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1. 7. 2011 - 15:40

"Service ist Pflicht - Einmischen die Kür!"

Die neue ÖH-Bundesvorsitzende, Janine Wulz, im FM4 Interview.

Am Mittwoch hat sich der neue ÖH-Bundesvorsitz konstituiert, geworden ist es eine Viererkoalition aus FEST, GRAS, VSStÖ und FLÖ. Janine Wulz von der GRAS wird im ersten Jahr den Vorsitz übernehmen. Die 25-Jährige mit den langen roten Dreadlocks kommt ursprünglich aus Klagenfurt, sie studiert Politikwissenschaft und Bildungswissenschaft in Wien und engagiert sich bereits seit zwei Jahren bei der GRAS.

Ihre erste Amtshandlung als ÖH-Vorsitzende war heute eine Protestaktion gegen die Kürzung der Familienbeihilfe, die seit heute nur mehr bis zum 24. anstatt bis zum 26. Geburtstag ausbezahlt wird.

Janine Wulz im studio

fm4 / irmi wutscher

Janine Wulz

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Markus Zachbauers Kommentar zur Kürzung der Familienbeihilfe

ÖH-Wahlen 2011
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Robert Zikmund: Deine erste Amtshandlung heute war eine Protestaktion gegen die Kürzung der Familienbeihilfe. Warum beginnt ihr eure Regierungszeit mit Protest? Denn das war ja auch ein Kritikpunkt an der letzten ÖH-Bundesvertretung: Dass viel mehr Energie und auch Geld in Protestaktionen geflossen ist, anstatt in konkretes Service für die Studierenden.

Janine Wulz: An dem Protest heute hat kein Weg vorbeigeführt. Die Kürzung der Familienbeihilfe betrifft über 27.000 Studierende, die ab jetzt ca. 2.700 Euro pro Jahr weniger zum Leben haben, das ist etwas ein Viertel eines durchschnittlichen Studierendeneinkommens. Natürlich muss die ÖH hier reagieren und das lautstark kritisieren.

Prinzipiell möchte ich sagen: Service ist die Pflicht einer ÖH und nicht die Kür. Selbstverständlich wird die ÖH in den nächsten Jahren wieder viel Wert auf Service legen. Wir werden Broschüren herausgeben und unser Beratungsangebot weiter ausbauen. Die Kür ist aber natürlich das Mitmischen in bildungspolitischen Prozessen. Und da ganz konkret das Eimischen - gerade wenn es um die soziale Absicherung von Studierenden geht!

Was kommt denn sonst noch in den nächsten 2 Jahren auf die Studierenden zu, was werden die großen Punkte deiner Amtszeit sein?

Die großen Punkte an Verschlechterungen sind heute schon eingetreten, nämlich die Kürzung der Familienbeihilfe für alle Über-24-Jährigen, außerdem ist der Versicherungszuschuss seitens des Bundes gekürzt worden. Die Selbstversicherung für Studierende wird in Zukunft doppelt so viel wie bisher, nämlich 50 Euro pro Monat kosten. Wir befürchten, dass sich das viele Studierende nicht leisten werden können und dann nicht mehr krankenversichert sind.

Ein anderer Punkt ist die Hochschulfinanzierung, wo es im Herbst Budgetverhandlungen geben wird und wo wir als ÖH uns dafür einsetzen werden, dass Minister Töchterle nicht umfällt, sondern wir werden versuchen, in diesen Verhandlungen mitzumischen und mehr Geld für die Hochschulen rauszuschlagen.

Ein besonderer Brennpunkt ist auch die so genannte Studieneingangsphase. Wird die ÖH versuchen, das ein bisschen zu entschärfen?

Diese Studieneingangs- und Orientierungsphase ist an den verschiedenen Unis sehr unterschiedlich umgesetzt worden. Auf der Uni Graz zum Beispiel gibt es viele Prüfungswiederholungen und man kann Kurse aus späteren Semestern vorziehen. Umgekehrt ist es auf der Uni Wien total restriktiv umgesetzt: Es gibt nur eine Prüfungswiederholung, wenn man die nicht schafft, kann man das Studium nicht weiterstudieren. Da werden Studierende einfach aus dem Studium gekickt, dagegen hat sich die ÖH von Anfang an gewehrt und das werden wir weiterhin tun.

Wir als ÖH wollen eine wirkliche Orientierungsphase, das heißt Studienberatung bereits an den Schulen und dann muss das erste Semester zu einer wirklichen Ausprobier-Phase werden, wo ich mir anschauen kann: Ist das Studium überhaupt etwas für mich? Gibt es nicht noch ganz viele andere Studien, von denen ich noch nie etwas gehört habe, die viel interessanter sein können?

Janine Wulz im Studio

fm4 / irmi wutscher

Ihr habt eine Viererkoalition gebildet, um euch gegen die stimmenstärkste Fraktion, die AG, durchsetzen zu können. Was garantiert die Stabilität dieser Koalition? Und warum übernimmt nicht die 2. Stellvertreterin, Angelika Gruber vom VSSTÖ, den Vorsitz nach einem Jahr?

Zum ersten Punkt: ich bin sehr zuversichtlich, dass die Koalition ausgezeichnet funktionieren wird, wir sind ein gutes Team und verstehen uns auch freundschaftlich sehr gut. Zum zweiten Punkt: Wir mussten uns in den Verhandlungen ausmachen, wie wir das mit dem Vorsitz regeln. Der VSSTÖ ist nun einmal die an Mandaten schwächste Fraktion und an Stimmen die zweitstärkste Fraktion. Damit war klar, dass die GRAS ein Jahr den Vorsitz übernehmen kann und ein Jahr die FLÖ.

Angenommen, bei der Nationalratswahl hätte eine linke Partei die Mehrheit, und dann gäbe es vier kleinere rechte Parteien, die zusammen ein bisschen mehr Stimmen haben,und die würden eine Koalition gegen diese linke Partei machen. Würdest du das demokratiepolitisch nicht komisch finden?

Nein, würde ich nicht, weil es ja trotz allem von den WählerInnen einen sehr klaren politischen Auftrag gibt: Wenn die Mehrheit aller StudierendenvertreterInnen - bei einem sehr undemokratischen Wahlrecht, das muss man immer dazusagen - diejenigen sind, die sich für einen freien und offenen Hochschulzugang einsetzen, dann sehe ich das als Auftrag von den Studierenden und den will ich natürlich umsetzen.

Deine Mutter ist grüne Stadträtin in Klagenfurt, ist die ÖH dein Sprungbrett in die politische Karriere?

An sowas denke ich noch gar nicht (lacht)! Aber natürlich komme ich aus einer politischen Familie und habe das Glück, im Gegensatz zu vielen anderen, dass ich eine Familie habe, die das sehr unterstützt. Das ist natürlich wichtig in Anbetracht dessen, dass man sich das Studium ohne arbeiten zu gehen in Österreich kaum leisten kann. Und wenn man arbeiten muss, bleibt oft wenig Zeit für politisches Engagement.

Darfst du deine Vorgängerin Sigrid Maurer anrufen, wenn du irgendwo nicht ganz durchblickst ,oder ist die froh, dass sie Ruhe hat von dem Job?

Die Sigrid ist natürlich nach wie vor präsent und unterstützt mich auch sehr und gibt mir viel Wissen und Erfahrung weiter. Ich hoffe sehr, dass ich ihren Job so gut weiterführen kann, wie sie das gemacht hat!