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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

2. 7. 2011 - 09:37

"Die sehen ja richtig gut aus"

So langsam, nach einer Woche kommt die Fußball-WM in Schwung, was nicht unbedingt daran liegt, dass die deutsche Mannschaft bis jetzt so gut gespielt hat.

Die Fußball-WM der Frauen ist im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Es gibt große Schlagzeilen, alle Spiele werden übertragen, die Kanzlerin war beim Eröffnungsspiel im Olympiastadion und auch Auma Obama, die Halbschwester des amerikanischen Präsidenten und Leiterin des kenianischen Mädchenfußballprojekts "Sports for Social Care", war eigens nach Berlin gereist. Die Leute reden über die WM und in immer mehr Bars werden zumindest die Spiele mit deutscher Beteiligung übertragen.

Public Viewing

Christiane Rösinger

Interessant ist die gender- und gesellschaftspolitische Debatte die durch die Frauen-WM ins Rollen kam.

Schon vor dem Anpfiff konnte man sich vor zwei Wochen über den schlechtesten Tatort aller Zeiten aufregen. In einer hahnebüchenen Geschichte, angereichert mit allen gängigen Klischees über Migranten, muslimische Väter, Frauen und Sport wurde im Falle einer ermordeten Nationalspielerin ermittelt, Joachim Löw, Oliver Bierhoff, Steffi Jones, und DFB-Chef Theo Zwanziger durften auch mitspielen. Tiefpunkt des Krimis war eine Szene, in der die Fußballerin in Netzstrümpfen vor dem Tor für Fotografen posiert, während die anderen Spielerinnen trainieren.

Die Boulevardblätter finden Frauenfußball inzwischen einhellig gut: "Fußball ist weiblich geworden, die sehen ja richtig gut aus, die Fußballerinnnen, und schminken sich und sind gar nicht alles lesbisch", berichten sie und achten darauf, dass in jeder Schlagzeile das Wort "Sex" vorkommt.

Sport ist nun mal ein stark körperbetontes System und dient als Folie für die Inszenierung von Geschlecht, und Frauen in Sportarten sind nur medial vermarktbar, wenn das Frauenbild nicht im Widerspruch zu traditionellen, stereotypen Weiblichkeitsbildern steht.

Wobei diese Stereotypen ja gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden: Das "Gendern", die bewusste Weiblichkeitsinszenierung durch Schmuck, langes Haar und Rock wird im Bewusstsein der Medien als das eigentlich Weibliche, Ur-Weibliche vorausgesetzt, als würden Mädchen schon mit diesen femininen Attributen ausgetattet auf die Welt kommen. Der Gegenentwurf zur femininen Fußballerin, die sich schminkt und körperbetont kleidet, ist die geschlechtsneutral gekleidete und somit unweibliche Frau, die grobschlächtige Lesbe, das Mannweib mit behaarten Beinen.

Szenenbild aus Tatort

SWR/ Krause-Burberg

Die feminine Fußballerin trägt Netzstümpfe unter den Stulpen: Szenenbild aus einem der schlechtesten "Tatorte" aller Zeiten

Vor dem Anpfiff beim Spiel Deutschland–Nigeria am Donnerstag berichtete Moderator Klaus Lufen im Gespräch mit der ehemaligen Nationalspielern Mia Künzer vom Ausschluss der lesbischen Spielerinnen bei der nigerianischen Mannschaft. Hier zu Lande wäre das undenkbar, fügte er hinzu, obwohl im deutschen Frauenfußball natürlich auch noch viele Klischees vorherrschten, dann verkürzte er das Thema auf die Frage: "Hat das Girlie-Klischee das Lesben-Klischee abgelöst?"

Es wird halt doch noch eine Weile dauern, bis sich auch deutsche Sportreporter der Tatsache bewusst sind, dass wir alle Gender-Performer sind.