Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '11-66."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 7. 2011 - 23:06

Fußball-Journal '11-66.

Die österreichische Bundesliga schafft den Journalismus ab.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einem Bericht von der Saisonstart-Pressekonferenz der österreichischen Bundesliga.

Im Foyer des Ressorts "Westside Soccer Arena" läuft die Sky-Live-Übertragung von Altach gegen Vienna, dem ersten Pflichtspiel der österreichischen Fußball-Saison 2011/12. Peter Stöger und seine omnipräsente Frau/Freundin sitzen in der ersten Reihe, dahinter haben sich Peter Schöttel und Karl Daxbacher platziert, Paul Gludovatz lehnt daneben, man blödelt und spricht über anstehende Abenteuer. Daxbacher erzählt auf welch verschlungenen Wegen die Austria sich ab Mittwoch auf dem Weg ins tiefste Montenegro machen wird. Und man fragt sich, angesichts des Altach-Echtzeit-Spiels, warum man ausgerechnet jetzt die Präsentations-Pressekonferenz der Bundesliga ausrichten müsse, mit ihnen als Podiums-Gästen.

Da sind sie nicht die einzigen.
Für die Bundeslia-Verantwortlichen, die auch die Interessen der 1. Liga vertreten, sich also selber Konkurrenz machen, ist das kein Thema.

Altach, der Vorarlberger Verein, der die Liga klagt, weil er sich durch wettbewerbverzerrende Falschangaben des Konkurrenten Admira - die die Liga durch sanftes Fingergeklopfe sanktioniert und somit quasi gutgeheißen hatte - um den Aufstieg in die Bundesliga geprellt sieht, kommt nicht vor.
Kein einzigesmal.

Verlautbarungen, Eventspass, Geplauder

Es passiert an diesem Frühabend aber auch sonst nichts, was irgendetwas mit Journalismus zu tun hätte, auch wenn das durch den Begriff der Pressekonferenz insinuiert wurde.

Die österreichische Bundesliga hat ihre Pressestelle abgeschafft und an eine Event-Agentur ausgesourct. Dementsprechend sieht das alles jetzt auch aus.

Die österreichische Bundesliga schafft den Journalismus ab. Dafür wird der Event-Spass und die Verlautbarung wieder eingeführt, auch das "Plaudern!" wird zu einer relevanten Kategorie erhoben.
Das ist ganz schön praktisch. Kein Herumgefrette mehr mit "Fragen" oder gar einer inhaltlichen "Auseinandersetzung".
Davon hatte die Liga in den letzten Monaten genug - und das war nicht angenehm. Die Fan-Ausschreitungen, die ungenügende Koordinierung der Vereine, was das Pyro-Verbot betraf und die fatale Lizenz-Entscheidung - das alles brachte Unruhe und böses Blut.
Schuld waren, eh klar, die Journalisten, der Kurier und die linke Partie.
Insofern passt die neue Linie perfekt.

Humorig an die Wand geklatscht

Wie sich das anfühlt?
Der Geschäftsführer, Georg Pangl, fordert die Anwesenden auf, seine Begeisterung über einen Marketing-Preis, den die Bundesliga bekommen habe, mittels Applaus zu teilen und startet denselben. Die Anwesenden, viel Umfeld, aber auch durchaus viele journalisten, stimmen ein. Sowas hat man nicht einmal in der Hörigkeits-Hochblute des Wirtschaftsjournalismus bei Bilanz-Pressekonferenzen erlebt.

Oder: die beiden Conferenciers, die humorig durch die Veranstaltung führen, schaffen es geschickt die eingeplante Fragerunde an die Wand zu klatschen; die zweite (mit den eingangs angsprochenen Coaches) wurde dann gleich ausgesetzt.

Oder: der Präsident liest eine Erklärung vom Blatt, die trotzdem Sätze enthält, die Ratlosigkeit ("Dort wo Massen sind, kommt es zur Konzentration. Das werden wir mit Hilfe der Behörden lösen."), Gelächter ("Dinge sind passiert" - sein Kommentar zum Rapid-Platzsturm) oder puren Juckreiz (Der Satz "Es gab nur hin und wieder Zwischenfälle, die wir nicht unbedingt begrüßen" war alles, wozu sich Hans Rinner in Bezug auf die Doppelvertrags-Praxis bei der Admira hinreißen liess) hinterlassen.

Keine Interaktion, keine Nachfrage, eifriges Beklatschen

Allein die Tatsache, dass der Werbepartner, tipp3-Vertreter Philip Newald in seinem Sponsor-Statement als einziger am Podium ein Stückchen Wirklichkeit (er berichtete über die Wett-Problematik der letzten Zeit) einfließen liess, zeigt wohin die Reise der Bundesliga gehen soll, was Informations-Politik betrifft: in Richtung China.

Was so ein System von keiner Interaktion, keine Nachfrage, braver Beklatschung und eifrigem Abnicken dringend braucht: willfährige Mitspieler, die man in Form eines lustigen Kleinfeld-Turniers für Journalisten rekrutierte. Die (hinter)fragen nichts, sondern kriegen Pokale und natürlich (via Tombola) viele schöne Preise zugespielt. Das ist (siehe Rapid) total branchenüblich, obwohl es (Geschenkannahme und so) deutlich über die Norm hinausgeht.

So beendeten die (wie in Fußball-Wien üblich) provinzverein-verarschenden Conferenciers die Verkündigungs-Veranstaltung dann just in dem Moment, in dem die Freiluft-Grillerei der Kleinfeld-Anlage allen schon allzu fett in die Nasen stieg.

Awardreifer Abnicker-Journalismus

Ich bin dann raus ins Foyer, gerade zu den letzten Minuten von Altach gegen Vienna, 1:1, und fast so etwas wie eine Schluß-Offensive des Gastvereins. Ich war komischerweise der einzige, der sich dafür interessiert hat - die anderen begnügten sich mit Spielstand-Erkundigungen oder schaufelten schon Essen in sich rein; nur die Trainer aus der Anfangsszene nehme ich aus, die mussten in den eigens dafür vorgesehenen Ecken "plaudern".

Georg Pangl hatte in seiner Auflistung all dessen, was ganz unglaublich super ist (und einiges davon könnte, wenn die vollmundigen Ankündigungen halten, was sie versprechen, auch ganz okay sein/werden) auch einen "nationalen Journalisten-Award" angekündigt.
Einen Journalisten-Award.
Da können sogar noch die Chinesen etwas lernen.