Erstellt am: 16. 7. 2011 - 16:49 Uhr
Vorsicht, Panda
In Deutschland ist in den letzten Wochen wieder viel von einem Bären die Rede. Typisch Sommerloch? Nein, nicht ganz. Denn diesmal geht es nicht um Eisbär Knut oder Problembär Bruno, sondern um die Reputation des World Wide Found for Nature (WWF). Grund ist die Dokumentation Pakt mit dem Panda – was der WWF uns verschweigt, die die ARD vor einigen Wochen ausstrahlte (eine geplante Zweitausstrahlung im SWR am 13.7. wurde übrigens kurzfristig aus dem Programm genommen). Diese gibt einen Einblick darin, was der WWF unter Naturschutz versteht, und wie weit er dafür zu gehen bereit ist.

Jenny Jonak/WWF-US
Seither wackelt das Image der traditionsreichen Umweltschutzorganisation in Deutschland gewaltig, wollen doch viele der angewandten Methoden nicht zum niedlichen Image seiner Symbolfigur passen. Etwa, dass dem WWF an der Etablierung von Tigerreservaten beteiligt ist, die zur Zwangsumsiedlung lokaler Bevölkerungsgruppen führten, die früher in und von diesen Gebieten gelebt hatten. Oder, dass der WWF es Firmen wie Monsanto erlaubt, ihren Geschäften einen grünen Stempel aufzudrücken.
Königlicher Schutz oder Greenwashing für Konzerne?
Zu der Reihe der adeligen Vorsitzenden des WWFs gehört auch Prince Philip (1981-1996), seines Zeichens passionierter Jäger
Viele der im Dokumentarfilm aufgebrachten Vorwürfe sind in Umweltschutzkreisen schon längst bekannt. Oder wurden schon im Buch WWF: Die Biogrpahie, das kürzlich anlässlich des 50jährigen Bestehens der Organisation erschien, beschrieben. Etwa, dass Shell einer der ersten Großspender des WWFs war, und sich der WWF in diversen Pestizid- und Ölkatastrophen auffällig ruhig verhielt. Oder dass der ehemalige WWF Chef John Hanks in den 80er Jahren südafrikanische Söldnertruppen, die zudem mit dem Geheimdienst des damaligen Apartheid-Staates kooperierten, engagieren ließ, um gegen Nashornwilderer in Afrika aktiv zu werden.
Die Fülle an dubiosen Verwicklungen, die Regisseur Wilfried Huismann in seinem Dokumentarfilm zusammengetragen hat, verschlägt einem alle Mal die Sprache. So hat der WWF 2004 den Roundtable on Sustainable Palmoil gegründet, dem mittlerweile knapp 300 Wirtschaftsunternehmen angehören, und der eine umweltgerechte Produktion des – insbesondere auch durch den Agrospritboom äußerst gefragten Rohstoffs – sicherstellen soll. Doch wie Huismann zeigt, geht auch unter dem Schirm des Roundtable die Abholzung der Wälder Südostasiens munter weiter, was die Zerstörung der Lebensgrundlage vieler Tiere bedeutet und im Fall der Menschen auch zu Zwangsumsiedelungen führt. In Kooperation mit dem WWF. Ähnliches geschieht in Lateinamerika. Dort erhält Monsanto für seine gentechnisch veränderten, riesigen Sojamonokulturen, die den Regenwald immer weiter zurück drängen, und aufgrund des großflächigen Einsatzes von Spritzmitteln für die lokale Bevölkerung zur Lebensbedrohung werden, vom WWF ebenfalls das Prädikat ökologisch nachhaltig. Greenwashing nennen das Kritiker_innen: Konzerne lassen sich von Umweltschutzorganisationen einen grünen Stempel aufdrücken, ohne ihr Agieren substantiell zu verändern.
Von Entgegnungen
Stimmt nicht, kontert der WWF. Der WWF akzeptiere eben im Gegensatz zu anderen Umweltschutzorganisationen die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse und versuche, im Bereich des Möglichen Umweltschutz zu betreiben. Und da sei es eben besser, mit als gegen Großkonzerne(n) zu arbeiten. Überhaupt seien die Vorwürfe von Huismann unhaltbar, was WWF Deutschland auf einer eigens eingerichteten Seite auch nachzuweisen versucht. Direkte Verbindungen zwischen Abholzungen, Zwangsumsiedelung und dem WWF seien nicht nachzuweisen, unterstreicht WWF-Deutschland Chef Eberhard Brandes auch in einem hörenswerten Streitgespräch mit Regisseur Huismann in BR2. Außerdem arbeite der WWF immer mit und nie gegen die lokale Bevölkerung. Diese werde in WWF-Projekte immer so gut wie möglich eingebunden.
Und eigenen Begegnungen
Hm, grübelte ich, als ich dieses Interview hörte. War da nicht was? Achja, war der WWF nicht auch an der Etablierung des Nationalparks Carrasco in Bolivien beteiligt, den ich vor knapp 7 Jahren im Rahmen meiner Diplomarbeit beforschte, und in dem es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der lokalen Bevölkerung kam?
Der Nationalpark Carrasco, der zwischen dem andinen Hochland und der tropischen Tiefebene Boliviens liegt, wurde – wie so viele andere Nationalparks – Anfang der 1990er Jahre gegründet. Ein Jahr vor der Gründung hatte es von Seiten der Regierung noch Pläne gegeben, die Besiedlung der Region voranzutreiben. Doch dann drehte der Wind. Mit dem Aufkommen des Entwicklungsparadigmas der nachhaltigen Entwicklung war es nun opportuner, und auch lukrativer, auf Naturschutz umzusteigen. Für ein Land wie Bolivien, dass stark von internationaler Entwicklungshilfe abhängig ist, ein wichtiger Faktor. Zudem bot sich dem Staat mit der Gründung von Nationalparks die Möglichkeit, mithilfe von ausländischen Geldern die eigene Präsenz in diesen entlegenen, jedoch meist rohstoffreichen Gebieten zu erhöhen, während gleichzeitig die Rechte der lokalen Bevölkerung beschnitten wurden. Auf mehr als der Hälfte des in Bolivien unter Schutz gestellten Landes werden Erdöl- oder Erdgasquellen gefördert, erforschst oder vermutet. Und der Abbau von Rohstoffen in diesen Gebieten wird im Nationalparkgesetz von 1997 explizit erlaubt, wenn das dem nationalen Interesse entspricht.
Der Panda in Bolivien
Im Fall des Nationalparks Carrasco kommt dazu, dass dieser teilweise im Chapare, dem größten Cocaanbaugebiet Boliviens liegt, wo auch von internationaler Seite der Wunsch nach verstärkter Kontrolle besteht. Und so nimmt es kein Wunder, dass einer der Hauptsponsoren des Parks von Anfang an USAID, die staatliche Entwicklungshilfeorganisation der USA war - und eben der WWF. Die Verbindung zwischen beiden Organisationen muss dabei sehr eng gewesen sein – in den Jahresberichten des Nationalparks wurden die beiden Organisationen immer zusammen genannt, entweder als WWF (USAID) oder WWF-USAID. Kein Einzelfall: USAID sucht sich oft verlässliche Partnerorganisationen über die sie ihre Gelder fließen lässt, um selber im Hintergrund zu bleiben. Gefördert wurden von WWF-USAID in den ersten Jahren vor allem die Zonierung des Nationalparks, die Unterstützung der Parkverwaltung und die Bezahlung der Parkwächter.
Und dann, eines Tages, sahen wir die roten Linien an den Bäumen.
Gespräche mit der lokalen Bevölkerung gab es im Rahmen der Etablierung des Nationalparks kaum, einige Bewohner_innen erzählten mir sogar, sie hätten eines Tages rote Striche an den Bäumen – die Grenzmarkierungen des Nationalparks gesehen – ohne zu wissen, was es damit auf sich hätte. Die Bevölkerung wurde jedoch nicht nur nicht eingebunden, sondern regelrecht ausgehungert: Der Staat stellte mit der Nationalparkgründung alle finanziellen Unterstützungen, sei es für Straßenerhalt, Spitäler oder Schulen ein, weil sich die Bewohner_innen ohnehin illegal dort aufhalten würden.
Okay, der WWF war mit der Bezahlung der Parkwächter indirekt am Schikanieren der ansässigen Bevölkerung beteiligt. Aber konnte er auch das Ausbleiben jeder Hilfe gut heißen? Als ich Henry Campero, WWF-Koordinator für den Südwesten Amazoniens, dazu interviewte, bekam ich erstaunliches zu hören: „Die finanzielle Unterstützung kommt meines Erachtens einem Fass ohne Boden gleich. Fängt man einmal an, Geld in die Gemeinschaften zu investieren, fordern diese immer mehr.“ Und auch über die Zukunft der im Nationalpark ansässigen Bevölkerung hatte er klare Vorstellungen: „Die Comunidades sollten möglichst aus den Nationalparks herausgehalten werden, weil beides miteinander schwer vereinbar ist, dazu zudem hohe finanzielle Ressourcen notwendig wären, die der Nationalpark Carrasco einfach nicht hat. Nationalparks ohne Leute sind außerdem viel interessanter.“
Ein Wunsch, der nicht in Erfüllung ging. Aufgrund jahrelanger Proteste, Angriffe auf die Gebäude der Parkverwaltung und Vertreibung der Parkwächter lenkte der Staat ein und beteiligte die lokale Bevölkerung an der Parkverwaltung. Der WWF zog sich vor knapp 10 Jahren aus dem Nationalpark zurück. Bei einem landesweiten Treffen von Nationalparkwohner_innen wurde 2003 eine generelle Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem WWF in bolivianischen Nationalparks gefordert. Eine Forderung, mit der der WWF wohl leben kann. Ob er das allerdings mit dem drohenden Imageverlust in Deutschland auch kenn, muss sich erst zeigen.