Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der neue Markt der schlauen Stromzähler"

Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

25. 7. 2011 - 12:12

Der neue Markt der schlauen Stromzähler

Über die bevorstehende Einführung vernetzter Stromzähler (Smart Meters) lässt sich mit Sicherheit nur sagen, dass in den ersten paar Jahren nur die Hersteller davon profitieren werden. Die gesamte Stromersparnis beträgt bestenfalls drei Prozent.

In gut drei Wochen geht die Begutachtungsfrist für die Verordnung zum künftigen Einsatz von vernetzten elektronischen Stromzählern, den Smart Meters, zu Ende. Laut Walter Boltz, Vorstand der Regulationsbehörde E-Control, soll die Verordnung, mit der die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Geräte festgelegt werden, bereits in der zweiten Augusthälfte fertig sein.

2012 sollen dann bereits die ersten dieser "schlauen" Geräte in Österreichs Haushalten montіert werden, denn die Ziele der E-Control sind deutlich höher gesteckt, als es in der Energieeffizienz-Richtlinie der EU steht. Die schreibt vor, dass 80 Prozent der Haushalte bis 2020 über einen Stromzähler verfügen müssen, der dem Konsumenten ermöglicht, seinen aktuellen Verbrauch exakt abzulesen.

Ziele der Richtlinie

Die EU möchte damit Einsparungen beim Stromverbrauch erreichen und den Wettbewerb in den von regionalen Monopolen dominierten Strommärkten fördern. Damit soll der laufende Preisanstieg bei Energie etwas gebremst werden.

Naturgemäß entscheiden sich nur Kunden, die über ihren Stromverbrauch auch Bescheid wissen, für Energiesparmaßnahmen oder zum Wechsel des Energieversorgers. Die "schlauen" Zähler erleichtern auch letzteres, weil durch die die tagesaktuelle Fernablese auch kurzfristige Anbieterwechsel möglich sind, ohne dass Termine an Ort und Stelle vereinbart werden müssen.

"Möglichst hoher Deckungsgrad"

Walter Boltz

E-Control

Walter Boltz

In Österreich soll die Umsetzung nun schneller gehen. "Ein möglichst hoher Deckungsgrad ist sinnvoll und auch im Sinne der Stromerzeuger", sagte Boltz zu ORF.at, "daher sind 90 Prozent Abdeckung oder mehr rasch anzustreben". Bis 2018 sei das durchaus möglich, "der Schlüssel dazu ist die Information des Kunden", denn bei Smart Metering handle es sich eben um "eine Technik, die etwas ermöglicht, aber nichts garantiert".

In der Aussendung der E-Control dazu heißt es: "Nur der bewusste Umgang mit der wertvollen Ressource Energie kann auch dazu führen, dass künftig weniger Energie verbraucht wird."

Bewusstsein ohne Display

So weit, so selbsterklärend. Umso unverständlicher ist, dass die E-Control laut derzeitigem Stand der Dinge nicht vorschreibt, dass die Geräte ein Display haben müssen. Der Kunde könne seine Daten ja zeitversetzt um 24 Stunden dann im Internet abrufen, dafür aber im Viertelstundentakt aufgeschlüsselt, so die Logik.

Beziehungsweise sei es auch möglich, Smart Meters mit einer USB-Schnittstelle auszuliefern, über die Daten abgezapft und mit einem geeigneten Programm dann auf dem PC betrachtet werden können, antwortete Boltz auf eine diesbezügliche Nachfrage von ORF.at. Außerdem gebe es ja die Möglichkeit, gegen Aufpreis ein Gerät mit Display zu erwerben.

Die schwarzen Zählerkästen

Ein Stromzähler mit einem "Atomkraft! Nein danke."-Sticker.

flickr.com / User a.fiedler

Ein Vergleich mit der momentanen Situation zeigt die Merkwürdigkeit dieses Arguments. Wer sich für seinen tagesaktuellen Stromverbrauch wirklich interessiert, kann dies mit den existierenden, schwarzen Ferraris-Zählern sofort überprüfen, indem ein paar Tage lang der Zählerstand notiert wird.

Damit lässt sich der Durchschnittsverbrauch des Haushalts pro Tag in Eigenregie sehr genau ermitteln. Ebenso einfach ist es, festzustellen, was Wohnung oder Haus im Ruhezustand verbrauchen.

Vier Grundrechnungsarten

Dazu benötigt werden wiederum nicht mehr als Block, Bleistift, die vier Grundrechnungsarten und vielleicht eine Stunde Zeit, die sich auf mehrere Tage verteilt.

Viel mehr an Information kann auch ein Smart Meter in absehbarer Zeit nicht bieten, außer, dass derselbe Vorgang für den Kunden bequemer abläuft.

Das Zählerkastl als Blackbox

Man stelle sich nun ein Szenario vor, zeitversetzt, vor 20 Jahren: Beim Einzug in eine Wohnung findet der neue Mieter das bekannte schwarze Zählerkastl vor, allerdings in einer Billigversion ohne Sichtfenster auf den Zählerstand, weil das nur gegen Aufpreis zu haben war.

Grund: Den Vormieter hatte sein Stromverbrauch nur einmal pro Jahr interessiert, wenn der Stand abgelesen und abgerechnet wurde. Als Alternativen würde dem Neumieter dann angeboten, er könne ja entweder seinen Stromverbrauch tagesaktuell beim E-Werk telefonisch abrufen, oder halt einen neuen Zähler mit Sichtfenster kaufen.

Was gekonnt werden müsste

Wenn also für die volkswirtschaftlich ebenso wichtigen wie richtigen Stromsparmaßnahmen tatsächlich eine Hebung des Kundeninteresses essenziell ist, dann ist der Schlüssel dazu eben die Möglichkeit, den Stromverbrauch weit deutlicher vor Augen zu führen, als es die Ferraris-Zähler bis jetzt machten.

Die technischen Mindestanforderungen für Smart Meter der E-Control als PDF.

Ebenso müssten die Geräte per Knopfdruck direkt am Display zumindest die wichtigsten Vergleichswerte darstellen können: Den Durchschnittsverbrauch des Haushalts pro Tag gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr sowie die aufgelaufenen Kosten seit der letzten Rechnung.

3,5 Prozent Einsparungspotenzial

Die Behauptung der E-Control, "die größten Profiteure bei der Einführung von Smart Metering sind die Endkunden" muss erst recht misstrauisch machen. Die Angabe stammt aus einer Studie des Beratungsunternehmens Capgemini, die 2010 für den Verband der österreichischen Elektrizitätsunternehmen erstellt wurde.

Laut Capgemini liegt die zu erwartende österreichweite Gesamteinsparung von Strom unter den oben genannten Fristen im Schnitt bei drei Prozent.

Volkswirtschaft und Sinnstiftung

"Das wird die Welt nicht retten, aber immerhin entspricht das dem Stromverbrauchszuwachs von eineinhalb Jahren" sagt E-Control-Vorstand Boltz und hat natürlich recht damit.

Volkswirtschaftlich ergibt das durchaus Sinn, zumal geplant ist, auch den Gasverbrauch in das Smart Metering einzubinden. Hier ist - angeblich - ein doppelt so hohes Sparpotenzial gegeben.

Die Studie von Capgemini kommt zu recht ähnlichen Ergebnissen wie eine wenige Monate danach (Juni 2010) publizierte der Beratungsfirma PWC im Auftrage der E-Control. Beide divergieren vor allem darin, was Ausmaß und Tempo der Einführung betrifft. In beiden Fällen werden Faktoren und zukünftige "Benefits" eingerechnet, die keineswegs sicher zu erwarten sind.

Was beide nicht wirklich einpreisen, sind extensive Sicherheitsmaßnahmen, die nun einmal nötig werden, wenn in das wichtigste Segment der kritischen Infrastruktur erstmals vernetzte Computer einziehen.

Der Jahresstromverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts bewegt sich in Österreich um die 4.500 Kilowattstunden, was je nach Stromanbieter etwa zwischen 600 und 700 Euro entspricht.

Wattmeter, Euro 19,90

Der "Best Case" von bis zu fünf Prozent weniger Stromverbrauch pro Jahr für die Haushalte der Gruppe von Stromspar-"Enthusiasten" sieht reichlich optimistisch aus.

Wer sich so sehr dafür interessiert, kann die wichtigsten Parameter über den herkömmlichen Ferraris-Zähler und den Verbrauch der einzelnen Endgeräte über ein Wattmeter, wie es bei Lebensmitteldiskontern um Euro 19,90 erhältlich ist, nämlich längst erheben.

20 Prozent Enthusiasten

Die Annahme von Capgemini, dass zwanzig Prozent aller österreichischen Haushalte von Stromspar-"Enthusiasten" bewohnt sind, wird von Vertretern der Auftraggeber selbst angezweifelt.

Realistisch seien viel eher zehn bis maximal zwölf Prozent der Kunden, hieß es auf Nachfrage von ORF.at von mehr als einem Energieversorger.

Etwas Kopfrechnen

Wie steht es nun um die Behauptung, der Endverbraucher würde von allen Beteiligten am meisten profitieren? Auch das lässt sich einfach überschlagen. Bei durchschnittlichen Stromkosten für einen Haushalt (drei Personen) zwischen 600 und 700 Euro pro Jahr können die "Enthusiasten" jährlich also theoretisch 35 Euro sparen.

Diese Zahlen sind insofern mit etwas Vorsicht zu genießen, zumal sich die Durchschnittsenergiekosten pro Haushalt auf etwa 1.500 Euro belaufen und recht unterschiedlich auf die Energieträger Strom, Gas und Öl verteilt sind.

Hohe Kosten

Ein Stromzähler.

flickr.com / User ninastoessinger

Die vernetzten Stromzähler sollen zwischen 60 und 110 Euro pro Stück kosten, die Kosten trägt allein der Endverbraucher. Für "Enthusiasten", die diese neuen Features auch aktiv ausnützen, kann sich das Gerät im Schnitt also in zwei, drei Jahren amortisieren. Je größer die Wohnfläche und damit auch der Stromverbrauch, desto schneller rechnet sich diese Anschaffung.

Am meisten nützt es Besitzern größerer Wohnhäuser mit einer entsprechend hohen Stromrechnung und Stromsparmotivation, während einkommensschwache Bewohner kleiner Wohnungen kaum etwas davon haben, ob sie nun "Enthusiasten" sind oder nicht.

Stromversorger müssen investieren

Die Stromerzeuger wiederum werden in den ersten Jahren groß investieren müssen, um die Kommunikationsinfrastruktur bis zum schlauen Stromzähler beim Kunden zu errichten. Die zu erwartende Summe liegt im niedrigen einstelligen Milliardenbereich.

Sämtliche Trafostationen müssen mit sogenannten Konzentratoren aufgerüstet werden, weitere Gerätschaften sind darüber hinaus nötig, um die dort aggregierten Verbrauchsdaten der Kunden dann allabendlich in Richtung Zentrale abzutransportieren. Dort wiederum müssen diese Datensätze erst technisch in das Verrechnungssystem integriert werden.

Die wirklichen Gewinner

Von den einzigen "Stakeholders", die bei Einführung des Systems sofort Umsätze und Gewinne lukrieren, ist hingegen in den Studien wenig die Rede.

Es sind die Hardwarehersteller sowie die Dienstleister, die Smart Meters beim Endkunden einbauen und die Trafostationen mit Konzentratoren etc. aufrüsten. Dazu kommen IT-Firmen, um die erforderlichen Datenbankanwendungen, Backups und Firewalls bei den Stromversorgern einzurichten. Die Beratungsfirma PriceWaterhouseCoopers geht von 4,3 Milliarden Kosten aus, denen ein Nutzen von 3,6 Milliarden Euro im Strombereich und 1,4 Milliarden im Gasbereich gegenüberstehen soll.

Privatkunden und Stromversorger

Wenigstens in den ersten Jahren profitieren also weder Endkunden noch Stromversorger von der Einführung der "intelligenten" Stromzähler. Sobald auch die Gaszähler eingebunden werden können - eine derartige Schnittstelle steht im Pflichtenheft der E-Control - wird es für "Enthusiasten", die über eine Erdgasetagen- oder Zentralheizung verfügen, schon interessanter.

Bis zu sieben Prozent weniger Verbrauch können bei den stetig steigenden Gaspreisen bald attraktiv werden. Ebenso wird es Kunden geben, die an Fernsteuerungsmöglichkeiten Interesse haben, denn auch dafür ist eine Schnittstelle im Zähler eingeplant.

Frage der Sicherheit

Dabei handelt es sich freilich um Zukunftsmusik, der Sicherheitsaspekt wird jedoch sofort nach Einführung einer signifikanten Zahl von Smart Meters schlagend.

Technisch gesehen wird nämlich nichts anderes installiert als vernetzte Kleincomputer, die alle über ein potenziell hochgefährliches Feature verfügen: Sie können von fern dazu gebracht werden, die Stromzufuhr der Haushalte abzuschalten.