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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

3. 8. 2011 - 13:03

Ein Matrose an der Uni

Stefan ist der Mann, der dafür sorgt, dass es immer ausreichend Toilettenpapier in den Klos der Uni gibt.

Ich sitze zu Hause bei meinem Freund Stefan und schaue zu, wie er seinem 7-Jährigen Sohn Max das Schachspielen beibringt. Dabei raucht er seinen dritten Joint an diesem Tag. Nicht gerade vorbildhaft für einen Vater. Doch ohne den Joint und ein Paar Bierchen kann sich Stefan keinen Feierabend vorstellen. Max ist inzwischen an die komisch riechenden Zigaretten seines Vaters gewöhnt und freut sich, dass ihn Stefan beim Schach gewinnen lässt. Danach spielt er mit der kleinen Eisenbahn, die er zu Weihnachten bekommen hat. Wie verzaubert beobachtet er den Zug, der seine unendlichen Runden auf dem Boden von Papas Wohnung dreht.

Stefan seufzt kurz. Der größte Tiefschlag, den er in seinem Leben hinnehmen musste, ist, dass sein Sohn seinen Familiennamen nicht tragen darf. Seine Ex-Frau hat ihn geändert. Immerhin darf Stefan den kleinen Max jedes zweite Wochenende sehen und ihm alles erlauben, was zu Hause bei Mama verboten ist.

Nicht immer sah das Leben des heute 40-Jährigen so aus. Als gelernter Binnenschiffmatrose konnte er auf der Donau ferne Länder bereisen, war „ziemlich ein Rocker“, wie er selbst meint. Stefan hatte zwei Autos, ein Motorrad, trug seine Haare lang und die Frauen standen auf ihn. Das Leben war eine große Party und Stefan war immer mittendrin. Irgendwann lernte er eine schöne Philippinin kennen. Er hatte schon eine Vorliebe für asiatische Frauen, sie wurde schwanger und er heiratete sie.

Ein ins Handkelenk tätowierter Anker

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Doch das Leben als Familienvater war etwas ganz anderes, als mein Freund bisher erlebt hatte. Die Party ging für ihn weiter und sein Drogenkonsum stieg. Mittlerweile gab es keine Zeit mehr zum Arbeiten, Stefan verkaufte das Motorrad und ein Auto, das Geld für Kokain war niemals genug. Wie von selbst löste sich seine Ehe auf. Die schöne Philippinin konnte die ständigen Drogenexzesse ihres Ehemannes nicht mehr aushalten, ließ sich scheiden, nahm den kleinen Max mit und zog mit einem anderen Mann zusammen. Irgendwann musste Stefan sein letztes Auto verkaufen, doch das war damals egal, denn wegen "Dorgenkonsum am Steuer" hatte er sowieso keinen Führerschein mehr. "Sie sind ein Soziopath!", meinte der Polizeibeamte, der Stefan damals den Führerschein entzog.

Die Schulden des Ex-Matrosen wuchsen gewaltig. Pfänder von diversen Banken kamen fast wöchentlich in seine Wohnung, um zu schauen, ob sie ihm was wegnehmen konnten. Eine kleine Rettung war die zweite Ehe von Stefan. Mit Maria, einer Serbin, die er auf der Straße kennen gelernt hatte. Sie wurde seine Frau, um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Dafür sollte sie ihm 200 bis 300 Euro im Monat geben. Doch daraus wurde dann irgendwie nichts und Stefan war wieder "on the road to hell", wie er selber sagt.

Die große Wende in seinem Leben brachten Peter und Gerry, zwei bulgarische Studenten, die er auf dem Treppenhaus in seiner Wohnung kennen lernte. Sie zogen mit ihm zusammen und halfen Stefan aus dem Kokainsumpf heraus. Seitdem ist Stefan Freund und Ersatzvater von vielen bulgarischen Studenten in Wien. Ein 40 Jähriger Teenager, der für viele Bulgaren hier der typische Österreicher ist, weil sie keinen Anderen kennen.

Stefan ist der Mann, der dafür sorgt, dass es immer ausreichend Toilettenpapier in den Klos der Uni gibt. Und das ist einer der wichtigsten Jobs der Welt.