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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 7. 2011 - 23:00

Fußball-Journal '11-75.

Österreich verträgt nur eine Profi-Liga. Der dritte Teil einer Reihe mit Thesen zum österreichischen Fußball.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit Teil 3 einer Reihe mit zugespitzten Thesen zum Status Quo des österreichischen Fußballs.

Die These heute: Österreichs Fußball schafft, nimmt man Infrastruktur und Wirtschaftlichkeit her, nicht mehr als eine einzige Profi-Liga. Alles andere bringt nur Glücksritter und Lokalkaiser auf den Plan und Naive auf die schiefe Bahn.

Teil 1: Als Migrantenkind hast du keine Chance.

Teil 2: Die Schwäche der heimischen Trainer ist nicht ein Teil, sondern der Kern des Problems. Plus: Das österreichische Trainer-Problem im Praxis-Test.

Die hiesige Nomenklatura versucht zwar weiterhin die Baustellen im österreichischen Fußball mit Glam-Veranstaltungen zu überdecken, die Reaktionen im Hintergrund zeigen aber, dass Kritik und Einsatz etwas nützt.
So wechselt die Bundesliga den Pressesprecher angesichts einer katastrophalen Schieflage, in die man durch eine neue Medienpolitik geraten war, kein größeres Wunder.

Und am Rande eines Luttenberger*Klug-Konzerts gab der wirkliche ÖFB-Chef ,Gigi Ludwig, bekannt, dass man die peinliche Panne im ÖFB-Cup (man hatte "vergessen", die Vorjahresankündigung nur eine Mannschaft pro Verein starten zu lassen, durchzuziehen und nun erst recht wieder Amateur-Teams reingeholt) durch einen sehr österreichischen Trick zu umgehen gedenke: durch eine entsprechende Setzung beim Los-Verfahren.
Dass damit nicht das Problem der mangelnden Attraktivität des Cups gelöst wird, sondern sich, wie hier angemerkt wird dann ein paar hundert Fans auf der Linzer Gugl verlieren werden, wenn die LASK-Amateure gegen Rapid spielen, anstatt dass dieses Prachtlos einem echten Verein zugutekommt, das hat man beim ÖFB nicht verstanden.

Luttenberger*Klug finden Fußball eigentlich voll doof

Wie so vieles nicht.
Wie auch die Liga, die den Verband zu dieser dummen Entscheidung gedrängt hat, weil sie damit die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten glaubte. Dabei kann es auch nur im Interesse der Bundesliga-Vereine sein nicht gegen fanlose Farmteams spielen zu müssen.

Die Bundesliga bewegt sich aktuell sowieso in einer Art Second Life und rechnet in Linden-Dollars, was ihr eigenes Lizenzierungsverfahren betrifft: die Schimäre von der erfolgreichsten kleinen Liga Europas jedenfalls hat sich spätestens seit der Doppelvertrags-Affäre (und vor allem ihrer Konsequenz-Losigkeit) in Luft aufgelöst.

In der ersten Leistungsstufe finden sich Vereine, die strukturell nicht fit dafür sind. Die zweite Leistungsstufe ist randvoll mit potentiellen Konkursgängern. Und in der dritten Leistungsstufe will nur ein Bruchteil überhaupt den Weg nach oben wagen.

Das System Profi-Fußball ist krank: nur 14 oder 15 der zwanzig Profi-Klubs arbeiten auch unter Profi-Bedingungen. Trotzdem wird krampfhaft an zwei Ligen festgehalten, ja sogar von einer Ausweitung der zweiten und der Einführung einer dritten Profiliga wird fantasiert.

In Deutschland dürfte nur Salzburg mitspielen

Schauen wir uns das System Profi-Fußball einmal vom allerwichtigsten Aspekt her an: der Lage der Stadien, bzw. Fußball-Plätze.

Wer die Berichte über die zweite und dritte deutsche Liga verfolgt, wird merken, dass das, was dort als "Dorfplatz" gilt, hierzulande schon als Stadion verkauft wird. Auch hier herrscht purer Selbstbetrug; obwohl es da ans wirtschaftliche Eingemachte geht.

Fußball finanziert sich, zu einem guten Teil, über die Einnahmen des Matchtages. Die mindestens ebenso wichtigen Sponsorgelder fließen dort, wo am Matchtag tolle Stimmung und interessante Leistung auszumachen ist. Die Wahrheit liegt auch hier auf dem Platz, im Stadion.

Das kleinste Stadion der deutschen Bundesliga fasst 24.000 Menschen (Freiburg), das kleinste der 2. Bundesliga (das des FSV Frankfurt) fast 11.000, das kleinste der 3. Liga (Heidenheim) 10.000 Besucher. Alle deutschen Profi-Vereine (und auch eine Menge der Regionalligisten) verfügen über Heimstätten, in denen mehr als 10.000 Leute Eintritt zahlen können.

Das schaffen nicht einmal alle österreichischen Erstligisten; und in der 2. Liga nur die Linzer Vereine. In Österreich gibt es, mit Nachsicht alles Taxen, überhaupt nur 15 Fußball-Stadien, die das könnten.
Es fehlt also schlicht die infrastrukturelle Grundlage für Profi-Fußball, der über eine einzelne Liga hinausgeht.

15 Stadien, nicht einmal zwei Dutzend Vereine...

Wobei, wie und ob der Klagenfurter Standort angesichts immer neuer Horror-Nachrichten zu retten ist...

Internationalen Ansprüchen genügt das Happel-Stadion (für Nationalteam, ÖFB-Cupfinale und künftig auch wieder ein paar Wiener Derbies), dann die Klagenfurter Arena (in dem auch die Nationalmannschaft, aber auch der Regionalligist Austria Klagenfurt, übrigens der dritte Hauptstadt-Klub in Folge nach dem FC und dem SK Austria Kärnten, der pleite ging, spielen), das Salzburger Red Bull-Stadion, der neue Tivoli in Innsbruck, die schmucke Grazer Arena, das Hanappi-Stadion, das vormalige Horr-Stadion und das veraltete Linzer Stadion. Wenn man großzügig zählt.

Nationalen Ansprüchen genügen darüber hinaus die schöne Arena in Kapfenberg, das Pappelstadion in Mattersburg, das Südstadt-Areal, die kleine Rieder Festung, das dauerrenovierte Reichshof-Stadion in Lustenau, das Schnabelholz in Altach und, mit Abstrichen, die Lavantal-Arena in Wolfsberg. Sowie die aktuell im Dornröschenschlaf der unteren Ligen liegende Birkenwiese in Dornbirn, das Casino-Stadion in Bregenz, das Waldstadion in Pasching. Dazu kämen theoretisch noch genügend große Stadien in Steyr und Krems. Das Eisenstädter Lindenstadion verfällt gerade.
In St.Pölten wird gerade gebaut, damit man vom ein wenig unwürdigen Voith-Platz verschwinden kann - und irgendwie widerstrebt es mir den halbtoten Platz in Wr. Neustadt als Stadion sehen zu können.

Semiprofessionalismus, soweit das Auge reicht

Damit hat sich's.
Der Rest fasst deutlich unter 10000 Besucher, und auch wenn manch Platz wie die Hohe Warte ein echter Augenschmaus ist: dort sind keine Bedingungen für Profi-Fußball, sondern für ambitionierten Halbamateurismus.

In den angesprochenen Top-Arenen spielen Salzburg, Rapid, Austria, Innsbruck, Sturm und der LASK; in der kleineren Varianten Kapfenberg, Mattersburg, die Admira, Ried, Austria und FC Lustenau, Altach, der WAC. Dazu kommen St.Pölten und Neustadt sowie BW Linz, der Gugl-Untermieter.
Theoretisch hätten auch Austria Klagenfurt, der GAK, Pasching, Vorwärts Steyr, Bregenz, Dornbirn und Krems die Möglichkeit eines finanziellen Auskommens.
That's it.

Von diesen zwei Dutzend Vereinen sind aktuell aber einige damit beschäftigt alte Pleiten aufzuarbeiten, andere erarbeiten sich gerade einmal wirtschaftliche Basics, und wieder andere sind aktuell sportlich zu schwach um einen Profi-Betrieb zu derheben.
Und, das ist die Lehre der letzten Jahre: Jeder, der glaubt, dass es möglich ist mit einer finanziellen Hauruck-Aktion ein zügiges Hineinwachsen auf ein solches Level verkürzen oder erzwingen zu können, sind auf die Schnauze gefallen.

Teilweise brutal.

Mehr als eine einzelne 16er-Liga geht sich nicht aus

Red Bull, was seine europäischen Ansprüche betrifft, Frank Stronach mehrfach, Haider und seine Nachfolger ebenso, GAK, Sturm, Tirol, Bregenz, Austria Salzburg, Steyr, Braunau, St.Pölten, Untersiebenbrunn, Schwanenstadt, Vöcklabruck, Bad Aussee u.v.a.m., letztlich ist auch Trenkwalder, moralisch gesehen, gescheitert.

Mehr als eine 16er-Liga geht sich aus alledem nicht aus. Eine Bundesliga, in der es eine Zwei-Klassengesellschaft gibt - wie eh auch schon in der aktuellen Praxis, aber noch viel bewusster, wie in Holland, Griechenland oder anderen Mittelklasse-Ligen, in denen sich auch immer fünf Vereine vorne alles ausmachen, fünf oder sechs gut über die Runden kommen und der Rest halt die Fahrstuhl-Teams sind, die um Ab/aufstieg spielen.

Die Spitzenteams in der zweite Leistungsstufe würden auf demselben Level agieren wie die Low 5 der Bundesliga. Und die Traditionsklubs mit den unrenovierbaren 7000er-Kleinstadien und die Ehrgeizlinge vom Dorfplatz, die Grödigs, die würden ihnen das Leben schwermachen - könnten es aber, aufgrund einer scharfen Lizenzierung, mit ihrer Infrastruktur nie in die erste Stufe schaffen.

...drunter eine in zwei Regionen geteilte 2.Liga mit Halbprofis

Im übrigen müsste diese zweite Leistungsstufe zweigeteilt sein, Österreich ist eine topographische Katastrophe, die Anreisen ein echtes Problem, das muss halbiert werden; außerdem sind zwei Auf/Absteiger einer Liga, die sich vermehrt auf ihren Ausbildungscharakter besinnen muss, sind zumutbar, drei sind schon zuviel. Das geht sich, ich hab das grad auf einer Serviette durchgespielt, aus: eine Nord-Ost-Staffel mit Burgenland, Wien, Niederösterreich und Oberösterreich, eine Süd-West-Staffel mit Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Am besten auch zwei 16er-Ligen.

Klar, das lässt sich nicht morgen installieren - die Schnittstelle zu den Landesverbänden ist ein ungelöstes Problem, auch die Media-Coverage (kommt die zweigeteilte 2. Liga flächendeckend genug vor?). Der ÖFB wird sich sowohl von Landesverbänden als auch von der Liga als Spielball benutzen lassen und seiner Lieblingsbeschäftigung, der Beschönigung eines grausigen Status Quo nachkommen.
Aber: schlechter als jetzt kann es unterhalb der Bundesliga nicht laufen.

Und deshalb sind die an aktuelle Realitäten geknüpfte Denkschere im Kopf oder der eingeschobene Selbstzensur-Filter der gruseligen Handlungs-Praxis auch nicht von Bedeutung.
Es geht darum ein Bewusstsein zu entwickeln und die aufgeblähte und überfüllte Fußball-Tischgesellschaft, die tief in sich drinnen wohl um ihre Nichtüberlebensfähigkeit weiß, oft genug daran zu erinnern, dass sie jetzt Taten setzen muss, um den Turnaround noch zu schaffen.