Erstellt am: 5. 7. 2011 - 18:30 Uhr
Journal 2011. Eintrag 131.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute noch einmal mit einem Eintrag, der der Jahres-Konferenz des deutschen Journalisten-Zusammenschlusses Netzwerk Recherche in Hamburg - und speziell deren Medienkodex zu verdanken ist.
Samt einem Hinweis auf die heimische Publikation Qualität im Journalismus - wo/zu?.
Freitag, Teil 1:
Die Häppchenkamera und andere Begebenheiten auf der Hamburger Journalisten-Konferenz.
Samstag, Teil 2:
Günter Grass, Sisyphos und die Systemfrage.
Sonntag, Teil 3:
Die deutschen TV-Quasselrunden, die alten Sehnsuchts-Räume des Club 2 und die österreichische 'contra'-Chance.
Gestern, am 4. Juli, war ein Buch in der Post, das am 7. Juni präsentiert wurde: Qualität im Journalismus - wo/zu? heißt es, wird in der vom Institut für Journalismus an der FH-Wien verantworteten Reihe "Medienwissen für die Praxis" herausgegeben (im Verlag Holzhausen). Ich hab's zugeschickt bekommen, weil ich drin auftauche, als Interviewter; so wie 18 andere, von Alexandra Föderl-Schmidt bis Richard Schmitt, von Stefan Ströbitzer bis Waltraud Langer, von Corinna Milborn bis Herbert Lackner.
Thema: wie ist das mit dem Qualitätsjournalismus? Gibt's den, wo und was braucht er um sich fortzupflanzen. In Österreich findet gefühlt jede Woche eine Veranstaltung statt, deren Ziel es ist sich da am eigenen Medien-Nabel zu kraulen Und obwohl die 19 Interviewten nicht zur ersten Garde der Pfallerschen One Trick Ponys gehören, die durch die Qualitätsmedien-Pordien getrieben werden, sondern durchaus diversifizierend ausgewählt wurden, sind selbstverständlich alle bemüht sich am Begriff des Qualitätsjournalismus abzuarbeiten.
Weil dieser Begriff so überpräsent ist, in der hiesigen internen Medien-Debatte.
Qualitätsjournalismus in Österreich - gibt's den?
Es handelt sich aber um einen Begriff, der - so sag ich das auch im Interview - eigentlich nicht existiert. Denn der relative oder relativ bemühte Versuch von Qualitätsjournalismus, um den alles kreist, hat mit den internationalen Standards kaum etwas zu tun. Wie auch? Markt, Struktur und politische Realitäten lassen das meiste gar nicht zu.
Am Freitag, am ersten Tag der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche in Hamburg hab' ich es bereits angemerkt: der Begriff "Qualitäts-Journalimus" war dort nicht zu hören; wiewohl sich da die Granden von Spiegel, Zeit, ARD, Süddeutscher, FAZ, taz oder Freitag gegenseitig mit Expertisen und Diskursen überhauften.
Der Unterschied ist evident.
Und auch logisch: dort wo sie Qualität produzieren, besitzen und gewohnt sind, brauchen sie nicht andauernd, fast beschwörend drüber zu reden. Sie machen ihn einfach, den Qualitätsjournalismus, anstatt zu versuchen ihn nur herbeizureden. Im Land, in den die Zwerge ihre wegen der tiefstehenden Sonne langen Schatten bewundern, geht sich das eben noch nicht aus.
In der deutschen Debatte kommt der Begriff gar nicht vor
Aus Hamburg habe ich auch ein hübsches Poster mitgenommen, auf dem die zehn Punkte eines Medien-Kodex enthalten sind, den sich der Zusammenschluss des Netzwerks Recherche, einen Zusammenschlusses von Qualitäts-Journalisten, die es nicht nötig haben die "Qualität" andauernd vor öffentlich vor sich herzutragen, als Ideal-Maßstäbe gesetzt hat. Klar haben sie selber in einigen Punkten Probleme die selbstgersetzten Ansprüche zu erfüllen; aber die grundsätzliche Ausrichtung spricht Bände.
Die zehn Gebote sprechen von Journalisten und Journalismus; und sie differenzieren nicht naserümpfend zwischen Qualität und Boulevard, wie das in Österreich der Fall ist, wo man maximal diffuse Regulative für die eigene Klasse, die distinktionsverseuchte Elite aufstellen würde - wenn man es könnte.
Das macht den Unterschied.
Und so lauten die zehn Punkte des Medien-Kodex, die einer kurzen Präambel folgen und auch die Erwähnung dass stets beide Geschlechter gemeint sind, beinhalten. Keine Frage, danach zu leben und zu arbeiten ist hart und anstrengend. Aber als Annäherungswert wohl unverzichtbar.
Das ist die wahre und einzige Qualität des Journalismus.
Gebt mir ein Leitbild!
Präambel: Neue Technologien und zunehmender ökonomischer Druck gefährden den Journalismus. Um seine Qualität und Unabhängigkeit zu sichern, setzt sich das Netzwerk Recherche für dieses Leitbild ein.
netzwerk recherche
1. Journalisten berichten unabhängig, sorgfältig, umfassend und wahrhaftig. Sie achten die Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte.
2. Journalisten recherchieren, gewichten und veröffentlichen nach dem Grundsatz "Sicherheit vor Schnelligkeit". (Anm.: "Be first. But first be sure.")
3. Journalisten garantieren uneingeschränkten Informantenschutz als Voraussetzung für eine seriöse Berichterstattung.
4. Journalisten garantieren handwerklich saubere und ausführliche Recherche aller zur Verfügung stehenden Quellen.
5. Journalisten machen keine PR.
6. Journalisten verzichten auf jegliche Vorteilsnahme und Vergünstigung.
7. Journalisten unterscheiden erkennbar zwischen Fakten und Meinungen.
8. Journalisten verpflichten sich zur sorgfältigen Kontrolle ihrer Arbeit und, wenn nötig, umgehend zur Korrektur.
9. Journalisten ermöglichen und nutzen Fortbildung zur Qualitätsverbesserung ihrer Arbeit.
10. Journalisten erwarten bei der Umsetzung dieses Leitbildes die Unterstützung der in den Medienunternehmen Verantwortlichen. Wichtige Funktionen haben dabei Redaktions- und Beschwerdeausschüsse sowie Ombudsstellen und eine kritische Medienberichterstattung.