Erstellt am: 15. 7. 2011 - 13:50 Uhr
Im Grand Hotel van Cleef daheim
Auf der Arena-Bühne brennt noch Licht. Doch die Koffer werden gepackt und das Grand Hotel van Cleef schließt seine Wiener Dependance. Da kann man noch so aus tiefstem Herzen heraus singen. Die Männer von Kettcar sind glücklich und seitlich hinaus auf den Balkon, um sich das kurz in Ruhe anzusehen. Wie das verbliebene Publikum ihre Lieder minutenlang nach dem Konzert a-capella singt.
Stunden zuvor übernahmen Young Rebel Set die Rezeption des Gala-Abends des deutschen Labels Grand Hotel van Cleef in Wien. Die britischen Burschen aus Stockton-on-Tees sind vertragstechnisch in Hamburg verankert. Und nachdem ihnen Thees Uhlmann, seines Zeichens Geschäftsführer von Grand Hotel van Cleef, eine erfolgreiche Deutschlandtour organisierte, segelt die Mannschaft ebenso wie die jungen Beat Beat Beat! unter der Flagge des Hotel van Cleef. Und das wurde in den letzten Jahren zu einem Luxuskreuzer auf dem Kurs Indie-Rock. Gestern Abend kamen sie alle für ein Open-Air zusammen.

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Weil sich fünf Bands für den Abend angesagt haben, hält sich das Young Rebel Set an seine halbstündige Begrüßungs- und Vorstellungsrunde. Danach Beat Beat Beat! mit gediegener Tanzmusik im Bandformat und englischer Sprache. Nomen est omen. Kaum ist man zum Hit "We Are Waves" gelangt, sitzt bald nach "Fireworks" nur mehr eine chinesische Glückskatze allein auf einem Verstärker auf der Bühne.

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Versteckte Kameras
Mit asiatischem Glücksbringer und seinen The Hidden Cameras ist Joel Gibb zu Gast im Grand Hotel van Cleef. Wie geht’s, Wien? Danke, eh immer wunderbar, wenn The Hidden Cameras da sind, will man rufen und verstummt. Wie bitte, Wien? Wie geht’s? Diese Stimme kann mir alles vorsingen. Do I Belong? erklingt zuerst und drängt sich als berechtigte Frage auf.
Sind denn The Hidden Cameras auch schon beim Label GHvC gebucht? Nein, das nicht, sagt Joel Gibb Susi Ondrušová im Interview, doch er pflege freundschaftliche Bande. Gibb hat sich chic gemacht und tritt diesmal mit einer All-Guys-Truppe an. Cello, Keyboard und klassische Bandbesetzung. Minimalistisch für The Hidden Cameras und dennoch flächig-orchestral. Bevor er mit "Music is my boyfriend" schließt, bewegen wir uns im Shuffle-Modus durch die letzten vier Werke.
Vielen Dank für alle eingefangenen Augenblicke an Susi Ondrušová!
Das könnte abwechslungsreicher nicht sein und noch lange nicht genug, aber nein, The Hidden Cameras sieht man ohne Zugabe beim Merchandise-Stand wieder. "Komm sag Hallo!", wünscht sich Gibb, und ich wünsche mir The Hidden Cameras zurück, während sie noch akkordiert in die Luft springen.

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Der Geschäftsführer wird gerufen
Schneller als ein Zimmermädchen neue Bettwäsche überzieht und das Bad erfrischt, bauen die Bühnenarbeiter um. Einmal kurz Getränkenachschub geholt und das Zentrum des Geschehens außer Acht gelassen, hängt ein Riesenplakat hinter der Bühne mit Thees Uhlmann doppelt darauf. Einmal als Schriftzug, einmal als Foto in der Rückenansicht, wie es auch das Cover seines ersten Soloalbums zeigen wird. Massiv. „Storytelling Rock’n’Roll“ verspricht Uhlmann, zwölf Stücke ohne Tomte, und er stellt fast alle an diesem Donnerstag im Juli in Wien vor.

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Eng umschlungen war der vorletzte Tomte-Tonträger "Buchstaben über der Stadt". Jetzt macht Uhlmann rum - musikalisch, versteht sich. Und schon ist das Lied mit einem der gefühlt längsten deutschsprachigen Songtitel aller Zeiten in vieler Munde. Dabei erscheint „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ erst im August auf Thees Uhlmanns Soloalbum.
Darauf wird sich auch „Wir küssten uns wie Römer am Ende Roms“ finden. Erneut ein Satz von einem Song, bei dem anfangs leisere Töne angeschlagen werden bis Thees Uhlmann in der Mitte zur Mundharmonika greift und der Rock losbricht. “Es ist zu spät um nach Hause zu gehen, zu früh um hier zu verweilen. Und wenn du noch mit mir tanzen willst, dann musst du dich beeilen. Eben. Einmal locker gelassen. Es rockt.
Thees Uhlmann trägt die Sympathie eines Anti-Helden, der in weißem T-Shirt und Jeans ausdrücklich erwähnt, wie gern er mit seiner Mutter abhänge. Der jetzt nicht mehr die ganze Zeit von ihr singt, sondern Jay-Z in einen Refrain einbringt und die Musik des deutschen Rappers Caspar empfiehlt (und das obwohl der doch gar nicht auf der Künstlerliste van Cleef zu finden ist). Und der von der Jugend am Land berichtet.
„Wir haben schlafende Kühe umgeschubst. Das geht. Und was geht, das macht man“, erklärt er. Was auch geht und zwar äußerst gut in die Gehörgänge ist Thees Uhlmann solo. Aber nicht alleine: Mit Band und somit teils drei Gitarren. Weniger süß als Tomte, um die passenden Spuren zügelloser.
Der Wind steht gut und die Nacht ist warm, die Eröffnung spiegelt den Wetterbericht. Durch einen kurzen Regenguss tauchen wir im Publikum mit dem „Mädchen von Kassa 2“. Mit Uhlmanns Band steht die einzige Musikerin des Abends auf der Bühne und an der Orgel, Julietta Hill. Den Mann am Schlagzeug könnten aufmerksame KonzertbesucherInnen erkennen: Markus Perner von Garish tourt des Öfteren mit anderen Formationen durch die Lande. Auch bei Toph "Trouble Over Tokyo" Tailors Liveband ist Perner dabei, und Taylor an diesem Abend im Publikum.

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Viel Wasser fließt in den Lyrics des Abends. Bevor Kettcar "Deiche" aufbrechen, macht Thees Uhlmann, "was normal nur Schülerbands machen: Einen Song zwei Mal spielen". Die Lachse ziehen nochmal den Fluss hinauf.
Eine ganze Armada
Du, wieviel von deinen Freunden sind eigentlich nicht beim Label Grand Hotel van Cleef?, könnte man Thees Uhlmann fragen. Denn mit dem Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch und Bassisten Reimer Bustorff nehmen zwei weitere Gründungsmitglieder in der Arena Aufstellung, in einer Reihe nebeneinander mit Keyboarder Lars Wiebusch und Gitarrist Erik Langer. Kettcar sind ein Bandgefüge, das seit dem letzten Jahr mit Christian Hake einen neuen Schlagzeuger in seinem Rücken hat. Ihr Liedgut ist zu Indierock-Hymnen geworden, bei "Money Left To Burn" hört Marcus Wiebusch jeden einzelnen Fan mitsingen. Eine ganze Armada stimmt ein, und als er den Bären nur mit Gitarre und vom Keyboard begleitet erlegt, ist die Euphorie los.

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Wiebusch wäre ein guter Pädagoge. "Jetzt beruhigen wir uns wieder einmal". Sonst überhört man noch das neue Stück, das er als seine Antwort auf Diskussionen geschrieben hat, was denn Glück sei. Keinen Krebs zu haben. Punkt.
Weil Kettcar wissen, dass man weitermachen muss, wird auch die Studie einer Freundesrunde "Am Tisch", die wie so viele Zeilen von Kettcar derart genau beobachtet ist, dass sie sticht, nicht ihr Schlusslied zum Grande Finale. Selbst, wenn einen Trompete und Akkordeon schaukeln. Home ist nun mal where your heart is.