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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

21. 7. 2011 - 17:52

Björk treffen

Letzten Dienstag hab ich Björk getroffen und das Ereignis für die heutige Homebase konserviert.

Himmel, ich bin spät dran. Ich hab der Web-Redaktion versprochen, was zum Thema Björk-Treffen zu schreiben. Und nun hab ich so lang an meiner Björk-Stunde für die heutige Homebase herumgebastelt, dass alle Deadlines schon längst gestorben sind.

In meinem Arbeitszimmerchen hallt seit zwei Tagen jene Stimme wieder, die meine Tochter als die der Mutter von Gru aus "Despicable Me" wiedererkannt hat – Wenn sie spricht natürlich, nicht wenn sie singt.

Und in meinem Kopf verschwimmen die vielen Zitate, die ich in diese und jene Richtung verschoben hab, in der Hoffnung was Schlüssiges zu basteln aus einem Gespräch, dessen Verlauf das Menü der Mutter-App von Biophilia im Vergleich wie ein völlig logisches Raster aussehen lässt.

Screenshot von der Björk website

bjork.com

akkurate Skizze des Gesprächsverlaufs

Aus Zeitmangel werde ich nun im stream of consciousness erzählen, wie das so war am Dienstag bei Gudmunsdottirs.

Gut, es war nicht bei ihr daheim, sondern wie üblich in einem Hotel, aber jenes liegt nur einen Steinwurf weit von ihrem Londoner Haus entfernt (wo sie ja für gewöhnlich nicht wohnt, weil heutzutage halb in Island, halb in New York), das in einer Gegend liegt, die einen daran erinnert, dass sie 2003 bei 15 Millionen verkauften Platten zu zählen aufgehört hat.

Ich weiß schon, dass Björk eine, sagen wir, hochinteressierte AnhängerInnenschaft hat und liege wohl nicht falsch in der Annahme, dass jene unter Umständen an der Auskunft interessiert wäre, dass sie einen altrosa Seidenkimono mit elfenbeinfarbenem Kragen und weißen Strumpfhosen darunter trug, und eine tiefrote, enorm große, eine elliptische Silhouette erzeugende Kunsthaar-Perücke, die sie übrigens auch später nicht abnahm, als sie das Hotel wieder verließ.

Exzentrisch sagt man dazu, oder exzentrisch-erscheinen-wollend? Ich weiß es nicht, aber eigentlich ist die Frage, ob die wirklich so ist ganz genauso dämlich, als hätte man Bowie einst gefragt, ob er wirklich Ziggy Stardust sei.

Der viele - auch mich gelegentlich - irritierende Unterschied ist wohl, dass Björk das Sie-selbst-sein, die manierierte Naivität ihrer Erscheinung kultiviert – eine Pose, die eigentlich keine doppelten Böden erlaubt; aber ich erinnerte mich an eine Pressekonferenz damals rund um Selmasongs und „Dancer In The Dark“, wo sie mich völlig für sich gewann, und diesmal wäre sich das fast genauso ausgegangen.

Fast deshalb, weil mir diesmal bald klar wurde, dass ich mir die eitle Vorstellung, ihr irgend etwas zu entlocken, das sie nicht schon von vornherein hätte vorbringen wollen, abschminken konnte. Björk ist eine jener Interviewpartnerinnen, der man eine Frage stellt, die sie sich geduldig anhört und dann soweit wie möglich ignoriert.

Versuche der Steuerung des Gesprächsverlaufs seitens des Fragestellenden werden mit charmanten Hinweisen auf ihre eigene Verwirrtheit und einer Fortsetzung des Björkschen Monologs geahndet.
Man kann das manipulativ nennen oder professionell. Oder, ach ja, exzentrisch.

Und doch, jetzt, wo die ganzen Björkzitate wie die bunten Bausteine auf ihrem ReacTable schön geordnet vor mir auf dem Bildschirm liegen, ist da weit mehr als ich dachte. Geschichten über ihre bankrotten Geschwister. Geschichten über die isländische Punkzeit in den frühen Achtzigern. Geschichten über das Melodien finden auf dem Schulweg. Geschichten über die mäandernde Entstehungsgeschichte ihres bewundernswert größenwahnsinnigen Projekts "Biophilia" - vom Umweltschutzaktivismus über ein Manifest zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für die isländische Regierung über ein Haus mit einem Raum für jeden Song über einen mit Michél Gondry gemeinsam begonnenen, aber nie fertiggestellten 3D-Film für National Geographic bis zur Fertigstellung als Apps-Album.

Und zwischen all dem fand sie noch Zeit, aus einer vor ihr liegenden Schüssel eine große Menge exotisch anmutender Nüsse zu essen.

All das ist im Interview hörbar, aber nicht so unangenehm wie einst der Thunfisch bei meinem Interview mit Wyclef Jean (ich war extra nach New York gefahren, die Musikindustrie hatte zu viel Geld damals - und darüber haben wir übrigens auch gesprochen, Björk und ich, aber ich hab's weggelassen, weil's genug Interessanteres drinzulassen gab).

Dank der modernen Magnetaufzeichnung kann man also sozusagen selber Björk treffen inklusive Mundgeräusche und Musik, und zwar so ziemlich genau ab halb neun in der heutigen FM4-Homebase. Eine ganze Spezialstunde lang.

Ich für meinen Teil geh jetzt selber Nüsse essen.

Zum Nachhören

Die Homebase Spezialstunde gibt es hier für sieben Tage zum Nachhören.

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