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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

1. 8. 2011 - 03:42

Radio Soulwax

Zwei Dutzend Musikmixes erwecken hunderte Plattencovers zum Leben. Es ist ein spezieller Liebesdienst der Dewaele-Brüder.

Ich habe lange mit der Entscheidung gerungen, ob ich mir ein iPad (2) kaufen soll oder nicht. Nachdem der Wunsch auch Wochen später geblieben ist und die Geräte irgendwann nicht mehr überall ausverkauft waren, führte schließlich das eine zum anderen.

Ein Tablet-Computer ist vor allem wegen seiner Vielseitigkeit und der richtigen Größe praktisch. Man muss weder einen Rechner hochfahren, noch ruiniert man sich seine Augen vom unentwegten Starren auf ein zu kleines Smartphone-Display. Am Tablet ist alles groß genug: die Nachrichten-Apps, Games, Websites, Videos. Verspürt man dennoch mal ein latentes Anzeichen von Langeweile, helfen Empfehlungen und Rezensionen. Nur, wenn alle Stricke reißen, hantelt man sich wahllos durch den chaotisch strukturierten AppStore.

Funkelnd und funky

Das Logo von "Radio Soulwax": Man sieht weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund, das "a" ist eine Stilisierung des Eiffelturms, der Radiowellen funkt.

Soulwax / Our Patience Is Limited

Der AppStore ist wie ein Flohmarkt: Wenn man regelmäßig hingeht und aufmerksam genug ist, findet man zwischen dem üblichen Kram und überteuerten Anitquitäten manchmal auch funkelnde Perlen um Bestpreise. Mit "Radio Soulwax" verhält es sich genau so: Es ist eine kostenfreie App, die Musikmixes bietet, bei denen selbst gemachte Visuals dabei sind. In einem solchen Fall empfindet man zuerst Ungläubigkeit, denn was nichts (nicht mal 79 Cent) kostet, ist oft eine Bauernfängerei. Der einzige Unterschied zu bezahlten Apps ist, dass man erst dann zur Kasse geboten wird, wenn man schon mitten im Geschehen ist.

Trotzdem, "Radio Soulwax" ist eindeutig einen Blick wert. Der erste Start bringt eine schicke, weiße Serifenschrift auf schwarzem Hintergrund. Eine ungewöhnlich ausführliche Beschreibung des Projektes mit Hintergründen zur Entstehungsgeschichte. Eine Übersichtsseite mit neun selbstgemachten, quadratischen Coverbildchen, eines für jeden DJ-Mix. Falls nun pro Stück ein Minibetrag eingehoben werden sollte, hat sich "Radio Soulwax" bis jetzt ganz gut angepriesen.

Die "Radio Soulwax"-App am iPad, man sieht die Covers von neun verschiedenen Mixes, darunter "Introversy" und "Jack in the Box".

Robert Glashüttner

Doch ich werde nicht in meiner Neugierde unterbrochen. Zwei Fingertapper und schon startet der erste Mix: "Introversy" ist aus 420 (!) Songs zusammengebastelt - besser gesagt aus den jeweils ersten zehn Sekunden dieser Stücke. Als visuelle Unterstützung sind die dazupassenden Plattencovers eingeblendet, die plötzlich zum Leben erwachen. Vormals starre Köpfe beginnen zu nicken, Buchstaben kommen und gehen und machen Pirouetten, Augen drehen sich, Figuren bewegen sich.

Über zwei Jahre haben die Soulwax-Brüder daran gearbeitet, die insgesamt 24 Konzept-Mixes zu erstellen und dafür auch noch - gemeinsam mit einem versierten Team - perfekt synchronisierte Videos zu gestalten. Audiovisuelle Spielereien und technische Exzellenz gehören zwar schon seit einigen Jahren zum Live-Konzept von Soulwax alias 2manydjs. Auszüge dieser Arbeit finden sich auch in "Radio Soulwax" wieder. Doch der irre Umfang dieses Projektes ist nochmals ein ganz anderes Kaliber.

Ein eingescanntes Cover aus einem "Radio Soulwax"-Mix. Man sieht die vier Sänger der Band "Four Tops", deren Köpfe vom Foto ein wenig nach rechts ausgeschnitten und verschoben wurden.

Soulwax / Our Patience Is Limited

"Radio Soulwax" ist für iPad als auch iPhone/iPod Touch erschienen und kostenlos. Die Mixes können wahlweise gestreamt oder runterladen werden.

Im Web gibt es das Projekt ebenfalls, allerdings funktioniert das dort tatsächlich als Webradio mit Programm.

Die App ist seit rund zwei Wochen online, bisher sind von den zwei Dutzend Mixes zehn freigeschalten. Die einzelnen Konzepte sind genauso genial wie ihre jeweilige Umsetzung. Da gibt es etwa rare Coverversionen bekannter Songs, ambitionierte "Gebrauchsmusik", Space-Tracks, kuriose Rap-Platten oder House- und Hardcore-Stücke aus den späten 80er Jahren.

Die ausgewählten Platten sind fast alle aus den 60ern aufwärts und enden zeitlich rund um das Jahr 1990 - kurz, bevor David und Stephen Dewaele selbst ihre Karriere begonnen hatten. Die "Radio Soulwax"-Mixe stellen somit ein bisschen einen Gegensatz zu den bekannten elektronischen Produktionen dar, die das Duo selbst seit über zehn Jahren veröffentlicht. Hier ging es offenbar auch um das Huldigen von Kindheitsplatten und dem, was Mama und Papa damals im Vinyl-Schrank stehen hatten. Und was man 25 Jahre später am Flohmarkt plötzlich wiedergefunden hat.

Ein eingescanntes Cover aus einem "Radio Soulwax"-Mix. Man sieht vier Männer mit Papiersäcken über den Köpfen, darüber steht geschrieben "Radio Soulwax", darunter "The Damned".

Soulwax / Our Patience Is Limited