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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

13. 7. 2011 - 10:27

Shoot the DJ

Jeder zweite Mensch, den ich in Wien kennelerne, ist entweder Taxifahrer oder DJ. Mit Taxifahrern komme ich besser zurecht.

Jeder zweite Mensch, den ich in Wien kennenlerne, ist DJ. Auch unter den Bulgaren in Östereich ist DJ neben Taxifahrer der beliebteste Beruf. Ich verstehe die Menschen, die Taxler werden wollen. Dieser Beruf ist mit einem hohen sozialen Status verbunden und ist für viele ein gutes Sprungbrett in die Politik. Die Beziehungen zwischen den bulgarischen Taxlern in Österrreich und das Parlament in Sofia haben eine lange Tradition. Sie fängt mit einem ehemaligen bulgarischen Botschafter an. Nach dem Ablaufen seines Mandates hat er seine diplomatische Karierre an die Nagel gehängt und als Taxifahrer in Wien weitergejobbt. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass, wenn der bulgarische Premierminister Boiko Borissov Wien besucht, er immer von Taxifahrern umgeben ist. Sie führen verschiedene bulgarische Diasporaorganisationen an und sind bestimmt mit dem ehemaligen Botschafter befreundet. Wer sollte schließlich die bulgarische Politik zu besseren Tagen führen, wenn nicht die finaziell erfolgreichsten bulgarischen Migranten?

Taxi

APA

Die DJs hingegen tun mir meistens leid. Die Alpen wirken wie ein Magnet für junge Bulgaren, die gerne die Menschen mit ihren Sets terrorisieren. Schließlich stammen solche Größen des Geschäfts wie Kruder und Dorfmeister und DJ Ötzi aus der Gegend und wer will nicht wie sie sein? Der Erfolg meiner Landsleute in der Auflegerei ist aber fraglich. Mein ehemaliger Mitbewohner Angel ist Gabber-Dj. Er zog bei mir mit seiner ganzen Ausrüstung ein. Ich bin sicher, dass unsere Wohngemeinschaft mein Leben um ein paar Jahren verkürzt hat.

Bevor Angel seine Musik vor Publikum gespielt hat, hat er seine Sets zuerst immer an mir ausprobiert. Ich gebe zu, dass ich nach so einem Gabbererlebnis oft an Selbstmord gedacht habe. Zum Glück ist Angel ausgezogen, um seine Gabberparties in den Wäldern Bulgariens zu organisieren. Damit hat er mir meinen Glauben an die Menschheit zurückgeschenkt.

Mein Freund Georgi hingegen ist ein progressiever dubsteb-minimal-deephouse-breakbeat DJ. Ich verstehe wenig davon, aber Georgi ist auf jeden Fall ein sehr moderner Mensch. Er legt auf Parties für ebensolche modernen Menschen in Wien auf. Ich habe ein mal so eine Party besucht. Alle modernen Menschen saßen und schauten zu, wie die Schwester von Georgi versucht hat, bei dieser modernen Musik zu tanzen. Ihre Bewegungen ähnelten der eines Tintenfisches, der gerade auf einem Fahrrad reitet. Georgis Schwester war die einzige, die sich tanzen getraut hat. Ich konnte auch diese progressive Unterhaltung nicht lange aushalten und bin nach Hause gegangen.

DJ Equipment

numark

Eine sadistische Neigung ist nicht unbedingt nötig, damit man DJ wird, ist aber auf jeden Fall hilfreich. Ich habe mich immer gefragt, wie man zu dem Entschluss kommt diesen Beruf auszuüben. Man wird entweder durch geheime Stimmen aufgefordert oder durch ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit. Jeder zweite Bulgare, den ich in Wien kennenlerne ist entweder Taxifahrer oder DJ. Taxifahrer sind ganz nette Leute.