtskräftig; seine politische Brisanz jedoch offenkundig.

Nein ich meine nicht das wegen Geschenkannahme als Amtsträger, sondern ein anderes, fast zeitgleich gefälltes Urteil rund um den Rechtsstreit zwischen den beiden Fußballclubs FC Kärnten und Austria Kärnten. Beide sind reine Retorten-Vereine, beide wurden auf politischen Willen installiert, beide auf Betreiben des damals allmächtigen Landeshauptmanns Jörg Haider, der damit (und dem Bau des Wörthersee-Stadions) gezielte PR-Arbeit für sich und seine Sache zu betreiben.

Als der FC sportlich abstieg und finanziell schlingerte, tat Haider, was er auch auf politischer Ebene tat: Problemlösung durch Flucht, also eine Neugründung. Sein altes Vehikel (der FC) hatte zu verschwinden, das neue (das er durch eine Art Geschäftsordnungs-Trick installierte) sollte alle Positivia (finanziell und sportlich) übernehmen.

So eine Transaktion sieht auf dem Papier leicht aus - und wenn man als uneingeschränkter Landesfürst mit einer Hausbank auch über Finanzierungs-Wege und Verschleierungs-Möglichkeiten verfügt, lässt sich auch die Umsetzung leicht an.

Der kleine Haken dabei: diese Machinationen waren illegal. Für die Übernahme von Nachwuchsakademie, den Ausstieg aus einem bereits bestehenden Sponsorvertrag mit dem Kärntner Energieversorger Kelag und der Ausbildungsentschädigung für dutzende Spieler wurden nämlich Ausgleichszahlungen von etwa zwei Mio. Euro vereinbart - aber nie bezahlt, weil man sich politisch (der Herr Landeshauptmann wird das schon zu planieren wissen) unantastbar wähnte.

Seit seiner Liquidierung 2008 klagen ein paar Unentwegte, die sich in den Ruinen des FC verschanzt hatten unter Führung des Masseverwalters Kurt Hirn die politisch motivierten Übernehmer der neuen Austria Kärnten.

Und jetzt bekam man recht: 1.2 Millionen Euro schuldet der Nachfolger-Club Austria Kärnten dem vollständig ausgeweideten Vorgänger-Verein FC.

Das ist schlicht und ergreifend die Bestätigung einer politisch motivierten Misswirtschaft.

Der Haken: beide Vereine sind insolvent und aufgelöst. Denn zwei Jahre nach dem FC scheiterte auch die Austria. An der Unfähigkeit der politischen Funktionäre (die von Haiders FPÖ bestellt und im Nachfolge-Kampf zwischen FPK und BZÖ zerrieben wurden), an laufenden sportlichen Fehlentscheidungen, an der begleitenden, ebenso verheerenden Groteske um die Fehlkonstruktion des Renomier- und Pleitebaus Wörthersee-Stadion.

Einen Monat später wird zudem bekannt, dass das auf politischen Druck (vor allem der Lichtgestalt Haider) zwangsfinanzierte Austria Kärnten auch in der gruseligen Telekom-Affäre drinhängt...

Trotzdem ist der Kampf zwischen den Masseverwaltern (für die Austria verlor Roland Grilc gegen Hirn) nicht rein akademisch: es geht um reales Geld. Es existieren nämlich Haftungen des Landes Kärnten und der Stadt Klagenfurt über jeweils 550.000 Euro gegenüber der Austria Kärnten. Und diese 1,1 Millionen könnten jetzt an die Ruine FC Kärnten fließen.

Allesamt Konsequenzen einer ausschließlich machtpolitisch motivierten Inszenierung von Sport als Propaganda-Instrument. Und kennzeichnend für Kärntens Sportpolitik.

Heute ist mächtig böse mit dem ÖFB!

Vor zehn Tagen hatte die Gratis-Zeitung Heute sich noch rührend um die von 90minuten losgetretene Debatte um die im Argen liegende ÖFB-Trainerausbildung gekümmert und dabei hemmungslos fremde Zahlen, Gedanken und Ideen verwendet, unzitierterweise.

In der heutigen Ausgabe macht der von einem SPÖ-nahen Verlag herausgegebene Krone-Ableger klar woher der Wind da wirklich wehte: es ging nicht um echte Investigation, um substanzielle System-Kritik oder gar um so etwas wie Aufklärung.

Es handelte sich vielmehr um den Auftakt einer Campaign, die einen ganz handfesten Zweck verfolgt: der ÖFB soll eine gegen Heute geführte Klage (Unterlassung, Streitwert: 100.000 Euro) fallen lassen.

Auslöser ist eine tatsächlich etwas lächerliche Geschichte: der ÖFB hatte Heute eine Länderspiel-Ticket-Verlosung untersagt, wegen Wettbewerbswidrigkeit. Und offenbar gibt es verhärtete Fronten. Deshalb auch die ein wenig hysterisch anmutende ÖFB-Reaktion auf die Trainerausbildungs-Geschichte.

Heute nun macht Heute ordentlich Tempo - und steht ganz offen zu seiner Attacken-Serie: es gibt einen Kommentar, in dem versichert wird, dass der gemeine ÖFB weiterhin korrekt behandelt wird, und dann gleich drei Sport-Geschichten, die aufzeigen sollen, wie blöd der gemeine ÖFB ist. In einer davon taucht der Kronzeuge Frenk Schinkels (ein ehemaliger Trainer und bekannter Gaglieferant für Medien) auf, der die U20-WM-Niederlage als Angriffsfläche verwendet.

Schinkels war jahrelang Trainer/Sportchef unter Stronach (Austria) und Haider (Kärnten), kennt sich also aus wie das Business als instrumentalisierter Diener von mächtigen Herren so funktioniert.

Höhepunkt dieser Posse ist aber ein Artikelchen im Wirtschaftsteil: da wird gegen den Chef des OÖ-Energieanbieters gewettert, der seinen Stom viel teurer verkauft als etwa die Kollegen in Tirol. Dieser nämliche Chef heißt Leo Windtner und ist nebenbei Präsident des ÖFB.

Nein, was für ein Zufall!
Denn die Annahme, dass diese Koinzidenz mit Absicht betrieben wurde, ist natürlich absurd - es gilt die Unschuldsvermutung.
Dass nämlich Medien (vor allem der Boulevard, Krone, Österreich, Heute etc.) offensiv Politik im eigenen Interesse (mit vorgeschobenen Schein-Interessen für die Kundschaft) betrieben, anstatt sich an den journalistischen Ethos zu halten - das ist in Österreich ja ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Drei-Tage-Regenwetter-Gesicht von Andreas Herzog...

... und die Gründe dafür habe ich schon gestern angesprochen.

Dieser U21-Kader fliegt am Montag nach Irland:
Tor: Heinz Lindner (Austria), Christian Petrovcic (Leoben).

Verteidigung: Florian Hart (LASK), Martin Hinteregger (Salzburg), Maximilian Karner (Ried), Michael Sollbauer (WAC), Stephan Zwierschitz (St. Pölten)

Mittelfeld: Christopher Drazan (Rapid), Dieter Elsneg (Kapfenberg), Stefan Hierländer (Salzburg), Raphael Holzhauser (Stuttgart/D), Thomas Hopfer (Grödig), Florian Kainz (Sturm), Christoph Kröpfl (Kapfenberg), Daniel Schöpf (Altach), Stefan Schwab (Admira)

Angriff: Deni Alar (Rapid), Michael Gregoritsch (Kapfenberg), Dario Tadic (Austria Wien)

Auf Abruf: Richard Strebinger (Hertha/D); Michael Popp, Dominik Hofbauer (St.Pölten), Marcel Holzmann (FL Lustenau), Lukas Kragl (LASK).

Der Secondos-Anteil: zwei von 24; das bewegt sich im aktuell lächerlichen Rahmen der ÖFB-Teams.

Beim A-Team: David Alaba (Bayern/D), Aleks Dragovic (Basel/SUI), Daniel Royer (Ried), Chrisopher Dibon (Admira).

Verletzt. Pirmin Strasser (Almeria/SPA), Marco Djuricin (Hertha/D), Christoph Knasmüllner (Inter/IT), Marcel Ritzmaier (PSV/NED), Gernot Trauner (LASK).

Natürlich "fehlen" die 21 des U20-WM-Kaders.

Nicht berücksichtigt: Günther Arnberger, Remo Mally (Austria), Bernhard Janeczek (Gladbach/D), Alexander Aschauer (Stuttgart/D), Manuel Sutter (St.Gallen/SUI), Marcel Büchel (Gubbio/ITA), Andreas Tiffner (Vienna), Mahmud Imamoglu (Belediyespor/TUR), Muhamed Ildiz (Innsbruck)...

Der am Donnerstag vom neu installierten Rupert Marko nominierte U19-Kader, der ab Sonntag ein viertägiges Trainingslager in Graz bezieht, setzt die Hochzieherei (fünf 94er) fort. Dafür findet sich auch ein waschechter Franzose im Aufgebot.

Heute trieft selbst die offizielle Presseaussendung, die den von Andreas Herzog heute (bewusst am Tag nachdem Constantini seinen A-Kader bekanntgab) ausgeschickt wurde, vor Beleidigtheit.

In Verbänden mit gut organsierter und klar strukturierter Nachwuchs-Arbeit ist es Usus, dass man sich an die Jahrgangs-Vorgaben hält: jede U-Mannschaft steht für einen Jahrgang - aktuell ist etwa die U19 der Jahrgang '93, die U20 repräsentiert die Jahrgänge '91 und '92 und die U21 der Jahrgang '90.
Will ein Coach auf einen Spieler aus einem altersmäßig darunterliegenden Kader zurückgreifen, dann spricht man sich ab. Das gilt auch, wenn das der A-Teamtrainer das macht.

Nicht so in Österreich. Nicht seit die Granden, seit Hitzel und Gludovatz nicht mehr in der Verantwortung stehen. Nicht seit der bereits angesprochene Frühtstücksdirektor Windtner und Miriswurscht-Sunnyboy Constantini umrühren.
Und seitdem sind auch die Coaches darunter, Andreas Herzog (für die U21) und Andreas Heraf (für die U20) darauf bedacht das Optimum für sich, ihre Egos, ihre PR-Aktivitäten ihrer auf den Endzweck (einen tollen Job in der Liga oder gleich Bundestrainer) bedachten Ich-AGs rauszuholen, völlig egal ob dieses wüste Hin- und Her-Geschiebe für die jungen Spieler (und um die geht es eigentlich) sinnvoll ist. Ab der U19 gab es diesen Blödsinn im übrigen nicht - solange der superkorrekte Ernst Weber dafür zuständig war. Jetzt, wo alle Nachwuchs-Teams der einander die Jobs zuschiebenden ehemaligen Teamkickern-Nomenklatura besteht, steht auch bei den ganz Jungen das Schlimmste zu befürchten.

Herzog hat nun (wegen inexistenter Kommunikation) die gestrige Bekanntgabe des A-Kaders abwarten müssen um zu sehen, welche U21-Akteure Constantini ihm wegnimmt. Es sind eine ganze Latte: neben Dragovic und Alaba diesmal auch wieder Royer und Dibon. Auf Abruf dort stehen Drazan und Florian Kainz (der war Andreas Heraf zu schlecht für die U20 ist, wird jetzt also für die A-Nationalmannschaft nominiert, schon interessant, was?), die darf er nehmen.

In der etwas absurd formulierten ÖFB-Aussendung ist nun davon die Rede, dass beim anstehenden Testspiel (nächste Woche Dienstag, in Irland) einige U20-Teamspieler (nämlich die namentlich erwähnten Dilaver, Farkas, Klem, Radlinger, Schimpelsberger, Schütz, Weimann und Windbichler) "natürlich wegen der Weltmeisterschafts-Teilnahme noch nicht mit von der Partie" wären.

Häh?
Warum sollen U20-Teamspieler "natürlich" bei der U21 dabei sein? Und warum die Liga-Stammspieler Gucher und Teigl etwa nicht?
Wieso zieht Andreas Herzog nicht nur diverse U20-Leute, sondern seinerseits auch einen 93er-Jahrgang (Tormann Strebinger) und gar einen 94er-Jahrgang (Michael Gregoritsch) hoch?

Warum hat Hinteregger kein Problem mit der U21, weigert sich aber bei der U20 mitzutun?
Wieso sind Flo Kainz und Stefan Hierländer in Irland und nicht in Kolmbien?
Wieso kriegt Herzog Holzhauser frei und Heraf nicht?

Dass der ÖFB annimmt Max Karner würde noch bei Grödig spielen (dabei sah man ihn im EC schon im Ried-Dress) passt bei diesem Chaos an übergreifenden Interventionen nur zu gut.

Die Politik der Leberwürste, also beleidigt sein, aber das nicht thematisieren, sondern in sich reinschlucken, Magengeschwüre kriegen und als Ausgleichssport den nächsten, vielleicht schwächeren mit derselben Vorgangsweise zu konfrontieren, ist weder gesund noch sinnhaft.

Wahrscheinlich nicht einmal für die eigene Karriere - für ein funktionierendes, optimal ineinandergreifendes Nachwuchs-System, wie es in Deutschland oder der Schweiz existiert, auf jeden Fall gar nicht.