Erstellt am: 6. 7. 2011 - 14:13 Uhr
Post-Everything
Alle Fotos: Flo Wieser
Er sollte eigentlich längst unter der Dusche stehen, denkt Conor Oberst laut. Aber an so einem schönen Abend, da fällt das Schlussmachen schwer. This energy you have is really vast". Die Begeisterung gestern Abend in der Wiener Arena war auch auf der Bühne da. Und wenn es schon soviel Freude macht, kann man gleich noch die Vorband Jenny and Johnny aus dem Backstage-Bereich holen und zu einer kleinen All-Tour-Stars-Kombo fusionieren. Während sie gemeinsam unterwegs sind, ist ein Lied entstanden, das alle ein Stück zurück und nach Hause rückt. Ins Wohnzimmer im Haus ihrer Eltern, könnte man meinen, als der Plattenspieler Herz-und-nicht-zu-wenig-Schmerz-Country spielte. Von einem Besuch seines Heimatorts Omaha in Nebraska rät Conor Oberst übrigens dringend ab. Ein trauriger, einsamer Ort sei das. An diesem Abend erfahren die BesucherInnen ungefragt so einiges.
Das große Ganze
Klebeband hält drei Seiten Setlist zusammen, die ein Bühnenarbeiter zum Schluss verteilt. Bright Eyes eröffnen mit dem Prolog des aktuellen Albums "The People's Key". Conor Oberst schrieb Songs wie Kurzgeschichten, Vor- und teils Nachwörter rahmen wie selbstverständlich die letzten Alben. Mit dem Soloalbum "Outer South" mit seiner Mystic Valley Band werden die Lyrics weniger narrativ, von konkreten Episoden existentieller Tatsachen öffnet sich das Universum noch mehr. Hat er zuvor mit kleinen, persönlichen Geschichten die große Geschichte erzählt, steht das große Ganze nun für sich und macht Platz für eigene Geschichten im Kopf.
Robert Zikmund bringt das Universum Bright Eyes zum Erscheinen von "The People's Key" wunderbar auf den Punkt.
Oberst verhandelt das Leben, klammert den Tod nie aus und reklamiert den Humanismus. Es geht durch die Gezeiten und durch Traumphasen. Now it's been said we're post-everything. Jesus, Buddha. Auch Jules Verne, Eva Braun und der Bunker. Raumschiffe, Sternbilder und Zeitmaschinen bringt Oberst ins Spiel. Da machen Anmerkungen vorab zu den folgenden Liedern durchaus Sinn.
Boris Jordan hört sich "Shell Game" genau an.
An Andere zu denken sei nicht irgendein Gerede von Jesus, darum "One for You, and One for Me" als finale Zugabe. Handlungsanweisungen schenkt der 31Jährige freigiebig, wenn man ihn so verstehen will. Man wird älter, und irgendwann schleicht es sich ein. Man kauft sich keine Platten mehr, man trifft seine Freunde kaum noch. Man rotiert in der (Arbeits-)Routine. "Fucking ride a bike! Take your clothes off for no reason! I recommend that." Spätestens seit gestern Abend weiß ich, wer das Inner Child im Song "Beginner's Mind" sucht. Und zum Glück findet.

Florian Wieser
Erweitertes Triumvirat
"Nothing good ever happens after 3 A.M.", beliebt der Tourmanager der Bright Eyes zu sagen, erzählt Conor Oberst vor "Lover I don't have to love". Das spiele ja noch viel später. Nach dem Konzert konnte man das Gefühl haben, Oberst war jetzt mit uns allen Anwesenden Kaffee trinken. Soviel er geplaudert hat: Als sich die Sperrstunde für das Open-Air bedrohlich nähert, bewegen wir uns bereits im fortgeschrittenen zweistelligen Bereich der Setlist. Zwischen den neuen Stücken gönnen die Bright Eyes dem Publikum alte bekannte. "Landlocked Blues" ergreift einen, "Bowl of oranges" wird euphorisch angenommen und für die erste Zugabe kehrt Oberst für "Lua" fast alleine mit Gitarre zurück.
Für Dialoge in Songs stimmt Laura Burhenn ein, die als Keyboarderin nicht einzig im Video zu "Jejune Stars" auffällt. Auf "The People's Key" ist Burhenn, die mit The Mynabirds ihre eigene Band hat, zu hören und nun Teil des Kollektivs - zumindest für diese Tour. Wie es danach mit Bright Eyes weitergeht, wird seit dem Erscheinen des aktuellen Albums ja gerne spekuliert. Von dieser derzeitigen möglichen letzten Tour war gar zu lesen.

Florian Wieser
Das Triumvirat Conor Oberst, Mike Mogis und Nathaniel Walcott besteht. Erweitert wird es auch live, und zwar um einen Bassisten und einen Schlagzeuger. Die Doppelbesetzung dient nicht nur als Verstärkung und klingt äußerst gut. Das Nachsehen hat der Bass und zeitweise mutieren Burhenns Einsätze unabsichtlich zu Backgroundgesang. Doch wenn Nate Walcott zur Trompete greift, ist es am Besten. Conor Oberst dirigiert seine Entourage zwischendurch liebend gerne mit Zuwendungen. Und wandelt am Bühnenrand. Näher geht es im Zugabenblock mit einem Sprung in den Graben. Singend Händeschütteln, ein Mädchen umarmen, einmal die erste Reihe eigens begrüßen und zurück.
Bright Eyes sind eine Band der Eingeschworenen, und damit ist auch die Hörerschaft gemeint. Für jene, die jede Zeile kennen und die Stimme von Conor Oberst zu schätzen wissen. Das tun nicht unbedingt alle Menschen. Obersts Gesang ist mit den Jahren stringenter geworden, die charakteristischen Brüche weniger. Alle, die ganz genau hinhören, dürfen sich über Betonungen (".. one for the barely there - and that's a lot!"), kleine Variationen und enthusiastische Gestikulationen freuen. Besonders hübsch anzuschauen ist das, als Oberst ein neues Lied über künstliche Dinge, Zeile für Zeile mit Gestiken illustriert und geradezu inszeniert.

Florian Wieser
Ins Plaudern kommen
Welch aufgewecktes, lustiges Kerlchen in Oberst steckt, zeigt sich in seinen Zwischenbemerkungen. Da widmet er "Beginner's Mind" einer Journalistin, "hip to the shit". Und erklärt Indierock und Kaffee als die zwei Hauptexportgüter Portlands, der Kaffee sei wirklich gut.
Ja, aus dem Plaudern komme ich im Rückblick nicht hinaus. Hot Gossip gab es auch backstage. Susi hat backstage jene entzückende Schauspielerin entdeckt, die wohl mit beziehungsweise für Jason Boesel angereist ist. Ich will ja nicht indiskret werden, doch damit keine falschen Gerüchte aufkommen: Die Suchmaschine ist dein Freund! Da erfährt man auch, dass Jason Boesel prinzipiell bei Rilo Kiley Schlagzeug spielt. Und aus dieser Konstellation könnte man auch Jenny Lewis kennen. Die wiederum mit Johnathan Rice zusammen und Jenny and Johnny ist.

Florian Wieser
Zurück zum Fokus: Jenny And Johnny singen und spielen lieben Americana-Country. Für den schönen zweistimmigen Gesang gebührt ihnen Applaus. Die Tierwelt Kaliforniens und die Liebe bestimmen die Lieder ihres ersten Albums "I'm having fun now".
Two Gallants im Interview: zu hören heute Abend in der FM4 Homebase.
In der Arena gastierten nicht zuletzt die Two Gallants. Adam Stephens hat die Setlist auf seinem Handrücken notiert.

Florian Wieser

Florian Wieser
Zum Nachklingen veröffentlichten Bright Eyes vor Kurzem eine EP mit Live-Tracks der aktuellen Tour. Wie war das noch mal mit dem Plattenstapel, der aktualisiert werden will?