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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

15. 7. 2011 - 14:57

Die OKMAattacke

Ein Behinderter, der rappt. Über Behinderung und Verliebtsein, gegen Gewalt. Ja, darf der denn das?

Im Radio:

Heute ab 17 Uhr in FM4-Connected: "Integrations"-Projekte im Überblick und ein Beitrag über Okma & Relups

"Alle sagten, du kannst nicht rappen, ich war so aufgelöst." rappt Okma. Das hat den energiegeladenen 28-Jährigen aber nicht davon abgehalten, sein Projekt Okma & Relups hartnäckig weiter zu verfolgen. Okma heißt im bürgerlichen Namen Markus Peter Samek, er hat ein Chromosom zu viel, nämlich das einundzwanzigste: im Fachjargon "Trisomie 21". Damit gilt er als behindert.

Er macht Musik seit er fünf Jahre alt ist und bereits seit sechs Jahren gibt es sein Rap/Electroclash-Projekt "Okma & Relups", bei dem der Wiener Markus Peter Samek alias Okma den Sprechgesang beisteuert und der Musiktherapeut Robert Duda alias Relups die Beats dazu bastelt. Jetzt haben sie ihren ersten digitalen Release auf dem Hamburger Label Audiolith bekommen: die Single "Die OKMAattacke". "Das ist Okma, Okma, das ist Okma!" so geht der Refrain und im Video hüpfen die beiden in weißen Supermananzügen wie aufgezogen auf und ab.



Kennengelernt haben sich Markus und Robert bei der Rockband echt stoak, einem Musiktherapie-Projekt für Behinderte. Da waren aber beide nicht so mit dem Herzen dabei: Für Musiktherapie-Student Robert war es ein Nebenjob zum Geldverdienen und Markus hat sich in der Band eigentlich nicht recht wohlgefühlt. "Der Markus war da einer von vier Sängern" erzählt Robert "Und er hat aber eigentlich eher das Potenzial als MC vorne zu stehen und das Publikum anzuheizen."

fm4/irmi wutscher

OKMA - Markus Peter Samek

Deswegen sind die beiden dort ausgestiegen und haben ihr eigenes Projekt Okma & Relups gegründet. Mit Musiktherapie hat das aber gar nichts mehr zu tun, betonen sie, sondern die beiden machen gemeinsam die Musik, die ihnen Spaß macht. Und das ist in diesem Fall Rap mit Disco-Beats.

Weg von der Therapie hin zum Rap

Sophia Weyringer über Station 17

Das steht in der Tradition der Vorreiter Station 17 aus Hamburg. Anders als bei manchen Integrationsprojekten geht es nicht darum Behinderten eine Trommel in die Hand zu drücken und das Ganze auf dem Plattencover herzzerreißend in Szene zu setzen, sondern um echte Teilhabe an der Musik.

Okma hat seine liebste Ausdrucksform im Rap gefunden, die Texte schreibt er alle alleine: "Da geht’s meistens um mein Leben, meine Behinderung. Ich hab auch einen Song gegen Gewalt gemacht, ‚Schau nicht weg‘ hat der geheißen. Oder übers Verliebtsein, ganz verschieden." Die fertigen Texte bringt er zu Relups und der legt die Beats darunter. In letzter Zeit sind die fetter und discolastiger geworden, erklären die beiden - nicht zuletzt weil Okma so große Vorbilder wie Sido, oder Trackshittaz hat und selbst der größte Frittenbude-Fan ist. Relups wiederum ist seit seiner Jugend HipHop-Hörer "Mir taugt es, Producer zu sein und da vorne einen fetten Rapper stehen zu haben." sagt er.

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Mit Plattenvertrag in die Mitte der Gesellschaft

Soeben haben Okma und Relups also ihre erst Single auf dem Hamburger Label Audiolith herausgebracht. Zum Label sind sie über die befreundeten Frittenbude gekommen, mit denen Relups in seiner Jugend in Niederbayern schon gemeinsam Musik gemacht hat. Auf deren Empfehlung hin hat es mit dem Plattenvertrag dann auch geklappt. "Wir passen auch gut zu dem Label, weil der Okma sozialkritische und politische Sachen anspricht, über seine Behinderung und Menschenrechte usw.", meint Relups.

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Relups - Robert Duda

Es ist aber kein Zufall, dass Okma & Relups auf einem deutschen Label erscheinen, sagt FM4-Musikredakteur Andreas Ederer. "Es gibt persönliche Verbindungen, ja. Aber es gibt in Deutschland auch ein offeneres Umgehen mit Menschen mit Behinderung." Denn während man sich dort intensiv mit der NS-Zeit und der Euthanasie auseinandergesetzt hat, fehlt das in Österreich: "Bei uns wurden nach 1945 die Behinderten zusammengefasst in der Lebenshilfe und am besten ein große Mauer rundherum, damit ihnen nichts passieren kann. Die waren nicht mehr Teil der Gesellschaft und das ist auch in der Musik so." Gerade sind ja wieder Projekte wie das No Problem-Orchestra im Gerede. Deren Anspruch ist es, die Behinderten möglichst "gut" Musik nachspielen zu lassen. "Ich für mich habe das Gefühl: musikalisch bringt mir das nichts. Da werden Leute versucht in ein Schema zu pressen. Die machen nichts Eigenes."

Okma und Relups sind aber ein anderer, der neue Weg, sagt Andreas Ederer: "Das ist ein gegenseitiges Befruchten beim Arbeiten. Und bei den HörerInnen kommt wie bei jeder Musik dann die Frage: Gefällt es mir oder gefällt es mir nicht? Kann ich etwas damit anfangen oder lässt es mich kalt?"

Spaßprojekt oder politischer Anspruch?

Das Label Audiolith ist allerdings vor allem für Trashproduktionen wie der Tante Renate oder Bratze bekannt. Angst als neuestes Spaßprojekt bei Audiolith gehandelt zu werden, haben Okma und Relups aber nicht: "Die erste Single ist jetzt schon eher in die Richtung" gibt Relups zu "Aber wir schauen ja erst mal was passiert. Lustige Band – das kommt darauf an, wie das weitergeht, ob wir lustige Songs machen" - "Oder ob wir traurige Songs machen oder was auch immer machen", fällt ihm Okma ins Wort. Ihm missfällt Spaßmusik nicht: "Ich würd mich da sogar freuen drüber! Ich würde ja gerne mal mit dem Lukas Plöchl eine Nummer zu machen, das würde mir schon taugen."

Jetzt geht Relups nach abgeschlossenem Studium jedenfalls erst mal ein halbes Jahr auf Reisen, Okma spielt in einem Film mit und möchte gerne seine Verlobte heiraten. Im November kommt das neue Album heraus und ab da gibt es die zwei dann auch wieder live zu sehen. Bisherige Auftritte waren ein Erfolg: "Der Markus bringt eine irrsinnige Energie auf die Bühne, die Leute gehen total mit", erzählt Relups. "Es gab hauptsächlich positive Rückmeldungen."

fm4/irmi wutscher

Ein paar blöde Kommentare oder Postings gibt’s aber scheinbar immer, erzählen Okma und Relups: "Wir haben auf Youtube ein Video veröffentlich, darunter hat irgendwer gepostet, wofür man sich als Wiener nicht alles schämen muss." sagt Relups. Okma erklärt: "Der kommt mit meiner Art und Weise nicht zurecht, dass ich halt so bin wie ich bin. Leute regen sich auch auf, warum ein depperter Behinderter da jetzt Musik machen darf." Das habe die beiden schon gekränkt, meinen sie. "Aber es steht jedem offen seine Meinung zu sagen" sagt Relups. "Mir ist das egal, wir machen weiter!"