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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

4. 7. 2011 - 19:12

Bassphemie

Vier Tage Party im Prater. Eigentlich seit zwei Jahren nichts Neues mehr. In dieser Qualität und Intensität allerdings schon. Ein Rückblick auf "Prater Unser – Das neue Festament".

"Dieser Mann kollabierte an einer Überdosis Freude, dieser Mann kollabierte an einer Überdosis Glück", singt Entertainer und Diskotier Erobique am Freitag in der Brunswick Bowling Anlage. Eine Diagnose, die ich nach diesem Wochenende unterschreibe.

  • Alle Fotos: Claudio Farkasch / Prater Unser
Tyree Cooper

Prater Unser / Claudio Farkasch

Tyree Cooper

Donnerstag

Tyree Cooper und Rodney Hunter, der für die abgesagten Gus Gus eingesprungen ist, eröffnen das Prater Unser in der Festivalzentrale Prater Sauna. House-Veteran Tyree Cooper moderiert charmant und oldschool zwischen den einzelnen Tracks, erzählt launige Anekdoten und widmet die Songs dem Publikum oder dem von ihm hochverehrten Michael Jackson. Musikalisch deckt er den Dancefloor mit seiner History of House Music zwischen Chicago, Acid und Soul ab. Durch seine freundschaftliche Kommunikation mit dem Publikum schafft er eine so gute Stimmung und familiäre Atmosphäre, dass man eigentlich nicht weiter traurig ist, dass Gus Gus abgesagt haben. Doch nicht nur dem Publikum hat es gefallen, sondern auch Tyree Cooper selbst. Am liebsten hätte er trotz Sperrstunde weiter gespielt und wäre auch noch gerne länger in Wien geblieben, doch der Flug war schon gebucht. Wir hoffen auf ein Wiedersehen.

Freitag

erobique

Prater Unser / Claudio Farkasch

Erobique

Ein Wiederhören von diversen bekannten Melodien gab es dann am Freitag in der Brunswick Bowling Anlage. Eine Location, deren Name das Charme-Defizit schon offenbart: Spielkasino-Atmosphäre mit Schwarzlicht, so kühl wie meine Menthol-Zigarette. Um dort das Eis zu brechen und das Publikum zu begeistern, bedarf es schon einer Endorphinmaschine wie Erobique. Er ist ein Drittel der Hamburger Band International Pony, dessen bekanntestes Mitglied DJ Koze das Prater Unser schon letztes Jahr besucht hat. Das Erfolgsgeheimnis des Alleinunterhalters besteht darin, Melodien bekannter Songs ("Against all Odds", "I´m easy"), und Diskohits ("Move your Body", "Promised Land") mit eigenen, Max Goldtigen Texten zu unterlegen. Er ist so mitreißend, dass ich am Ende seiner Show nicht nur vom Tanzen, sondern auch vom Lachen einen Muskelkater habe. Credits gehen auch an das tolle Publikum. Total Easi-Mobisi!

Danach geht´s rüber in die Pratersauna wo Kink & Neville und Visionquest, die neue Supergroup am Tech-House Himmel, spielen.

Shaun Reeves

Prater Unser / Claudio Farkasch

Shaun Reeves / Visionquest

Visionquest sind vier Produzenten und DJs aus der Wiege des Technos, Detroit, die mit ihrem momentanen Wohnsitz in Berlin nicht nur geographisch, sondern auch musikalisch die Brücke zwischen beiden Städten schlagen, und damit etwas Eigenes entstehen lassen: "Aktuelle Dancemusic mit ein bisschen Underground-Pop", so beschreibt der Kopf der Gruppe, Seth Troxler im aktuellen Groove Magazin das Konzept von Visionquest, dass sie bisher nur in ihren höchst erfolgreichen Remixen und bei ihrem gleichnamigen Label angewendet haben.

Tipp:
Benoit & Sergio (Visionquest) spielen am Freitag, 08. Juli in der Pratersauna

Obwohl von Visionquest noch kein gemeinsamer Track geschweige denn Album vorliegt, eilt den Vieren aufgrund ihrer beachtlichen Solokarrieren ein fabelhafter Ruf voraus. In Wien ist das Quartett ohne den zuvor erwähnten Seth Troxler zu Gast. Lee Curtiss, Ryan Crosson und Shaun Reeves spielen ein solides Set, musikalisch und handwerklich on-top. Allerdings können sie mich genauso wenig wie Kink & Nevielle am Nebenfloor zu Begeisterungsstürmen motivieren. Meine ganze Euphorie hat Erobique verbraucht.

laminat

Prater Unser / Claudio Farkasch

Laminat
technogondel

Prater Unser / Claudio Farkasch

Technogondler

Samstag

Die größte Attraktion des Prater Unser Festivals ist die Technogondel im Riesenrad – der kleinste Dancefloor der Stadt hat gerade mal 10 Minuten für 15 Besucher geöffnet. Unter der Patronanz des Popkultur-Magazins The Gap und Gondoliere DJ Laminat steigt die Technogondel drei Stunden lang in den elektronischen Musikhimmel auf.
Dabei war der Andrang so groß und die Wartezeiten so lang, dass das Publikum eine zweite, dritte, vierte,… Gondel bzw. schnellere Umdrehungen des Riesenrads forderte, quasi 45 statt 33. Dabei wurden die Wartenden mit rauen Mengen an Gratis-Wodka besänftigt, bevor sich das Himmelfahrtskommando in den kalten Nachtwind erhebt und wie in unserem Fall zu Daft Punks "Around the World" seine Runde dreht.


Gesaffelstein

Prater Unser / Claudio Farkasch

Gesaffelstein

Doch nicht nur die Technogondel sorgt für partytechnische Abwechslung. Im Feenzelt braut der Pariser Produzent Gesaffelstein unter tiefen Nebelschwaden einen Zaubertrank aus dunklen Elektro, hypnotisierenden Staccatos und treibenden Double Bass. Die Lichtinstallation im Feenzelt kommt von Neon Golden, die ein Kreuz aus Plastik-Wannen mit LEDs bestückt haben. Das stellt dann auch die optische Verbindung zwischen Gesaffelstein und Justice her, denn die akustische ist unüberhörbar. Insgesamt wirkte Gesaffelstein etwas reserviert, doch ob das an der französischen Coolness oder den kühlen Temperaturen lag, weiß man nicht. Doch nicht nur das Feenzelt, auch allen anderen Outdoor-Locations haben unter dem schlechten Wetter gelitten, was wirklich schade ist.

Deshalb war es dann auch in der Pratersauna umso voller.

Crowd bei JSBL

Prater Unser / Claudio Farkasch

Publikum bei JSBL

JSBL, die Wiener Future-Funk-Combo rund um den Hip-Step-Wizard Dorian Concept jonglierte in der Prater Sauna so lange mit den Synkopen ihrer Arrangements, bis die Musik durch die Akzentverschiebungen eine andere, vollkommen neue Sprache zu sprechen beginnt, was die Zuhörer dementsprechend wortlos, weil schwer beeindruckt zurücklässt.

Und dann auch noch Tiger & Woods, die Disco-Edit-Könige aus Italien. Boogie Bass durch Mark und Bein. Es geht überhaupt nicht mehr besser. Im Prinzip kann man verschwitzt, glücklich und zufrieden nach Hause gehen.

Tiger & Woods

Prater Unser / Claudio Farkasch

Tiger & Woods

Doch die Realität sieht wie immer anders aus und zwei Typen namens Rustie und Cosmin TRG hindern mich am Heimgehen. Bei Rustie stellt sich wieder einmal die Frage, wie man zu Dubstep richtig tanzt und bei Cosmin TRG bestätigt sich die Vermutung der letzten Tage, dass Acid House bald ein Revival feiert.