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Hanna Silbermayr

Lateinamerika, Migration, Grenzen und globale Ungleichheiten

12. 8. 2011 - 13:13

Tijuana Creative

In den letzten Jahren hat sich in der mexikanischen Grenzstadt eine vielversprechende Künstlerszene etabliert. Sie will der Stadt ein positives Image verpassen.

„Hier ist meine Heimat, meine Familie. Ich bin Tijuana und Tijuana ist ich.“

Mit diesen Worten versucht Nidia Barajas die Gefühle, die sie für ihre Heimatstadt hegt, in Worte zu fassen. Selten wird über Tijuana etwas Gutes berichtet. Drogenkrieg und Gewalt überschatten die positiven Aspekte der Stadt.

Nidia sitzt auf der Terrasse des Kultur-Restaurants "El lugar del Nopal". Gedankenverloren probiert sie neue Akkorde auf der Gitarre aus und summt dazu eine Melodie. Tijuanas junge Künstlerszene ist sich sicher: Dieses Bild, das man außerhalb Tijuanas von der Stadt hat, entspricht nicht der Realität. Tijuana ist mehr.

Nidia Barajas, junge Musikerin aus Tijuana

Hanna Silbermayr

Nidia Barajas

Kreative Auseinandersetzung

Tijuana makes me happy: ein Stadtportrait

Nidias Lieder handeln von Aspekten des Lebens, die viele junge Menschen überall auf der Welt beschäftigen: Freundschaft und Liebe. Doch sie setzt sich auch mit den Problematiken der Stadt auseinander: Macht, Korruption, Gewalt und soziale Ungerechtigkeiten. Es ist der leise Widerstand, dem sie sich in ihren Liedern verschrieben hat.

María Yzabal, Choreografin und Tänzerin der Tanzgruppe "Betalab Danza", sieht die Stadt als Herausforderung. „Tijuana ist eine Stadt voller Kontraste, manchmal glaubt man, dass alles möglich ist, dass es keine Grenzen gibt.“

Ähnlich sieht es Sergio Valdez, freischaffender Filmemacher. Die Stadt ist für ihn der Inbegriff von Freiheit. „Ich glaube, dass es ohne das Chaos in der Stadt nicht so viel Kreativität gäbe. Doch hoffe ich, dass sich die Menschen in Zukunft nicht mehr so stark den vermeintlichen Problemen widmen, denn je mehr Aufmerksamkeit man diesen schenkt, umso mehr Macht gibt man ihnen.“

Doch eine gewisse Unsicherheit dominiert, die Zeitungen sind voll von Meldungen, die den herrschenden Drogenkrieg bis ins Wohnzimmer bringen. „Es gibt Tage, an denen mich die Schlagzeilen schockieren und auf den Boden der Tatsachen zurückholen.“, bestätigt María.

Maria Yzabal, Tänzerin aus Tijuana

Hanna Silbermayr

María Yzabal

Alejandro Misteró, der die Musik zu den Filmen von Sergio produziert, glaubt, dass genau diese Geschehnisse wichtig für die kreative Produktion sind. "Der Drogenhandel und die Migration haben das Bild Tijuanas sicherlich stark geprägt. Dennoch glaube ich nicht, dass sie voll und ganz schlecht sind - so hart das klingen mag - sie treiben uns in unserer Kreativität an."

Alejandro Misteró, junger Musiker aus Tijuana

Hanna Silbermayr

Alejandro Misteró

Tatsächlich hat sich in Tijuana in den letzten Jahren eine aufstrebende Künstlerszene etabliert. Unzählige Projekte schießen aus dem Boden. Viele der jungen Kreativen hegen den Wunsch, der Stadt ein positiveres Image zu verpassen. Pedro Gabriel Beas, Mitglied des "Nortec Collective", das den Sprung auf den internationalen Musikmarkt schon lange geschafft hat, glaubt die Wurzeln dieser starken Bewegung zu kennen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte Tijuana lediglich 242 Bewohner, inzwischen sind es etwa 1,5 Millionen. Heute vermutet man, dass zumindest vier von zehn Einwohnern tatsächlich in Tijuana geboren wurden.

Lange Zeit war die Stadt Durchzugsort, an dem man sich eigentlich nicht niederlassen wollte. Doch jetzt übernimmt jene Generation das Ruder, die hier zur Welt gekommen und aufgewachsen ist. Sie setzt sich mit der eigenen Identität auseinander, versucht die Geschichte in eine neue Richtung zu lenken. Die Kunst ist das Werkzeug, das sie benutzt, um das Sin-City-Image abzustreifen und aus Tijuana doch noch einen schönen Flecken auf dieser Erde zu machen.