Erstellt am: 11. 7. 2011 - 19:29 Uhr
"Jetzt habe ich ein ganz anderes Leben"
Gestern ist in Klagenfurt der Bachmannpreis verliehen worden. Gewonnen hat ihn die Klagenfurter Schriftstellerin Maja Haderlap. Maja Haderlap ist 1961 in Bad Eisenkappel/Zelezna Kapla im Süden Kärntens geboren und auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen. Die Familie hat Slowenisch gesprochen. Mit elf Jahren ging sie nach Klagenfurt ins Bundesgymnasium für Slowenen. Damals war sie in einem Schülerheim untergebracht:
Mehr zum Bachmannpreis 2011 auf fm4.orf.at:
Tagebuch von Wortlautgewinner Viktor Gallandi, ein Bericht vom "Häschenkurs" von Martin Fritz und Erinnerungen an ein Bachmann-Hörspiel von Martin Blumenau:
fm4.orf.at/bachmannpreis
"Das Erlebnis des Weggehens von Zuhause mit elf Jahren war natürlich schon sehr schwierig. Ich bin mir ab diesem Zeitpunkt sehr bewusst geworden, dass ich in einen anderen sprachlichen Zusammenhang eintrete. Der Unterricht im Gymnasium fand - und findet auch jetzt noch - in slowenischer Sprache statt, und ab und zu auch zweisprachig. Das hat mir damals eine Art von Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben, andererseits habe ich aber natürlich sehr genau wahrgenommen, wie Kärnten funktioniert. Dass die öffentliche Sprache Deutsch ist, und dass man als "kleine Kärntner Slowenin" irgendwie aufpassen muss, dass man nicht aneckt, das war im Jahre 1972, kurz nach dem Ortstafelsturm und die Atmosphäre war sehr vergiftet. "
Das habe sich zum Besseren geändert, vor allem seit Österreich in der EU sei, denn seither haben viele KärnterInnen kein Problem mehr, dass im Land zwei Sprachen gesprochen werden.
Über ihre Kindheit, über die Familie, über eine ganze Volksgruppe – die der Kärntner Slowenen, der Partisanen im Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht schreibt Maja Haderlap in ihrem autobiographisch geprägten Gewinnertext "Im Kessel".
Dass sie diesen, ihren ersten Prosatext auf Deutsch geschrieben hat, war von Bedeutung:
"In diesem Fall war die Sprache sehr wichtig für mich, weil ich das Gefühl hatte, dass mich die Sprache auf Distanz hält - zum Thema, und dass sie wie eine Art Schutzschild für mich funktioniert. Und ich mich über diese Sprache schmerzlichen Dingen nähern kann.
"
APA/GERT EGGENBERGER
Maja Haderlap, hat als Lyrikerin mit dem Schreiben begonnen - in ihrer Muttersprache – Slowenisch. 15 Jahre lang war die Promovierte Theaterwissenschaftlerin Chefdramaturgin am Stadttheater Klagenfurt und erst seit drei Jahren lebt sie als Schriftstellerin.
Maja Haderlap schreibt „bedächtig, mit großer Genauigkeit und ohne Hass – es ist eine in jeder Hinsicht notwendige Geschichte“ lobte Jurorin Daniela Strigl den Text.
Im Kessel, der Gewinnertext des Bachmannpreises, ist ein Romanauszug aus „Der Engel des Vergessens“, der heute im Wallstein Verlag erscheint.
In diesem Romanauszug kommt auch ihre Großmutter vor, eine sehr starke, eigenwillige Person, die nach Ravensbrück verschleppt wurde.
Haderlap: Die Mutter meines Vaters ist eine Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück. Es hat in meiner nächsten Umgebung und in meiner nächsten Verwandtschaft viele Tanten und Frauen gegeben, die Ravensbrück überlebt haben, aber auch welche, die dort gestorben sind. Die entweder in Lublin vergast wurden oder in Auschwitz - ganz kurz wird in diesem Text erwähnt, dass mir diese Namen in irgendeiner Weise geläufig sind, ich hab natürlich die Zusammenhänge nicht verstanden. Was ich gewusst habe ist, dass es etwas mit dem Tod zu tun hat, mehr nicht. Das kann erst die Autorin, die über dieses Mädchen schreibt.
Der Krieg, der Nationalsozialismus und auch der Widerstand der Slowenen sind ja eigentlich noch überhaupt nicht aufgearbeitet worden. Glauben Sie, dass das Buch jetzt vielleicht bei der Aufarbeitung hilft?
Das ist schwer zu sagen. Ich weiß nicht, inwieweit man mit den Mitteln der Literatur solche öffentlichen Prozesse bewegen kann. Aber ich hoffe sehr stark, dass es in den Leserinnen und Lesern etwas bewegt. Dass sie sich vielleicht ihre eigenen Familiengeschichten anschauen und dass sie merken, dass sie an und für sich keine Angst haben müssen und dass sie sich vielleicht auch diesen Dingen stellen können. Denn in Kärnten ist sehr viel verschwiegen worden und ich glaube für Einzelpersonen und für Menschen die nachdenken, die etwas erfahren wollen, gibt es sicher noch viel zu tun.
Sie haben gestern den Bachmann-Preis gewonnen, hat sich ihr Leben jetzt schon ein bisschen verändert?
Ziemlich, ich finde mein Leben im Moment ganz unwirklich. Weil es ist so, als ob man aus sich heraustritt und eine zweite und dritte Person ist, die sich selbstständig macht und irgendwo in der Öffentlichkeit oder in den Zeitungen präsent ist. Das ist ein Zustand, an den man sich vielleicht gewöhnen könnte - oder auch nicht - außerdem hat sich geändert, dass ich sehr sehr viele Interviews geben muss. Was sich aber auch geändert hat ist, dass ich unglaublich viel Zuspruch bekommen habe, auch in Kärnten, von Bekannten, sehr viele Emotionen, mit denen ich in dieser Form, wie es ist, nicht gerechnet habe. Also ich kann ehrlich sagen, dass ich von den Reaktionen überwältigt bin.