Erstellt am: 23. 7. 2011 - 13:00 Uhr
Sarrazin in Kreuzberg
Ach, der Sommer ist dieses Jahr ein Trauerspiel in Berlin, es ist kalt und es regnet in Strömen und es gibt keine Aussicht auf Besserung.
Die lange geplanten Sommeraktivitäten der Clubs: Konzerte am Badeschiff, Sommercamps, Open Air-Konzerte an der Spree – es sind traurig verregnete Treffen ein paar aufrechter Wetterfester in Regenmänteln. Nur in der Kreuzberger Adalbertstraße ist einiges geboten, hier läuft täglich ein Kamerateam auf, um das bekannte türkische Restaurant Hasir zu filmen. Hasir ist zwar berühmt in Berlin, aber die starke Medienpräsenz hat einen anderen Grund:
Es begab sich nämlich, dass Thilo Sarrazin, einst Finanzsenator von Berlin und Erfolgsautor des Buches „Deutschland schafft sich ab“, das muslimische Migranten als Gefahr für Deutschland beschreibt, als dieser Herr Sarazzin die Idee hatte mal durch Kreuzberg zu spazieren.
Angeblich war er noch nie zuvor da. Er hat zwar geschrieben türkische und arabische Einwanderer hätten für Deutschland keinen produktiven Gewinn außer als Obst-und Gemüsehändler und Zeuger immer weiterer „Kopftuchmädchen“, aber das weiß er aus Statistiken.
Christiane Rösinger
Nun ging er so durch Kreuzberg und Neukölln, wo viele Menschen leben, über die er sich so abfällig geäußert hat, ein Kamerateam des ZDF Kulturmagazins "Aspekte" begleitete ihn. Was im Nachhinein wie die Inszenierung eines vorhersebaren Eklats wirkt, funktionierte auch: Auf dem „Türkenmarkt“ wird Sarrazin beschimpft, die Alevitische Gemeinde lässt ihn nicht rein und im türkischen Restaurant bittet ihn der Oberkellner zu gehen, weil sich vor der Tür eine Menge Leute versammelt haben, die „Sarrazin raus aus Kreuzberg“ skandieren.
Als Rassist wird er beschimpft, dabei hat Sarrazin ja bloß die zunehmende Verblödung Deutschlands mit der genetischen Unterlegenheit mancher Migranten begründet.
Christiane Rösinger
Christiane Rösinger
Bild Zeitung
So weit so gut - der Dreh wird abgebrochen. Sarrazin klärt die Protestierenden auf, dass sie keine Demokraten sind und das ZDF hat seine Krawallgeschichte über Kreuzberg als No-Go-Area für Politiker. Die konservativen Berliner Zeitungen verlangen Toleranz für den Autor, und sehen Sarrazin als Opfer, dem man sein demokratisches Recht auf Dialog verweigert. In einem Springer-Blatt berichtet er über die bittere Erfahrung aus Kreuzberg verjagt worden zu sein. Andere Kommentatoren schreiben, die Kreuzberger hätten Sarrazin eher ignorieren statt beschimpfen sollen. Und die ZDF-Journalistin meint: Wer Vorurteile abbauen wolle müsse „in den Dialog“.
Die Alt-Kreuzbergerin denkt da anders: Niemand muss sich einen Dialog aufzwingen lassen, von jemandem, der einem zuvor ungefragt beleidigt hat, und einem dann noch das Recht abspricht auch beleidigt zu sein.
Ein Gutes hat die Geschichte: Trotz aller Probleme mit steigenden Mieten, Verdrängung und zuviel Touristen kann man sich doch auch mal wieder richtig darüber freuen Kreuzbergerin zu sein.