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Martin Pieper

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Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

7. 7. 2011 - 15:45

Mr. Pink Floyd

Ein Syd Barrett Roman von Michele Mari zum fünfjährigen Todestag der psychedelischen Ikone.

Eine kleine Geschichte der Darkside of the Moon Artwork-Parodien gibt es hier.

Heute, am 7. Juli, vor genau fünf Jahren ist Syd Barrett im Alter von 60 Jahren in Cambridge gestorben. Robert Rotifers Nachruf von damals fasst die Bedeutung des höchst "verkulteten" Barrett als irrlichterndes Figur zwischen "Genie und Wahnsinn" schön zusammen. Das Debüt-Album der von ihm und Roger Waters hauptverantworteten Pink Floyd, zwei wirre Solo-Platten, ein paar Singles, das war alles, was Syd Barrett hinterlassen hatte bevor er sich, psychisch schwer krank, völlig ins Privatleben zurückgezogen hat. Jetzt ist der Roman "Mr. Pink Floyd" des italienischen Autors Michele Mari erschienen, ein fiktional-dokumentarisches Umkreisen des Mythos Barrett, eine vielstimmige Beschwörung, die die Grenzen zwischen Erfindung und Erfahrung ganz bewusst verwischt.

Zeugenaussagen und Geständnisse

syd barrett

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Bizarr ist auch der deutschsprachige Wikipedia Eintrag zu Pink Floyd.

Zitat: "Der hervorstechende Halbtonschritt vom Fis zum F ist ein durchgehendes Charakteristikum vieler Songs. Das Intervall des Tetrachords in auf- und absteigender Form ist ebenso eine die einzelnen Songs verbindende Klammer. Er erscheint in Breathe, Us and Them, und im Passacaglia-Bass von Eclipse."

Da weiß man wieder, warum Punk notwendig war.

Es ist ja nicht so, dass die Geschichte von Pink Floyd und Syd Barrett noch nicht ausreichend erzählt wurde. Eine ganze Armee von Mojo/Uncut/Rolling Stone Titelblättern hat in den letzten Jahren auch die dunkelsten Seiten der "Dark Side of the Moon" taghell ausgeleuchtet. Was "Mr. Pink Floyd" trotzdem lesenswert macht, ist die Vielstimmigkeit, die Michele Mari hier aufbietet. In kurzen Kapiteln die mit "Zeugenaussage" oder "Geständnis" überschrieben sind kommen sowohl die Bandmitglieder, aber auch Produzenten, Manager, Schulfreunde, Familienmitglieder, Zeitgenossen und Fans in einer erfunden Oral History zu Wort, die ein kaleidoskopisch gebrochenes Bild von Syd Barrett entstehen lassen. Ein formaler Trick, der dem, was sich vielleicht im Kopf von Syd Barrett abgespielt hat, durchaus entspricht. Schweigsam bleibt nur Mittelpunkt der Erzählung, Barrett selbst. Die Multiperspektive des Romans verhindert, dass sich allzu viel Weihrauch über das "Genie" Barrett legt.

Pink Floyd: Anfang Hui, Ende Pfui?

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Michele Mari: Mr. Pink Floyd, Roman

Aus dem italienischen von Birte Völker
Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann

Autor Michele Mari steht den Pink Floyd der späteren Jahre, als die Herren Gilmour, Waters und Co. dann richtig viel Geld und Ehre gemacht haben, durchaus wohlwollend gegenüber und bewegt sich damit weit außerhalb des gesicherten Kanons der postpunkgeeichten Rock-Geschichtsschreibung deren Urteil "Pink Floyd mit Syd – cool, Pink Floyd ohne Syd –das Böse" in Stein gemeißelt ist. Es mag für Puristen schwer zu ertragen sein, dass auch Roger Waters Soloalben durchaus ernsthaft in "Mr. Pink Floyd" mitbesprochen werden. Was dem Buch aber damit gelingt ist es, aufzuzeigen, wie intensiv die gesamte Bandgeschichte von Pink Floyd - vom den ersten Gigs im Londoner UFO-Club bis zu den Mercedes-Benz-Stadion Tourneen - mit Syd Barrett verknüpft ist, auch wenn der sein letztes Interview schon 1973 gab, und den Rest seines Lebens abseits der Öffentlichkeit mit Gartenarbeit und bizarren Ess-, und Shoppingritualen verbracht hat.

Dass sich ausgerechnet ein italienischer Autor an ein Herzstück britischer Popgeschichte heranwagt ist durchaus überraschend. Dass das Buch in der deutschen Übersetzung von Birte Völker dann auch noch in der biederen "Edition Elke Heidenreich" erscheint, einer Verlagsreihe, die sich bisher mit Musikbüchern zu Tango, Strawinsky oder Puccini hervorgetan hat, gibt dem Unternehmen "Mr. Pink Floyd" eine leicht bizarre Note.

Wer sich von alle dem nicht abschrecken lässt, den erwartet eine durchaus erhellende Lektüre über die englische Popindustrie der 60er Jahre, über komplizierte, von Neid und Liebe dominierte Banddynamiken und schlussendlich auch einen Bericht über das Leben mit einer psychischen Krankheit mitten im interstellaren Overdrive der explodierenden Psychedelic-Szene.