Erstellt am: 29. 7. 2011 - 11:49 Uhr
Something for the Weekend
Allzu viele Alternativen an besonders Schönem wird es dieses Wochenende eher nicht zu erleben geben - im Sinne elektronisch motivierter Partymusik nicht. Diejenigen, die die kommenden zwei Tage damit verbringen wollen, sich von der Erbsensuppe da draußen vor dem Fenster nicht das Leben verhageln zu lassen und ihre Körper mit dem sexy Beat, dem Tanzboden und dem Schweiß in Einklang zu bringen, werden nicht schlecht daran tun, die notorische Pratersauna zu besuchen. Man hat da nämlich wieder einmal zwei sehr gute Acts hineingebucht.

Mike Shannon
Freitag
Zum ersten findet da heute ungeachtet der Jahreszeit das Stadtpark-Sommerfest statt, dessen ausgiebiges wie feines Line-Up beinahe die Kapazitäten eines mitteldurchschnittlichen USB-Sticks sprengt und neben zahlreichen üblichen und guten österreichischen Kollegen wie den Gebrüdern Grün, Patrick Testor oder La Boum DeLuxe's own Sebastian Schlachter auch Buraq aus Bern und - vor allen Dingen - den Kanadier Mike Shannon geladen hat. Shannon entspringt dem ursprünglich in und um Montreal kreativ brodelnden Produzenten-Pool (mittlerweile längst nahezu komplett mit Kind und Kegel in den Metropolen-Geheimtipp Berlin verzogen) mit Menschen wie Deadbeat, Akufen oder Jeremy P. Caulfield und kann Releases für nicht so unbedeutende Labels wie Plus 8, Force Inc. und scape in seiner Artist-Biographie vor sich hertragen. Anhand der - etwas oberflächlich betrachtet, natürlich - jeweiligen Kernaufgaben besagter Labels könnte man nun, völlig zu Recht, vermuten, dass der Arbeitsbereich von Mike Shannon zwischen Dub, kleinteilig knisternden und zischenden Elektronik-Basteleien und durchaus forsch das Parkett wischendem Techno ein weitläufiger und mit erlesenstem Stil getäfelter ist. Zudem gehört er als Plattenunterhalter mit großer Sicherheit zu jener mysteriösen DJ-Clique, die damals in finsterer Nacht das Wort "Edutainment" erfunden hat.
Als eventuelle, sicher nicht zu verachtende Option zum Club mit dem Pool bietet sich am Freitag der mittlerweile mithilfe einiger Dübel und Klebeband ja zum richtig echten Club gemorphte, dabei immer noch durch schön ranzigen Second-Hand-Charme bestechende Morisson Club an. Dort nämlich wird uns die sehr aussagekräftig benannte Party-Serie "JACK" (as in: "Jack Your Body") aufs Parkett zwingen - und zwar mit einem feinen Programm, bestehend aus den Fixstartern Moogle & Laminat und dem aus Thüringen geladenen Thomas Stieler an den Plattentellern sowie einem Live-Set von Sixtus Preiss, einem Neuzugang in der Wiener Affine-Crew um Dorian Concept, Ogris Debris und Kollegen.
Samstag
Das ganz große Geschichtsbewusstsein aber - bei gleichzeitig immer noch sehr niedrigem Lebensalter - findet sich am Samstag im Rahmen der Veranstaltungsreihe Praterei in der Pratersauna in Gestalt des Motor City Drum Ensembles ein. Der aus der deutschen Motorcity Benztown - in ihrem schnieken Wohlstand wohl ein relativer Gegenpol zur Original-Auto-Stadt Detroit - stammende Mittzwanziger Danilo Plessow ist mit seinem Projekt einer der - wie man so sagt - großen Durchstarter der letzten zwei, drei Jahre. Mit 6 Jahren hat er begonnen Schlagzeug zu spielen, mit 11 zu produzieren. Seine musikalische Sozialisation hat ihn über Jazz, Soul und HipHop zunächst in die Abteilung Broken Beats/Nu Jazz geführt, wo er als Hälfte des Duos Inverse Cinematics von sich reden gemacht hat. In der jüngeren Vergangenheit ist er als Motor City Drum Ensemble bei tief in der Seele schürfender House Music angekommen - mit den allesamt umwerfenden Tracks seiner Raw-Cuts-Reihe ist er in aller Munde gewesen: Grobkörnige, reduzierte - ihrem Namen alle Ehre machende - House-Tracks, die auf kaum mehr basieren als auf spröden Sounds aus der Drum-Machine und Samples, die den großen Geist der Vergangenheit atmen.

Motor City Drum Ensemble
Ein relativer Geniestreich ist Herrn Motor City Drum Ensemble gerade jetzt erst mit der Fertigung des neuesten Eintrags in die eigentlich fast immer formidable DJ-Kicks-Reihe (zuletzt etwa mit Zusammenstellungen von Kode9, Apparat oder der Wolf + Lamb/Soul Clap-Posse) des deutschen Labels !K7 gelungen. Ein DJ-Mix, der mit Zutaten wie Sun Ra, Aphex Twin, House-Gottheit Mr. Fingers, Afrobeat-Erfinder Tony Allen, dem Arthur-Russell-Projekt Loose Joints, Robert Hood und vielem weniger Bekannten ein großes Spannungsfeld zwischen Wurzelforschung in den Gegenden Soul, Funk, Jazz und Disco und gegenwärtigen bzw. schon in die Zukunft weisenden Tanzmusiken aufmacht. House Musik nicht als bloßes, simpel generiertes Tool für den Dancefloor, sondern als in der Zeit gewachsener Bewusstseinszustand mit Aura, Körper und Magie. Als DJ dürfte Motor City Drum Ensemble eines der Highlights des Jahres werden, er ist ein Mann, der weiß wer der Teacher ist, aber auch wo die Party wohnt. Er praktiziert die ganze Angelegenheit zu größten Teilen auch noch mit Vinyl, das nur am Rande für die Authentizitätsbewussten.