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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

2. 8. 2011 - 19:33

Tagebuch zum Jahr des Verzichts (23)

Zwischenbilanz / Juli: Geld

marc carnal

2011 wird Tagebuch geführt und verzichtet: Monatlich auf ein bestimmtes Sucht- und Genussmittel, auf Medien oder alltägliche Bequemlichkeiten. Jeder Verzicht ist klar eingegrenzt. Es gelten freiwillige Selbstkontrolle und dezenter Gruppendruck unter den Mitstreitern.

Nach einem halben Jahr, also sechs Verzichts-Monaten, ist es an der Zeit, anstatt des Tagebuchs mit Lach- und Sachgeschichten aus meinem reichhaltigen Leben voller Boogie Woogie und Bienenstich einen zusammenfassenden Rückblick auf die bisherigen Entsagungen zu wagen.

Jänner: Alkohol

Das Jahr des Verzichts begann mit einer einmonatigen Alkohol-Abstinenz. Kompensiert wurden Bier'n'Wein durch Kaffee-Exzesse, lohnende Lektüre und Saft-Experimente. Abgesehen von Verständnislosigkeit seitens einiger Wirtsleute und an sich erbaulichen Runden, die nach dem fünften Bier dann doch in Bewusstseins-Sphären vordrangen, mit denen nicht Schritt zu halten war, erwies sich der erste Monat als ausgesprochen reinigend. Außerdem lohnte der Verzicht ob einiger Solo-Abende und stets erholtem Erwachen durch einen Gewinn an sinnvoll genutzter Freizeit.

Schwierigkeitsgrad: ■■■□□
Erholungsfaktor: ■■■■□
Nachhaltigkeit: ■□□□□
Zeitgewinn: ■■■■□
Geldersparnis: ■■□□□

Februar: Masturbation

Vor allem im Februar war die eherne Disziplin der Verzichts-Gruppe gefragt, da die Selbstbefriedigung ein Pläsier darstellt, dem fast grundsätzlich heimlich gefrönt wird.
Detaillierte Erfahrungsberichte ließ das nun mal öffentliche und nicht private Tagebuch nicht zu.

Nicht ganz zu Unrecht könnte man also kritisieren, dass ein als wöchentlicher Bericht getarntes Tagebuch, welches dann kaum auf den betreffenden Verzicht eingeht, der noch dazu an sich fragwürdig ist, da Onanie kein Laster darstellt, slightly questionable ist.

Schwierigkeitsgrad: ■■□□□
Erholungsfaktor: □□□□□
Nachhaltigkeit: □□□□□
Zeitgewinn: ■□□□□
Geldersparnis: □□□□□

März: Koffein

Um durch das Verbot von Kaffee nicht zu einer Cola-Suchtverlagerung zu verleiten, wurde Koffein im Allgemeinen untersagt.
Tapfer stellten die Verzichts-Haudegen unter Beweis, dass sie keine Muselmänner sind und entsagten dem labenden Gebräu, was sich gerade zur frühen Morgenstund oder in arbeitsamen Zeiten nicht immer leicht gestaltete.

Trank ich bis zu dieser Prüfung täglich noch ein halbes Dutzend Tassen, hat der März immerhin bewirkt, dass ich heute nach einem Kaffee in der Früh nur in behaglicher Gesellschaft oder bei unwillkommener Müdigkeit ein oder zwei weitere genieße.

Schwierigkeitsgrad: ■■■□□
Erholungsfaktor: ■■□□□
Nachhaltigkeit: ■■■□□
Zeitgewinn: ■□□□□
Geldersparnis: ■■□□□

April: Süßigkeiten

Trotz der jederzeit reinen Gewissens wiederholten Behauptung, wenig Süßspeisen zu konsumieren, durch das Weglassen derselben plötzlich einen ungeheuren Appetit auf reichhaltige Herzhaftigkeiten zu entwickeln, lässt die Behauptung überdenken.

Auch wenn ich nicht dazu neige, Verdrossenheit im fahlen Abendlicht wegzuknuspern, war der einmonatige und ausgesprochen streng definierte Verzicht (kein Zucker im Kaffee, keine Limonaden) im April spürbar gesundheitsfördernd und regulierte womöglich so manch häufiges Spontan-Verlangen nachhaltig in etwas verdaulichere Sphären.

Schwierigkeitsgrad: ■■■□□
Erholungsfaktor: ■■□□□
Nachhaltigkeit: ■□□□□
Zeitgewinn: ■□□□□
Geldersparnis: ■■□□□

Mai: Rauchen

Zum ersten Mal überhaupt gab ich schon einige Tage vor Monatsbeginn das Rauchen auf. Bis dahin habe ich fast zehn Jahre ausnahmslos jeden Tag geraucht. Wovor unzählige Kettenraucher bangen, ist in Wahrheit nicht allzu schwierig. Etwas nicht zu tun ist im ersten Moment theoretisch und auch meist praktisch kein großes Ding.

Viel schwieriger ist es, nie wieder damit anzufangen. Im Fall von Tabakgenuss ist das Phänomen der hohen Rückfälligkeitsquote allgemein bekannt. Diese Zeilen tippe ich mit Zigarette in der Hand, soviel dazu.

Trotzdem war der Mai, an dessen letzem Tag (dem Welt-Nichtrauchertag!) ich erstmals einen Verzichts-Verstoß beging, ausgesprochen wohltuend und eine willkommene Lektion bezüglich der Vorteile des Nichtrauchens.

Schwierigkeitsgrad: ■■■■■
Erholungsfaktor: ■■■■□
Nachhaltigkeit: ■■□□□
Zeitgewinn: ■□□□□
Geldersparnis: ■■■■■

Juni: Internet & TV

Dieser kürzlich erfolgreich absolvierte Prüfung hat mich gelehrt, dass ich in privaten Belangen kaum vom Internet abhängig bin. Alle wesentlichen sozialen Kontakte wurden einwandfrei gepflegt. Soziale Netzwerke kitzeln mich jedenfalls nun noch weniger als bisher.

Eine berufliche Notwendigkeit will ich nicht abstreiten, in dieser Hinsicht war die partielle Benutzung aber dezidiert gestattet.
Die größte Schwierigkeit stellten Situationen dar, die eine unmittelbare Informationsbeschaffung nahelegten, was mittels Internet-Handy auch unterwegs zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Eine eigens angelegte Google-Liste beschäftigte mich die ersten Juli-Tage für einige Stunden.

Im August wird auf Warmwasser verzichtet. Das Tagebuch wird in einer Woche in gewohnter Form fortgeführt.

Einen Monat lang nicht fern zu sehen war dagegen nicht schwierig. Der Fernseher war für mich nie Hintergrundgeräusch, Gegenstand stundenlanger Betäubung von Langeweile oder Medium für regelmäßig konsumierte Formate.
Den ersten Sonntag Nachmittag im Juli mit televisionären Belanglosigkeiten zu vertrödeln, war dennoch ein angenehmes und fast vergessenes Vergnügen.

Schwierigkeitsgrad: ■■■■□
Erholungsfaktor: ■■■□□
Nachhaltigkeit: ■■■■□
Zeitgewinn: ■■■■■
Geldersparnis: □□□□□