Erstellt am: 21. 7. 2011 - 15:40 Uhr
Heiligen- und Führerscheine
Niko Alm ist Medienunternehmer, professionelles Kommunizieren sein täglich Brot. Niko Alm ist daneben Vorsitzender vom Zentralrat der Konfessionsfreien, der 2009 gegründet wurde und sich z.B. für verpflichtenden konfessionsfreien Ethikunterricht einsetzt oder für die Abschaffung der Privilegien der katholischen Kirche.
Niko Alm war live zu Gast im FM4 Open Mike. Ein Beweis für die Nichtexistenz Gottes konnte ebensowenig erbracht werden wie ein Beweis für das Gegenteil.
Niko Alm
bmvit
Kurz zusammengefasst: Alm setzt sich fürs Führerschein-Foto das Nudelsieb der religionskritischen Pastafarians auf. Die Behörde beanstandet es nicht, obwohl Kopfbedeckungen nur aus "Religiösen Gründen" am Foto erlaubt sind. Über das Thema der staatlichen Anerkennung von Religionen macht Alm so auf die Initiative Wir trennen jetzt Staat und Religion aufmerksam.
Die Nudelsieb-Aktion nutzt, wie die 2005 entstandene Pastafarianismus-Kampagne, die Methode der Überidentifizierung. Was im Grunde kritisiert werden soll wird übertrieben bejaht und in zugespitzer Form gefeiert.
Dabei kommt es zu Wahrnehmungsverzerrungen, die zum Teil beabsichtigt sind. Zum Teil nur, weil die Übertreibung das Maß des "Über" nicht genau mitliefern kann. Wie sehr die Übertreibung übertreibt, hängt von der Wahrnehmung der übertriebenen Realität ab. Bei solcherart Kommunikationsguerilla öffnet sich ein Raum der Irritation, der viel über die jeweiligen Wahrnehmungen aussagt.
Nach dem medialen Feuerwerk zu Niko Alms Nudelsieb-Spoof war die Reaktion des ehemaligen SOS Mitmensch-Sprechers Philipp Sonderegger die erste, die diesen Irritationsraum ausgelotet hat. Auf die Privilegien der Kirche aufmerksam machen zu wollen, deutet Sonderegger mit dem Recht auf freie Religionsausübung als problematisches Privileg Menschenrecht - der Titel seines Kommentars.
Die nächste Reaktion kam von der FPÖ. Sie beklagt an der Aktion den allgemeinen Werteverfall und sieht die Behörden als Mittäter und Opfer eines ausufernden Liberalismus. Vor "ungezügelter Freiheit" möchte die FPÖ den wankenden Staat beschützen.
In einer lesenswerten Analyse auf nonapartofthegame.eu ergründet Werner Reisinger die Frage, was ein Nudelsieb mit Laizismus zu tun hat. Und den Wert der Nudelsieb-Aktion für eine Kirchenkritik-Debatte sucht Jakob Arnim-Ellissen in seinem Kommentar Der Wert des Nudelsiebs zu bestimmen.
Niklas Jansson
Zusammenfassung
Das Spannendste erzählt Niko Alm zum Schluss, nach der Sendung: die Geschichte eines burgenländischen Religionslehrers, der einen Volksschüler dazu zwingt, mit dem Mund Schuhe aus dem Mistkübel zu holen. Der Lehrer wurde vom Landesschulrat suspendiert, kann aber von ihm nicht gekündigt werden, da er der Diözese Eisenstadt untersteht.
Niko Alm hat außerdem vom Konkordat erzählt, dem Vertrag zwischen Österreich und dem letzten absolutistischen Staat in Europa, dem Vatikan. Außerdem hat er auf das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien hingewiesen, das bis 15.Oktober auf den Gemeindeämtern unterstützt werden kann.
Einige AnruferInnen forderten die Moral und insbesondere die 10 Gebote als Beitrag der Religion zu "unseren Werten" zu würdigen. Interessanterweise kam diese Mahnung sowohl von einem Gläubigen als auch von einer Atheistin. Herr Alm hielt dem entgegen, dass die organisierten Religionen solche Werte nie gegeben, sondern stets vereinnahmt hätten. Einem Hörer, der eine - meiner Einschätzung nach faschistoide - Sekte mit dem Glaubensinhalt "Reinheit" gegründet hat, folgte eine intensive Auseinandersetzung zum Thema Ethikunterricht. Zuletzt waren noch einpaar Leute in der Leitung, die sich über die Nudelsieb-Aktion gefreut und sie als Debatten-Anstoß begrüßt haben.