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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 8. 2011 - 17:00

Fußball-Journal '11-79.

Wer glaubt dass die Ära Constantini schon vorbei ist, kennt die Mechanismen des heimischen Fußballs nicht.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Hier der heute bereits zweite Eintrag: Dietmar Constaninis Kader-Bekanntgabe für das nächstwöchige Testspiel gegen die Slowakei gerann zur ...

Der ÖFB-Kader für das Länderspiel gegen die Slowakei am 10. August im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt.

Tor: Christian Gratzei (Sturm), Pascal Grünwald (Austria), Helge Payer (Rapid).

Abwehr: Emanuel Pogatetz (Hannover/D), Aleksandar Dragovic (Basel/SUI), Christopher Dibon (Admira), Manuel Ortlechner, Florian Klein (Austria), Ekrem Dag (Besiktas/TUR), Christian Fuchs (Schalke/D), Thomas Schrammel (Rapid).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern/D), Julian Baumgartlinger (Mainz/D), Paul Scharner (West Brom/ENG), Jakob Jantscher (Salzburg), Zlatko Junuzovic (Austria), Stefan Kulovits (Rapid), Daniel Royer (Ried), Manuel Weber (Sturm).

Sturm: Martin Harnik (Stuttgart/D), Erwin Hoffer (Frankfurt/D), Marc Janko (Twente/NED), Roman Kienast (Sturm).

Auf Abruf: Hans-Peter Berger (Admira), Andreas Hölzl, Florian Kainz (Sturm), Christopher Trimmel, Christopher Drazan (Rapid), Roland Linz (Austria), Stefan Maierhofer (Wolves/ENG).

Secondos-Anteil: 4 von 30; das bewegt sich im aktuell schon peinlichen Rahmen aller ÖFB-Teams.

Verletzt: Jürgen Macho (Panionios/GRE), Franz Schiemer (Salzburg), Sebastian Prödl (Werder/D), Guido Burgstaller (Rapid).

Out: Roman Wallner, Andreas Ulmer (Salzburg), Alexander Grünwald, Georg Margreitter (Austria).

"Derzeit kein Thema": Marko Arnautovic (Werder/D). Unter Beobachtung: Daniel Beichler (Duisburg/D).

Noch kein Meisterschafts-Betrieb: Michael Gspurning (Xanthi/GRE), Markus Berger (Academica/POR).

Blacklisted: Christoph Leitgeb (Salzburg), Veli Kavlak, Tanju Kayhan (Besiktas/TUR), Yasin Pehlivan (Gaziantep/TUR), Ümit Korkmaz (Eintr. Frankfurt/D), Andreas Ivanschitz (Mainz/D), Andreas Ibertsberger (Hoffenheim/D), György Garics (Bologna/IT, eh verletzt), Alexander Manninger (Samp/IT), Martin Stranzl (Glad-bach/D).

Es ist nicht lustig im August ÖFB-Teamchef zu sein und einen Kader nominieren zu müssen, der sich aus Akteuren der eh wie immer notorisch schlecht laufenden Praecox-Meisterschaft im Sommer und aus Legionären, die sich in unterschiedlichsten Stadien der Aufbau- und Vorbereitungs-Arbeit befinden, zusammensetzt. Vor allem dann, wenn man keine ordentliche Übersicht hat und seine Deutschland-Infos sonst über Benotungen aus der Bild-Zeitung (die Assi Zsak immer in sein Merkheft einträgt) bezieht.

Es ist ebenso wenig lustig direkt nach einem mehr als seltsamen Interview seines Präsidenten vor die Öffentlichkeit zu treten, und die dort als deutliche Kritik verstandenen Anmerkungen nochmal in journalistischer Frageform um die Ohren gerieben bekommt.

Auch deshalb dauerte die heutige Pressekonferenz wieder einmal nur gestoppte zehn Minuten. Obwohl: die Ausrede das nächtliche U20-Spiel gesehen zu haben, zählt da schon, das spür ich am eigenen Körper.
Kein Wunder aber, dass letztlich ein Kader rauskommt, der außer dem Bannstrahl für die Yugo/Türken-Gang von Arnautovic und Co und der neuerlichen Demontage von Leitgeb nichts erzählt.

Constantini verfährt sich im ÖFB-Baustellen-Chaos

Denn der ÖFB und auch Constantini haben andere Sorgen.
Der ÖFB diverse, auf vielen verschiedenen Baustellen: Trainerausbildung, Cup-Schmähs, den integrativen Charakter hat man auch verloren, die WM-Auslosung hat auch nicht das erhoffte Losglück gebracht und der Rest-Terminplan für die EM '12 (der nicht vom Himmel gefallen, sondern vom ÖFB mitbeschlossen ist) sieht auch nicht gut aus.

In zwei hart geführten APA-Interviews präsentierte sich zuerst Sportdirektor Ruttensteiner und danach auch ÖFB-Präsident Windtner in sehr unlockerer Defensiv-Haltung.

Und Windtners Blitzableiter war dann, wohl eher zufällig denn bewußt Constantini.

Einschub: ebenso wie bei Hans Rinner, dem Bundesliga-Präsidenten, muss man bei Leo Windtner, dem ÖFB-Präsidenten, was öffentliche Äußerungen betrifft, eine wichtige Einschränkung vornehmen. Beide sind, vorsichtig gesagt, nicht sehr sprachmächtig. Sie verwechseln Metaphern, verkennen Fremd- und Lehnworte und weil ihnen das wegen der klassisch-österreichischen Angst vor wirtschaftsmächtigen Lokalkaisern nie jemand verdeutlicht, halten sie ihr schwammiges und sprachlich verqueres Gerede für erstens eh super und zweitens für eh sonnenklar.
Was es eben nicht ist.

Die rhetorische Praxis von Regional- und Fußballfürsten

Deshalb sind Windtner-Interviews nicht nach herkömmlichen Maßstäben rezipierbar. Beispiel: "Wenn die Entwicklung im zweiten Länderspiel-Halbjahr auch resultatsmäßig klar nach oben zeigt, dann wird es wahrscheinlich wenig Diskussionen geben. Wenn die Entwicklung nach unten geht, dann wird's auch keine Diskussionen geben. Wenn wir in dieser - sagen wir, etwas abwechselnden - Linie weiterfahren, dann wird man offen ausdiskutieren müssen, was die vernünftigste Lösung ist."

Wer daraus eine klare Aussage herauslesen möchte, ist schief gewickelt. Denn: das alles bedeutet genau gar nix.

Oder: wenn Windtner auf die Frage "Kann Constantini das Potenzial der Nationalmannschaft voll ausreizen?" die Antwort mit einem "Ich würde nicht Nein sagen" beginnt, dann ist das keine Misstrauenserklärung, sondern pure windtnerische Vorsicht.
Auch die Frage nach Constantinis Fortbildungswilligkeit abgesprochen wird, ist mit dem Satz "Ich glaube, dass er in letzter Zeit verstärkt in diese Richtung tendiert." keinesfalls torpediert. Auf windtnerisch bedeutet das (womöglich): eh super der Bua!

Ja, es gibt auch andere, optimistischere Lesarten: Die gehen aber davon aus, dass der (wie bereits gesagt wenig wortmächtige) ÖFB-Chef hier strategische Antworten gesetzt hat.

Seit wann ist Fortbildungs-Resistenz ein Entlassungsgrund?

Diesen Glauben vermag ich nicht zu teilen.

Ich halte das für Zufall, maximal für einen Wirbel, in den sich der medial ungeübte Chef hineingeredet hat - wohl weil das Interview ungewohnt (und wohl auch unerwartet) kritisch hinterfragend verlaufen ist. Wenn man die Aussagen hochrechnet, sind sie natürlich fatal für den im eigenen Saft kochenden Teamchef (wiewohl er das mit jedem Halbsatz seiner brummelig hingebellten zehnminütigen PK-Ansagen eh bestätigt. Wer im Zeitalter der neuen Medien nicht imstande ist einen seiner Teamspieler zu erreichen, der schwört eh einen Offenbarungseid). Dass Constantini dabei im Gegenzug hemmungslos gegen seinen Chef "loslederte", wie es dieses Boulevard-Blatt behauptet, ist recht frei interpretiert bis erfunden - es war schon eher so.

Aus diesem durch Zufall entstandenen Wirbel wird sich Windtner, im Bedarfsfall, genauso wortwirr und verbalschwach wieder rausstrudeln. Das scheinbare Abrücken lässt sich jederzeit wieder einfangen.

Und der aktuell deutlichste Konkurrent gegen Constantini, der zuletzt von Windtner so stark gelobte U20-Coach Heraf ("Andreas Heraf ist ein penibler und professioneller Arbeiter. Er überlässt nichts dem Zufall und arbeitet so konsequent. Man kann ihm nur ein absolutes Top-Zeugnis ausstellen.") hat sich seit heute Nacht auch wieder ein stückweit selber demoliert - wie sehr Herafs Medienshow die Kollegen verärgert, ist aktuell am Drei-Tage-Regenwetter-Gesicht von Andi Herzog abzulesen.

Sich aus eigenen wirren Sätzen locker wieder rausstrudeln

Insofern sind Glückwunsch-Mails also deplatziert.
Nicht nur weil sie moralisch letztklassig sind (nur Arschlöcher freuen sich, wenn jemand anderer scheitert, nur weil man's vorhergesagt hat), sondern auch, weil die österreichische Realität und ihr faszinierender Mikrokosmos, die noch viel ärgere österreichische Fußball-Realität sich nicht anhand herkömmlicher Maßstäbe bemessen lassen, sondern einem praktischen Sekunden-Populismus folgen, also unberechenbar und wahnwitzig bleiben.

Außerdem: es wird und kann nichts Besseres nachfolgen.

Auch weil sich der ÖFB das mit seiner selbstinszenierten Im-eigene-Saft-kochenden Trainerausbildung selber eingebrockt hat, die sich nach dem Motto "wer super in der Schule war, wird Lehrer; die anderen nicht!" selber ins Knie schießt; weil nämlich die, die ein pädagogisches Talent haben, Lehrer sein sollten, nicht die Streber und Poser.