Erstellt am: 13. 7. 2011 - 23:00 Uhr
Fußball-Journal '11-68.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie schon 2010 auch 2011 ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute wurder der endgültige Kader für die U20-WM in Kolumbien bekanntgegeben - erstmals ist also eine echte Einschätzung möglich.
Die bisherigen Journale zur U20-WM:
Fußball-Journal '11-64: Über jene Übeltäter und Prügelwerfer, die die einzige österreichische WM-Teilnahme für die nächsten Jahre ganz bewusst behindern
Fußball-Journal '11-56: Steinschlag auf dem Weg nach Kolumbien.
Fußball-Journal '11-39: Eine erste Auswahl für die WM in Kolumbien, oder: die Schmerzen des Andreas Heraf.
Fußball-Journal '11-34: Ausflug nach Cartagena. Die U20-WM beginnt heute Nacht.
Fußball-Journal '11-20: Die jungen Legionäre tragen die ÖFB-Nachwuchsteams.
Fußball-Journal '11-4: Zu früh ins Ausland. Über das Doppelpass-Spiel von Medien und Fußball-Akteuren.
Fußball-Journal '11-1: Projekt-Opfer. Wie die Bildungs-Krise sich auch im Nachwuchs-Fußball niederschlägt.
Schöne farbige Print-Produkte machen schon was her: das U20-WM-Special, das der aktuellen Sportwoche beigelegt ist, sieht gut aus. Es ist auch gemeinsam mit dem ÖFB erarbeitet worden, enthält nur Positiva wie jedes hübsche PR-Heft.
Es deckt aber durch den Fluch des frühen Redaktionsschlusses auch die Vorgangsweise auf, wie tektonische Schichten. Man erfährt so anhand der Hochglanz-Fotos, wer jetzt zum Kernteam gehört, wer nicht, auf wen Heraf seriös gehofft hatte, mit wem er schon längst nicht mehr rechnen wollte und wer nie eine Chance hatte. Alaba und Dragovic etwa, für deren Abstellung sich Heraf öffentlichkeitswirksam quasi täglich ein Kerzerl anzündete, waren in Wahrheit schon längst aufgegeben.
Das offenbart dieses schöne Heft, obwohl es das gar nicht will.
Es will uns nur Vorfreude machen auf die am 29. Juli in Kolumbien beginnende U-20-Weltmeisterschaft der FIFA.
Die ist den Kollegen der Presse zwar ebenso wurscht wie vielen Vereinsmeiern und anderen Übeltätern zwar herzlich wurscht - andererseits sind diese Figuren aber mir herzlich wurscht.
Nicht wurscht ist mir, wie Trainer Heraf (der diesbezüglich ohne Helfer und Assistenten auskommt) die Mannschaft zusammengestellt hat, die Ende Juli und Anfang August in drei Gruppenspielen versuchen wird, an die Leistung der Vorgänger-Generation (Prödl, Hoffer, Junuzovic, Harnik, Okotie, Kavlak...) heranzukommen - dem ersten Austro-Jugendteam ever, das es ins Achtelfinale einer WM geschafft hat (und dann sogar bis unter die letzten 4). Etwas, was sich auch das A-Team seit 1982 ausschließlich aufzeichnen kann; tja, der Fluch von Gijon lastet noch.
Das verräterische Sonderheft
Heraf, das machen neben Sonderheft auch ein paar andere Infos aus Ried klar, hatte vor mit genau zwei Abwehrspielern ins Turnier zu gehen. Den Rest wollte er sich aus defensiven und offensiven Mittelfeld-Akteuren und sogar einem Spielmacher zusammenschnitzen.
Die Foto-Galerie zeigt fünf Akteure: Kapitän Michael Schimpelsberger, in Holland ausgebildeter Neo-Rapidler, Innenverteidiger, der mittlerweile auch rechts oder links in der Abwehr spielen kann. Neben ihm Marcel Ziegl, die jugendliche Nummer 10 aus Ried, Patrick Farkas, die Offensvkraft am rechten Mattersburger Flügel, dann Emir Dilaver, den defensiven Mittelfeld-Junior der Austria und schließlich Lukas Rath, der Linksverteidiger der Mattersburger.
Farkas soll dem Vernehmen nach den rechten Verteidiger machen, und Ziegl soll auf Links-Verteidiger umgeschult werden. Ziegl hat 2009 für die U19 schon rechts gespielt, links war damals Klem zu finden. Der soll aber jetzt weiter vorne agieren.
Und Rath musste beim ÖFB auch schon innen spielen. Und Tobias Kainz auch. Und Farkas; und der auch links. Und auch Dilaver war schon links zu finden.
Nun kam es zwar alles noch anders - denn zwischen der provisorischen Kader-Benennung letzten Mittwoch und der heutigen Fixierung der 21er-Kaders (der im übrigen zwei Tage früher als nötig erfolgte) lagen Kritik, Retourkutschen, Fehden, aber auch die Einsicht noch zwei echte Innenverteidiger zu brauchen, die dann mit Lukas Rotpuller (Austria) und Richard Windbichler (Admira) auch dazukamen.
Allerdings verdienen die Außenpositionen eine nähere Betrachtung. Heraf hat die längst als Problemzone erkannt, aber hat er wirklich etwas unternommen?
Herafs Gfrett mit den Außenverteidigern
Mit den jungen Spielern, die das Außenverteidigerspiel gelernt und erprobt haben und es nicht erst extra für die Nationalmannschaft neu erfinden müssen, hat Heraf irgendein Problem.
Christian Klem, der links hinten spielen kann, darf das nicht - den sieht Heraf weiter vorne. Punkt, aus.
Rath, der links gesetzt sein sollte, wird gern in die Mitte gezogen. Schimpelsberger, ideal für die Mitte, musste auch schon rechts spielen (was dann bei seiner Rapid-Karriere ganz förderlich war.
Martin Hinteregger, dessen Linksverteidiger-Auftritte gegen Juve das Interesse der halben italienischen Liga nach sich zog, wurde viel zu spät, erst fünf vor 12 kontaktiert, als der Druck als Salzburg schon zu groß war.
Stefan Hierländer, der zu Saisonende von Moniz als rechter Verteidiger eingesetzt wurde, steht ebenso auf Herafs persönlicher Blacklist wie Kevin Krisch, der bei Werders Amateuren in der 3. Liga der etatmäßige Rechtsverteidiger ist. Von Ervin Bevab will ich gar nicht erst anfangen. Remo Mally, der eben in den Austria A-Kader als junger Rechtsverteidiger hochgezogen wurde? Stefan Lainer von den Salzburg Juniors?
Dass Gernot Trauner, der auch rechts spielen könnte, sich verletzt hat, ist Pech; dass sein Klubkollege Florian Maier, der auch links spielen könnte, nie ausprobiert wurde, keines.
Hier diejenigen aus den Jahrgängen 91, 92 und 93, die aus verschiedensten Gründen nicht berück-sichtigt wurden, es aber durchaus verdient hätten:
David Alaba, Toni Vastic, Dominik Burusic, Dominik Traunmüller (Bayern), Moritz Leitner (Dortmund), Raphael Holzhauer, Alexander Aschauer (VfB Stuttgart), Kevin Krisch (Werder), Bernhard Janeczek (Gladbach), Richard Strebinger, Stefan Petrovic (Hertha), Michael Gregoritsch, Seifedin Chabbi (Hoffenheim), Christian Bubalovic (Cottbus), Christan Pauli (Osnabrück), Christoph Knasmüllner, Lukas Spendlhofer (Inter), Marcel Büchel (Gubbio), Dejan Stojanovic (Bologna), Philip Prosenik (Chelsea), Marcel Ritzmaier (PSV Eindhoven), Radovan Mitrovic (Heerenveen), Aleksandar Dragovic (Basel), Manuel Sutter, Florian Kloser, Marco Summer (St. Gallen), Mahmud Imamoglu (Güngören), Rafinha (Toledo/BRA), Martin Hinteregger, Stefan Hierländer (Salzburg), Florian Kainz (Sturm), Günther Arnberger, David Oberortner, Remo Mally (Austria), Muhammed Ildiz, Fabian Hafner (Wacker Innsbruck), Philipp Huspek (Ried/BWLinz), Matthias Maak (Neustadt), Mario Grgic (Kapfenberg), Maximilian Sax (Admira), Gernot Trauner (LASK), Julian Erhart (Altach), Georg Blatnik, Stefan Lainer, Florian Maier (Grödig), Sandro Gotal (WAC), Michael Ambichl (St. Pölten), Christian Ritzmaier, Julian Rupp, Daniel Luxbacher (FC Lustenau), Luca Tauschmann (Hartberg), David Jelenko, Andreas Tiffner (Vienna), Ervin Bevab (Gleinstätten), Christian Petrovcic (DSV Leoben), Lorenz Höbarth (St. Florian) ...
Das für die Nachwuchs-Ausbildung in Österreich federführende Projekt 12 des ÖFB hat 25 Spieler der Jahrgänge 91/92/93 auf der Liste:
12 davon sind jetzt im Kader (Teigl, Klem, Dilaver, Schimpelsberger, Schütz, Weimann, Rath, Offenbacher, Farkas, Tobias Kainz, Radlinger, Djuricin), 13 nicht (Huspek, Hierländer, Dragovic, Janeczek, Trauner, Knasmüllner, Alaba, Hinteregger, Strebinger, Holzhauser, Prosenik, Burusic, Marcel Ritzmaier).
In der ursprünglichen Projekt 12-Liste von 2009 waren nur 19 Burschen dieser Jahrgänge vertreten. Gestrichen wurden Robert Gucher, Ervin Bevab, Muhammed Ildiz, Günther Arnberger und Georg Blatnik. Gucher ist jetzt interessanterweise trotzdem im Kader. Neu dazugekommen sind seit 2009 Schimpelsberger (obwohl immer schon Kapitän und Leader seines Jahrgangs!), Tobias Kainz, Farkas, Radlinger und Djuricin, für die ähnliches gilt, Teigl, Dilaver, Schütz sowie Trauner, Hinteregger und Strebinger. Deren Talente bleiben den Selektionären bis Ende 2010 offenbar verborgen.
Nie auf dieser Liste war Alexander Aschauer, Michael Gregoritsch oder Florian Kainz, seltsam, was?
Und noch was: im Vergleich zu Deutschland oder der Schweiz ist der Anteil von Secondos verheerend gering. Dass er unter den Nicht-Berücksichtigten deutlich hörer ist als im Kader, ordne ich einmal (wohl-wollend) unter 'Zufall' ein.
Ein Ballerwatsch der Sonderklasse also.
Mit anderen Worten: das Problem mit den Außenverteidigern schleppt die Auswahl schon eine Zeit mit sich herum - genau die Zeit, in der Heraf Coach ist. Wer im jahrelangen Aufbau so viel Potential vorgibt, der sieht sich dann gezwungen im letzten Moment Umschulungs-Maßnahmen durchzuführen.
Geht sich ein 4-3-3 mit diesem Kader überhaupt aus?
Maßnahmen, die im übrigen dann etwas bringen, wenn das mit dem Verein akkordiert ist. Farkas als rechter und Ziegl als linker Verteidiger waren das nicht; auch wenn Gludovatz davon (vom Spieler) erfuhr und ihn in ein paar Tests entsprechend einsetzte.
Wenn Heraf tatsächlich ein 4-3-3 als Basis-System vorschwebt, dann ist eine stabile und in ihren Abläufen sichere Abwehr Grundbedingung - andernfalls rennt einen ein gut organisierter Gegner in Grund und Boden.
Durch den Ausfall von Raphael Holzhauser, den der VfB Stuttgart ebenso wie Alexander Aschauer nicht abstellen wollte, und den Verzicht auf den schlimmen (und auch ein bisserl verletzten) Christoph Knasmüllner geht sich aber nichts anderes aus. Diese zwei wären (ebenso wie Alaba) Akteure, die aus der Offensiv-Zentrale etwas bewegen können.
Und mit Holzhauser, das zeigt die Fotostrecke im U20 Special, hat Heraf wirklich gerechnet.
Dieses Special zeigt auch, dass der harte Kampf um Georg Teigl eine Show-Inszenierung war, um es Salzburg irgendwie zu zeigen. Einige Quellen bestätigen ja eine Übereinkunft ÖFB-Salzburg, die Teigl und Hinteregger keine Freigabe ausstelt, aber Meilinger und Offenbacher fahren lässt. Die Wehklagen im Anschluss liefen dieser (durchaus knieweichen) Abmachung dann aber deutlich zuwider. Doppelstrategie nennt man sowas. Teigl jedenfalls kommt im U20-Special nicht vor.
Genausowenig wie Rotpuller und Windbichler, die nur einmal kurz im Lauftext Erwähnung finden. Auch irgendwie blöd, wenn man einen echten Teamspirit aufbauen will.
Die anderen sind einfach nicht so gut
Auch an der Legende, dass Sturm den Jungstar Florian Kainz nicht freigibt, wird ordentlich weitergestrickt. Fakt ist, dass Heraf Kainz (und ich zitiere wörtlich) "einfach nicht so gut" findet. Und deswegen nicht will oder wollte; wie auch Toni Vastic, den sich gerade die Bayern-Jugendabteilung holte; und viele andere mehr, die Heraf in aller Öffentlichkeit immer wieder gern abqualifiziert.
Und auch Michael Gregoritsch ist gut genug für Hoffenheim, aber nicht für Heraf.
Die junge Mannschaft wird es ohnehin aus vielen verschiedene Gründen, die fast alle außerhalb ihres Einflussbereichs liegen ordentlich schwerhaben. Und es fehlt ihnen auch ein Mitreißer wie David Alaba, ein Rumpelstilz wie Knasmüllner oder ein Genius wie Holzhauser.
Ich glaube trotzdem, dass es eine reele Chance auf das Achtelfinale gibt, wenn auch erst im letzten Spiel auf den letzten Drücker.
Der 21-Mann-Kader jedenfalls ist den Umständen entsprechend immer noch fein besetzt.
Im Tor wird wohl Samuel Radlinger stehen, der jüngst von Ried zu Hannover transferiert wurde, ohne je ein Ried-Spiel bestritten zu haben. Radlinger wird seit Jahren systematisch aufgebaut, hat einen Bärenwillen und hatte seine Einsätze bei St.Florian in der Regionalliga.
Seine Back-Ups sind Philip Petermann aus der Austria-Schule
und Christoph Riegler, der zurecht Ambitionen auf den Nummer 1-Slot in St. Pölten hat.
Einige der Besten sind durchaus am Start
Michael Schimpelsberger ist seit Jahren der Kapitän der Mannschaft, ein vielseitig ausgebildeter, selbstbewusster und schlauer Spieler, der seltsamerweise bei der EM in Frankreich Nerven gezeigt hat. Neben ihm in der Innenverteidigung wird wohl nicht Richard Windbichler stehen, der bei der Admira mit Dibon oder Drescher die beste junge Abwehr des Landes bildet, sondern Lukas Rath, der ideale Linksverteidiger. Back-Up ist Lukas Rotpuller aus der Austria-Schule.
Rechts wird wohl Patrick Farkas verteidigen müssen - sonst gibt's ja keinen. Links darf das nicht sein Mattersburger Teamkollege Lukas Rath tun, der modernste Linksverteidiger des Landes, das muss Emir Dilaver, ein guter Sechser machen. Für die linke Seite und überhaupt als Defensiv-Jolly ist auch der Rieder Offensiv-Spielmacher Marcel Ziegl vorgesehen.
Das defensive Mittelfeld ist das Reich von Tobias Kainz, der beim Top-Ausbildungsverein Heerenveen gelernt und dort auch einen Profi-Vertrag bekommen hat. Sein Back-Up wäre eigentlich Austrias Emir Dilaver, aber der wird ja wohl in die Abwehr zurückgezogen werden. Etwas, was auch Kainz blühen kann.
Auf den Halbpositionen im Mittelfeld werden wir wohl Robert Gucher, den Grazer, der in Italien taktisches Spielen gelernt hat, und jetzt beim KSV spielt, sehen. Gucher kann auch einen guten Sechser spielen.
Und Christian Klem von Sturm Graz, der auf der linken Seite für Sicherheit aber auch wilde Vorstöße sorgen soll. Auf den Halbpositionen wäre auch der Platz, den die drei Salzburger einnehmen können: Marco Meilinger, Daniel Offenbacher und Georg Teigl sind echte Alleskönner. Daniel Schütz, der Ex-Altacher und Neo-Innsbrucker ist ein klassischer Flügelspieler, allerdings einer ohne Pendant im Kader.
Moderne Freigeister
Der einzige verbliebene Mittelfeld-Freigeist ist der Jüngste im Kader, Kevin Stöger vom VfB Stuttgart, auch ein Ex-Rieder, mein Tipp für den Joker-Einsatz.
Im Angriff sind in jedem Fall Marco Djuricin und Andreas Weimann gesetzt. Der Hertha-Stürmer ist seit seiner Rolle im entscheidenden Spiel bei der Euro in Frankreich ein Leader und der Aston Villa-Angreifer kann aufgrund seiner U21/Premier League-Erfahrung nicht ersetzt werden. Der Rieder Robert Zulj hat schon etliche Liga-Einsätze, ist aber nur Back-Up.
Hier noch ein ausführliches, aber erstaunlich unkritisches Interview mit Andreas Heraf auf ballverliebt.eu.
Wie sich aus diesem für ein 4-4-2 zusammengestellten Kader nun ein 4-3-3 ausgehen soll? Vielleicht meint Heraf ohnehin nur ein verschämtes 4-1-4-1 mit Djuricin vorne und Weimann aus dem Mittelfeld kommend.
Wir werden es erleben, nächtens, live in der TV-Kiste.