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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

21. 7. 2011 - 14:00

To score is hardcore

Wo sind meine alten Skistöcke? FM4 Draußen mit den dynamischen SpielerInnen von Bikepolo Styria.

Links ist die Bremse, rechts der Schläger. Beide Füße sind auf den Pedalen. Noch. Fahrradfahren habe ich mit vier gelernt, doch bei Bikepolo versagt das trainierte Koordinationssystem. Wo ist jetzt dieser orange Ball? Anfangs ist es ziemlich hart, da macht einem Florian Salchenegger nichts vor. "Du vergisst, dass du am Rad sitzt, schaust nach Schläger und Ball und fährst irgendwo hinein!"

Offiziell heißt die Sportart "Hardcourt Bikepolo". Und Hardcore sieht es aus. Sechs junge Männer beschleunigen aus dem Stand heraus mit ihren Rädern und passen sich mit adaptierten Skistöcken einen Street Hockeyball zu. Im Seattle des Jahres 2000 wird die moderne Geschichtsschreibung von Bikepolo angesetzt. Fahrradboten wollen das Spiel und die Schläger auf der Straße wiederaufgenommen haben, das auf Gras weit früher gespielt wurde. Eine Partie zur Demonstration war 1908 bei den Olympischen Spielen in London zu sehen.

In Graz ist der Sport noch jung, das Team von Bikepolo Styria um Florian Salchenegger holt auf. Und das sollte man sich nicht entgehen lassen. Es ist rasant und selbst Zuschauen macht Spaß. Aber wie Flo sagt: "Spielen ist cooler. Mich zipft's grad an, dass sie eine Revanche beginnen!"

Polospielen auf dem Fahrrad

Lupi Spuma

Danke an Alexander Karelly, der Bikepolo spielen und fotografieren kann!

Bremse links, Schläger rechts

Weit mehr als mit dem klassischen Polo zu Pferde hat Bikepolo mit Hockey zu tun. Es ist ein Sport der härteren Gangart. Ohne Visier und Helm erscheint in Berlin keiner zum Spiel, weiß Flo, der seit einigen Monaten in Graz dabei ist. Den Trainingsplatz neben dem alten Haus der Architektur ortet Alessandro in der ursprünglichen Bestimmung als Tennisfeld, allerdings ist die Fläche betoniert.

Das Team von Bikepolo Styria spielt jeden Mittwoch und jeden Samstag in der Engelgasse 10 in Graz.
Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht.

Arg verletzt hat sich noch keiner. Kleine Blessuren hat jedoch schon jeder davongetragen. Räder werden schnell verbogen, bekommen Achter. Darum fährt Alexander Karelly mit zwei Rädern auf den Spielplatz vor. Auf einem sitzt er, das andere lenkt er mit einer Hand mit. Wie Alexander haben sich die meisten regelmäßigen Bikepolo-Spieler eigene Räder für das Polo gebaut. „Die haben einen kurzen Lenker, eine kleine Übersetzung und wenn man Single Speed fährt, hat man die Hinterbremse links. Nicht wie normal die Vorderbremse linkerhand. Weil, wenn du mit der linken Hand am Lenker bist, in der rechten den Schläger hältst, hast du nur eine Bremse. Wenn die hinten ist, ist es sicherer.“ Logisch.

Nach der StVO lassen sich die Bikepoloräder nur unzulänglich beschreiben. The Greatest Bikepoloplayers Show on Earth, möchte ich dazu sagen. Wer sonst hat Clowns auf seinen Speichenschützern?

Bike Polo-Spieler auf dem Grazer Lendplatz

Lupi Spuma

Build your polobike!

Christian und Flo haben sich kurz nach dem Lendwirbel Räder zusammengeschraubt. „Es ist ein ruhiger Sport, nicht wirklich brutal und die Leute sind unglaublich nett“. Das stimmt. So vorbehaltlos hat mir noch niemand sein Fahrrad in die Hand gedrückt. Da kommt Debbie, die als einzige Frau diesmal mitspielt, und die Argumente zur Verteidigung meiner Surfermädchen-Zuschauerinnen-Position in der Wiese gehen aus.

3,2,1 Polo! rufen auch Teams in Wien, Wiener Neustadt und in Linz, wo unter der Autobahnbrücke gespielt wird.

Als absoluter Bikepolo-Beginner muss man als Erstes Fahrradfahren, sagt 'El Nino' Daniel. Und zwar einhändig und in kleinen Kurven, erläutert Alessandro. „Und dann muss man überhaupt erst den Ball erwischen.“ Wie lange wird es dauern, bis ich den Ball treffe? Die Profi-Runde schätzt ein gutes Jahr. Ist das nicht irrsinnig frustrierend? Schnell auf engem Platz zu fahren, sich auf die MitspielerInnen zu konzentrieren und in die Nähe des Balls zu kommen, das ist anfangs fordernd.

Fahrradräder stehen dicht nebeneinander

Lupi Spuma

Eins, zwei, drei.. abschlagen!

Mindestens vier FahrerInnen braucht es, damit eine Partie zustande kommt. Idealerweise spielen drei gegen drei.
Absteigen vom Rad ist zwar erlaubt, allerdings muss man, wenn man den Boden berührt, in die Mitte des Spielfeldes fahren und mit dem Schläger abschlagen. Erst dann darf man wieder ins Spiel eingreifen.

Ich kreise von der Seite eines Tores über den Mittelpunkt – Abschlagen! – zur anderen Seite des Feldes, und zurück zum Abschlagen. Trotzdem werde ich ganz begeistert. Noch stoppt mich niemand. Wie oft darf ich den Fuß auf den Boden setzen und muss als Minus dafür zur Mitte? Eine Höchstzahl gibt es nicht, sagt mir Tom nach dem Spiel. „Bei uns ist am Anfang auch viel geklopft worden“, ermuntert Alessandro. Tendenziell schaue ich zum Schläger also Richtung Boden. Und sehe nicht, wie ich Christian direkt in die Vorderspeiche fahre. „Eigentlich sollte man sich auf das Spielfeld konzentrieren. Der Rest ergibt sich“, versichert Tom. Darum eigenen sich Fixies mit Rennradlenkern eher schlecht. Je aufrechter man sitzt, desto besser der Überblick.

Abgestützt auf den Schläger steht ein Spieler auf seinem Fahrrad sitzend still vor dem Tor

Lupi Spuma

Drei, zwei, eins.. Polo!

Zurzeit bemühen sich Florian Salchenegger und Freunde um den Lendplatz für zukünftige Trainingssessions. Bis dahin: Auf zum alten HdA!

Für Fahrradboten hätten die Bikepolo Styria-SpielerInnen und El Nino mit dem Verein Styrian Sprint Shop eine unübliche Offenheit, sagt Christian. Da sei nichts mit konspirativ. Das unterstreiche ich mit Ausrufezeichen. Alle werden willkommen, und zu den Veranstaltungen kann man sich wagen. Mit oder ohne eigenem Rad.

Ein Bike-Polo-Spieler bei seinem Rad auf der Wiese, während im Hintergrund das erste Spiel beginnt

Kira Kirsch

Nächste Woche ist ein Teil des Grazer Teams in Warschau, wo die Weltmeisterschaften für Fahrradkuriere ausgetragen werden. Good luck, und aufpassen auf's G'nack!

Bike Polo-Spieler mit ihren Rädern, denen sie Felgen aus Zirkusplakaten gefertigt haben.

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