Erstellt am: 22. 7. 2011 - 23:29 Uhr
Fußball-Journal '11-74.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einem Elchtest zum Fußball-Journal von vorgestern, dessen Thema (Die Schwäche der heimischen Trainer ist nicht bloß ein Teil, sondern der Kern des Problems) vom Boulevard aufge-griffen wurde und deshalb bis an die ÖFB-Spitze schwappt.
Und das anhand eines Besuchs bei einer der vielen anderen Baustellen des ÖFB: dem von ihm verantworteten Cup-Bewerb, der - trotz treuherziger Vorjahrs-Ankündigungen heuer alles besser machen zu wollen - wieder mit den Amateur-Teams vonstatten geht.
Wenn kritische Webjournalisten wie die von 90minuten.at oder auch ein lästiges Fußball-Blog wie meines Mißstände anprangern, dann hat das schon Wirkung: es erzeugt Unruhe in der Szene und dem Umfeld, man bekommt (natürlich nur unter der Hand) Applaus und weitere Hinweise auf weitere Ungereimtheiten.
Eine öffentliche Reaktion bleibt aber aus. Zurecht: denn die Wirkung von Spezialmedien wie den genannten beschränkt sich auf eine gut informierte Teil-Öffentlichkeit.
Wenn, wie im Fall der beiden nämlichen Geschichten, aber ein Mainstream-Medium, das die Massen mit schlaglichtartigen (und deshalb nur oberflächlichen) Verkürzungen schockieren will, sich des Themas annimmt, dann ist Feuer am Dach.
Weshalb sich, nach zwei recht groß angelegten Skandalisierungs-Aufschreien in der U-Bahn-Zeitung (hier übernehmen sie sogar mein doch etwas freihändiges Ranking - ganz ohne Re-Check) Willi Ruttensteiner der ÖFB-Fachmann schlechthin, genötigt sieht eine Stellungnahme abzugeben.
Die U-Bahn-Zeitung kreischt - der ÖFB muss sich erklären
Denn jetzt ist die Debatte aus einem Fachzirkel in die breite Öffentlichkeit rausgegangen - und da wirds gefährlich.
Ruttensteiners Stellungnahme rudert nun ordentlich zurück: die hier vom zuständigen Ausbildungs-Leiter Janeschitz noch angewandte Methodik der Extrapunkte für Ex-Team/Bundesliga-Kicker kommt bei Ruttensteiner nicht (mehr?) vor.
Blöd auch, dass Thomas Janeschitz, der Zuständige für die Trainerausbildung der Heute-Zeitung heute eine 'Verbesserung der Kriterie' ankündigte.
Den Angstschweiß des ÖFB riecht man allerdings am stärksten, wenn man sich die von Ruttensteiner beigeführte Liste der Nicht-Exteam-Kicker, die in den letzten Jahren trotzdem die Pro-Lizenz erhielten, ansieht: diese elf Namen sind nämlich der Beleg dafür dass Coaches, die sich nicht schon als Spieler eine Lobby erarbeitet haben, in Österreich defacto Berufsverbot bekommen.
Auslöser: die Geschichte von 90minuten.at die aufzeigt, wie einseitig die ÖFB-Trainerausbildung funktioniert und das vorgestrige Journal über die Mangelkultur was Coaching (&Ausbildung) in Österreich betrifft.
Die Frechheit Damir Canadi als Beispiel anzuführen
Die paar Ausnahmen (wie St.Pölten-Coach Martin Scherb, der ehemalige FAL-Leiter Wilhelm Schuldes, Sturm-Co Dietmar Pegam und Anif-Trainer Thomas Hofer) sind zu wenig, um den ÖFB da von Schuld freizusprechen.
Und auch der bunteste Hund dieser Liste nicht: Dass sich Ruttensteiner überhaupt traut, Damir Canadi, den 41jährigen Wiener, der seit 2003 tätig ist, in seine Liste aufzunehmen, zeigt, wie lange da der Exklusiv-Kreis der Ex-Teamspieler Inzest betreiben konnte.
Canadi sorgte als Coach des Regionalliga-Vereins FAC für einiges an Aufsehen, auf und abseits des Platzes, mit riskanten und durchdachten Maßnahmen und Wortmeldungen - was ihm dann auch ein Engagement bei Lok Moskau einbrachte, als Rashid Rakhimov dort 2008/9 die interessantesten Austro-Köpfe dorthin mitnahm (ua auch Alfred Tatar).
Auch nach seiner Rückkehr aus Russland gab es keine Profi-Angebote für Canadi (klar, welcher Ö-Verein ist schon daran interessiert seine Niveau zu heben), er übernahm wieder den FAC und führte jetzt den Traditionsklub Simmering in die Regionalliga.
Ab auf den Platz: Cupmatch Austria Amateure vs Simmering!
Wie es der Teufel Zufall so will, hat just heute, am Tag als ÖFB-Ruttensteiner seinen Namen anführt, Simmering ein Bewerbspiel. Im ÖFB-Cup, gegen die Austria Amateure.
Und wie es der Zufall so will, ist der Coach dort einer der Prototypen der Ex-Teamspieler, die sich schon zu ihrer aktiven Zeit so stark mit diversen Medien verseilschaftet haben, dass die Vereine lüstern Schlange stehen.
Ganz egal, ob der große Kicker als Coach auch etwas kann.
Vastic hat einen der angesprochenen Anschiebe-Kurse des ÖFB für Ex-Profis besucht, bei dem immer alle Teilnehmen brav ihre Lizenz bekommen, und ist somit ein schönes Beispiel.
Wie sieht das nun im direkten Vergleich aus?
Nicht auf den ersten Blick entlarvend - so simpel stellt sich die komplexe Realität nicht das (außer in Boulevard-Schlagzeilen).
Trotzdem hat das Cup-Match zwischen den Amateuren und Simmering, das heute am späten Nachmittag auf einem der lauschigen Nebenplätze des Horr/Generali-Stadions unter deutlich verbesserungswürdigen Einlass-Bedingungen sehr amateurhaft abgeführt wurde, alles gezeigt.
Vorweg: das Match endete mit einem 4:0-Sieg der Jung-Veilchen, wobei das Siegerteam aber, vor allem in der 1. Halbzeit die schwächere Mannschaft war.
Ex-Star/Neo-Trainer Vastic: konservativ, ohne eigene Idee
Dass die von Tormann Arnberger und Remo Mally (die eigentlich beide auch nach Kolumbien gehören würden) angeführte Mannschaft trotzdem klar gewann, liegt an der Tatsache, dass diese jungen Burschen (fast alle 19-20) vor Talent nur so strotzen. Diesbezüglich kann sich jedes andere Wiener Team aus der 3. oder 4. Leistungsstufe einfach nur hinten anstellen.
Wichtig war mir aber nicht Resultat oder Spielverlauf, sondern die Sichtung der Strategie.
Der sehr ruhig agierende Ivo Vastic hatte seine Mannschaft in einem 4-2-3-1 aufgestellt, mit einer sehr eng aneinandergeschmiegten Viererabwehr, zwei sehr offensiven Außenspielern und einem enorm großen Loch zur weit vorne effektvoll herumpolsternden Spitze Martin Harrer.
Erst gegen Ende der 2. Halbzeit, als die jungen Austrianer nur noch auf Konter spielen, greifen die Formationen ineinander, wird eine Art offensives 4-2-1-3 sichtbar.
Vastic' Taktik, sein System: konservativ, sehr berechenbar, immer mit einem Mann zuviel hinten, zwei Sechsern, mit einem zu weit zurückgezogenen Playmaker (seinem Alter Ego). Da ist kein eigener Gedanke zu spüren, da steckt keine große Überlegung dahinter, das ist die schlichte Übernahme schlichter Spielansätze, die in Österreich allgegenwärtig sind.
Neben den Erwähnten fallen noch die Kleinen, Strapajovic und Spiridonovic, dazu Pinter, Koblischek und Kapitän Vukajlovic auf, vor allem was den erwähnten Druck durch ihr schieres Talent betrifft.
Vastic hat also vor Lernwilligkeit berstende Akteure und macht nicht viel mit ihnen.
Nur-Trainer Canadi: zu ideenreich für sein limitiertes Team
Damir Canadi ließ Simmering in einem auf den ersten Blick undurchschaubaren 4-3-3 auflaufen, mit Kapitän Slawik als Joker, mit ständigen Positionswechseln auf den Angreifer/Flügel-Positionen und im zentralen Mittelfeld.
Seine Abwehr stand zu weit auseinander, seine 6 potentiell Offensiven hatten mit ihrer Koordination Probleme.
Letztlich versuchte Canadi da den FC Barcelona für seine Verhältnisse zu übersetzen. Und das mißlang; weil die Spieler, die er dafür zur Verfügung hat, das (noch) nicht können. Vielleicht wird das noch (die Saison ist noch lang, Alen Orman, einer seiner wichtigsten Stützen, fiel nach wenigen Minuten verletzt aus), vielleicht ist aber auch das, was Canadi kann und will auf diesem Level gar nicht möglich.
Die Idee hinter dem Canadi.Konzept ist jedesfalls klar: nur mit der modernstmöglichen Spielanlage, nur mit der bestmöglichen Raumaufteilung kann man die Prozent rausholen, die wegen personeller und finanzieller Schwäche fehlen. Canadi hat diesen Plan schon, die Akteure werden ihn vielleicht finden.
Am besten wäre es die Coaches zu tauschen.
Übrigend hat der ÖFB heute, wie zum Hohn bekanntgegeben, dass der Profi-Adabei und Nullsatz-Experte Michael Konsel neuer U19-Tormanntrainer wird.
Außerdem übertreffen einander die Herren Ruttensteiner und Janeschitz in punkto Widersprüchlichkeit.
Letztlich wäre es nämlich genau umgekehrt wesentlich g'scheiter. Ivica Vastic sollte Simmering coachen, dort seine gemächlichen Basics anwenden, dort sein konservatives risikoloses Spiel inszenieren.
Und Damir Canadi gehört auf eine Kommandobrücke, wo er über spielerisches Talent verfügen kann, wo er jungen Begabten bis Hochbegabten das entscheidende Etwas mitgeben kann.
Betulichkeit zu den Älteren, Risiko zu den Jungen.
Dass es nicht so ist, sondern andersrum, das verdanken wir dem österreichischen System Trainer nach ihren Erfolgen als Spieler und nicht etwa nach ihrem Können als Coaches zu selektioneren.
Und dann noch die nächste ÖFB-Baustelle: der Cup-Mißstand mit den Amateur-Mannschaften
Apropos "vom ÖFB vebockter Unsinn": irgendwie war da doch etwas, das gar nicht mehr da sein sollte.
Nämlich die zweiten, die B-, die Amateur-Teams der Profi-Vereine, im ÖFB-Cup.
Wurde nicht im Vorjahr, eh auch im Sommer, nach der Katastrophe der Cup-Auslosung, die uns ein unabsichtliches internes Rapid-Derby bescherte, Rotz und Wasser geheult und Besserung gelobt?
Waren nicht alle, Vereine, Liga, Öffentlichkeit und auch der ÖFB empört über die selbsteinegbrockte Farce von letztlich unsportlichen, verzerrenden Duellen im offiziellen Pflichtspiel-Kalender?
Hat der ÖFB damals nicht versprochen das leidige Problem einer Lösung zuzuführen.
Jetzt ist ein Jahr später und es ist das passiert, was meist passiert, wenn der ÖFB verspricht über wichtige Reformen nachzudenken: Nichts.
Die Amateurmannschaften sind wieder dabei. Die von Altach, Innsbruck, Grödig, Sturm, Kapfenberg, LASK, Ried, St.Pölten, Admira, Mattersburg, Rapid und Austria. Alle die heute ihre Vorrunde gespielt haben, sind weitergekommen, und können damit in der nächsten Auslosung auf ihre eigenen Profi-Teams treffen. Heißa, wird das ein Heulen und Zähneknirschen werden, die obligate Reform-Versprechung, die auf die Vergeßlichkeit und Blödheit von uns allen zählt, inklusive!