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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

15. 7. 2011 - 21:30

Dreams Are My Reality

James Joyce meets Cyberpunk. "Number 9 Dream" vom britischen Autor David Mitchell führt uns nach Japan, lange vor Fukushima.

"# 9 Dream" war ein Song von John Lennon, von seinem 1974 erschienen Album "Walls And Bridges". Lennon und seine Faszination für die Zahl 9. In David Mitchells "Number 9 Dream" geht es auch ums Träumen, aber nicht etwa um leichtes sommerliches Tagträumen, so wie auch John Lennon kein entspannt lockerer Daydreamer war.

"Was it just a dream? It seemed so real to me." - John Lennon

buchcover david mitchell number 9 dream

rowohlt verlag

"Number 9 Dream" von David Mitchell ist, übersetzt von Volker Oldenburg, bei Rowohlt erschienen.

David Mitchell beginnt seinen "Number 9 Dream" mit einem schönen Satz aus Don DeLillos allererstem Roman, aus dem 1971 erschienenen "Americana": "Es ist sehr viel einfacher, die Wirklichkeit zu begraben, als Träume loszuwerden."

Das Vorwort. Und dann sind wir schon mitten drinnen in Tokio, im Japan bevor Fukushima stattfand. David Mitchell schrieb und veröffentlichte "number9dream" schon vor bereits zehn Jahren. Dass es erst jetzt zu einer deutschen Übersetzung kam ist zwar spät, aber trotzdem gut, schließlich ist David Mitchell wohl einer der besten britischen Autoren der Gegenwart. Das Lesen in der Originalsprache ist nach wie vor das Optimale, und erspart einem Übersetzungs-Sätze wie "Ameisen blaffen in ihre Handys." Blaffen = sich unwirsch äußern, bellen. Bei Mitchells englischsprachigem Original hieß das Wort "snap", wenn ich mich recht erinnere. Das Kreuz mit den Übersetzungen. Aber lassen wir das.

Worum geht es?

Die Facts: Eiji Miyake, 19 Jahre alt und ein Träumer, begibt sich nach Tokio, vom Land kommend, von der Insel Yakushima. Er ist auf der Suche nach seinem Vater, der die Familie schon vor langer Zeit verlassen hat, und den der Bub nie wirklich kennengelernt hat. Eijis Familie ist eine disfunktionale Familie, die Mutter ist alkoholkrank und auch nicht wirklich present. Eiji wächst bei der Großmutter auf, erst noch zusammen mit seiner Zwillingsschwester - bis diese ertrinkt.

"Ich träume ein Mädchen, das allein, ohne ein Wort der Klage, ertrinkt. Ich träume ihren kleinen Körper, der von Wellen und Strömungen hinausgezogen wird, bis er sich im Blau auflöst, und nichts bleibt übrig."

Nicht eine humorige Story a la Country-Pumpkin-geht-in-die-große-verwirrende-Stadt nimmt hier ihren Anfang, sondern eine schwer surreale (Detektiv-)Geschichte mit Coming-of-Age-Elementen. Der dream ist hier fantasy. Manga fällt einem unweigerlich ein bei diesem Vermischen aus Traum und Erlebtem. Und das kann schon sehr violent werden, aber auch wunderschön.

"So viele Sterne? Wozu sind Sterne da?"

Das Surreale, hat er das von Haruki Murikami? Ja, "Mister Aufziehvogel" lässt grüßen. Dazu die Popculture-Referenzen, und die Erdbeben und Tsunamis. Aber keine atomaren Katastrophen. "Number 9 Dream" ist auch ein Stadtporträt von Tokio, samt der winzigen, kapselartigen Wohnung von Eiji.

Der Autor

Autor David Mitchell

Mitchell

David Mitchell wurde in Southport in der nordenglischen Provinz Lancaster geboren. Southport ist ein beliebter Badeoprt an der Irischen See, an dem sich die Städter aus den nahen Ballungszentren Liverpool und Manchester tummeln. Zum Studieren zog es David Mitchell aber dann in den englischen Süden, an die University Of Kent, wo er Literatur studierte, mit Schwerpunkt vergleichende Literaturwissenschaft. Danach verbrachte er Zeit auf Sizilien, um dann nach Japan zu gehen. An der Universität von Hiroshima unterrichtete David Mitchell sechs Jahre lang Englisch.
Heute lebt er mit seiner japanischen Frau und Kindern in Irland.

buecher von david michtell: chaos, der wolkenatlas, der dreizehnte monat

rowohlt verlag

Andere Bücher von David Mitchell

Der Debutroman von David Mitchell, "Ghostwritten: A Novel in Nine Parts", erschien 1999 und wurde fünf Jahre später ins Deutsche übersetzt, von Volker Oldenburg, der auch alle anderen Romane von David Mitchell übersetzte. "Ghostwritten" hieß nun "Chaos: Ein Roman in neun Teilen".

Es folgte schon "number9dream", das eine deutsche Übersetzung betreffend aber übergangen wurde. Stattdessen wurde aus dem 2004er Roman "Cloud Atlas" das deutsche "Der Wolkenatlas".

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"Black Swan Green" folgte, mein Liebling unter den David Mitchell Büchern. Es wurde zu "Der dreizehnte Monat" und erzählt von einem dreizehn Jahre alten Jungen namens Jason Taylor, der gewissermaßen unsichtbar ist; ein gedichteschreibender Nerd; eine Art Adrian Mole vor der Kulisse des Falklandkrieges. Ein wunderschöner Coming-Of-Age-Roman, der ganz nebenbei ein wirklich gutes Zeitdokument des Großbritannien der frühen 80er ist.

Der aktuelle David Mitchell Roman heißt "The Thousand Autumns Of Jacob de Zoet". Ich hab ihn noch nicht gelesen, aber wieder soll es eine Mitchell-sche tour de force sein, und schlicht ein Meisterwerk.