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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

20. 7. 2011 - 18:24

Verspielte Facebook-Indies

Die kleine Wiener Games-Entwicklerfirma Socialspiel macht auf der weltgrößten Social-Web-Plattform ihr eigenes Ding.

Es gibt ja nur noch wenige unter uns, die absolut keine Erfahrung haben im kleine Tierchen züchten, bunte Kristalle aneinanderreihen oder Farmen bewirtschaften. Auf Facebook, versteht sich. Zumindest ein paar einschlägige Klicks hat jeder mal gewagt, der einen Account besitzt. Doch das allgegenwärtige soziale Online-Netzwerk nimmt für viele unter uns schon ohne Spiele genügend Zeit in Anspruch. Sind "FarmVille", "Pet Society" und Konsorten also in Wahrheit nicht mehr als simple, mit viel digitalem Glutamat versehene Klickhöllen, die uns die Zeit rauben?

Eine Partie "Push" auf Facebook.

Socialspiel / Robert Glashüttner

Mit Maß und Ziel können Facebook-Games durchaus unterhaltsam sein. Vor allem bringen sie den großen Vorteil, dass man sie stets mit oder gegen seine eigene Online-Community spielen kann. Der Markt ist mittlerweile hoch profitabel und wird seit gut zwei Jahren von einigen wenigen Major-Firmen beherrscht - Unternehmen wie Zynga (USA) oder wooga (Deutschland). Trotz der starken Konkurrenz hat sich auch ein kleines Wiener Games-Studio komplett der Facebook-Unterhaltung verschrieben.

Wie unterscheiden sich Facebook-Spiele vom Wesen her zu anderen Computerspielen? Und worauf muss man bei der Entwicklung besonders achten? Ich habe das rund ein halbes Dutzend große Socialspiel-Team in seinem Büro in Wien getroffen und unter anderem diese Fragen gestellt. "Wir sind ins kalte Wasser gesprungen mit unserem ersten Spiel", fasst Firmenmitgründer Helmut Hutterer zusammen. Alle drei Gründungsmitglieder von Socialspiel waren davor bei großen österreichischen Games-Studios beschäftigt. Man war andere Teamgrößen und Zuständigkeiten gewohnt, war auf andere Prioritäten bei der Spieleentwicklung eingespielt.

Barbara Fux und Helmut Hutterer an ihrem Arbeitsplatz.

Robert Glashüttner

Barbara Fux und Helmut Hutterer bei der Arbeit.

Nachdem die Firma Rockstar Vienna und deren Nachfolgerfirmen Anfang 2010 endgültig geschlossen hatten, war die Zeit reif für unternehmerische Unabhängigkeit. Statt kleine Rädchen an einem riesigen Produkt zu sein, macht das kleine Socialspiel-Team fortan alles selbst. Das ist einerseits gut, andererseits verlangt es jedem Teammitglied auch viel Einsatz ab. So ist etwa Barbara Fux gleichzeitig fürs Projektmanagement als auch für Pressearbeit und Community Management zuständig. Klare Job Descriptions gibt es nicht - die zu erledigenden Aufgaben werden im Eifer des Gefechts auch mal einfach an jene im Team verteilt, die gerade genügend zeitliche Ressourcen zur Verfügung haben.

Das Maskottchen zum Facebook-Spiel "Push": Eine Art Bär mit dickem Bauch, langen Gliedmaßen, und einer großen, weißen Masche am Körper.

Robert Glashüttner

Das "Push"-Maskottchen

Das erste Socialspiel-Spiel heißt "Push" - es ist eine Umsetzung des Brettspiels "Abalone", bei dem man mit seinen Kugeln die des Gegners aus dem Feld schieben muss. Wer einen Facebook-Account besitzt, kann "Push" dort frei spielen. Geld verdient wird später, mit dem bei Facebook-Spielen üblichen Konzept der sogenannten Micropayments. Nachdem die User mit dem Spiel vertraut sind, es beherrschen und gerne spielen, geben einzelne Spieler/innen (meist ein geringer Prozentsatz) Minibeträge für Güter im Spiel aus. Diese bieten zwar keinen direkten kompetitiven Vorteil, bringen aber oft einen Zeitgewinn mit sich oder sorgen für kosmetische Verbesserungen. Üblich ist etwa, dass man für seinen Avatar schickere Kleidungsstücke kauft.

Das Team von Socialspiel bei der Arbeit.

Robert Glashüttner

Socialspiel arbeitet in einem hellen Büro im obersten Geschoss eines neu renovierten Hauses. Darunter sind andere Firmen aus der Web-Branche tätig.

Das Wesen von Social Games ist somit maßgeblich anders als etwa jenes von Konsolenvideospielen. "Social Games haben starken Servicecharakter. Der zweite Teil der Spieleentwicklung beginnt erst, wenn das Produkt bereits online ist", sagt Helmut Hutterer. Tatsächlich sind Social Games ein nahezu ewiger Work-in-progress. Das Wörtchen "Beta" - sowohl ein Hinweis darauf, dass das Spiel noch nicht komplett fertig ist, als auch eine rechtliche Absicherung - verschwindet nur in seltenen Fällen vom Titelbildschirm der Facebook-Spiele.

Vor gut einer Woche hat Socialspiel seinen zweiten Titel namens "Tight Lines Fishing" veröffentlicht - ein Fischerspiel. Marketing ist dafür bisher keines gemacht worden, man möchte zunächst mit wenigen Usern die Spielbarkeit testen und einzelne Elemente und Funktionen adaptieren.

Das Facebook-Spiel "Tight Lines Fishing" in Aktion.

Socialspiel

"Push" und "Tight Lines Fishing" sind frei auf Facebook spielbar und über die dazugehörige Seite von Socialspiel abrufbar.

Das Team freut sich derzeit vor allem über interessierte "Tight Lines Fishing"-Betatester/innen.

Derzeit ist Socialspiel noch von Förder- und Investorengeldern abhängig, die Monetarisierung durch die Spiele läuft langsam an. Weil "Push" im Grunde ein ausgiebiger Testlauf war und "Tight Lines Fishing" nun das erste umfangreiche Spiel der jungen Firma ist, arbeitet das Team derzeit auf Hochtouren - denn die nächsten Monate sind besonders wichtig. Alles muss stimmen: Ein einsteigerfreundliches Benutzerinterface, ein bunter, fröhlicher visueller Stil und einfache Aufgaben im Spiel sind Grundvoraussetzungen, die ständig optimiert werden wollen. Wichtig ist auch der nahe Kontakt zur Spielerschaft - eine der größten Stärken, die Facebook-Spiele gegenüber herkömmlichen Computer- und Videospielen haben.