Erstellt am: 1. 7. 2011 - 11:34 Uhr
Optimismus Prime
Kein Feschak, kein Draufgänger, kein Underdog, kein Gauner und nicht Captain America, sondern eher Corporal America, der freundliche average joe. Tom Hanks ist Mister Supernice Guy und als solcher eine verlässliche Instanz des Hollywoodkinos. Als zappeliger Darsteller in Komödien klamaukte er sich durch die 1980er Jahre, bis er in den 90er Jahren – weniger zappelig – beim Drama landete und mit zwei Oscars als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, für "Philadelphia" und "Forrest Gump". Mit God bless you all and god bless America beendet er seine Oscarrede 1993 und lässt auch hier einfließen, was er auf der Leinwand oft verkörpert: fahnenwehenden Patriotismus.
Fox
"Forrest Gump" ist amerikanische Zeitgeschichte komrimiert auf eine Person, die reichlich ausgestattet mit amerikanischen Idealattributen wie Ehrlichkeit, Loyalität und Unerschrockenheit, Eckpfeiler der amerikanischen Identitätsfindung abklatscht. Heroisch macht sich Hanks auch in "Saving Private Ryan" auf die Suche nach einem Soldaten, um ihn mitten aus der Invasion der Alliierten in der Normandie in die USA zurückzuholen. Mit "Apollo 13" widmet er sich dem - ebenfalls amerikanischen - Traum und Alptraum der Raumfahrt, der Eroberung des Weltraums. The world is surely not enough, Tom Hanks steht für den kleinen Mann von der Straße mit den großen Idealen und Träumen des US-Kinos.
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Selten weichen seine Figuren vom heroischen Ethos ab, noch seltener bricht ein Regisseur sein Image oder setzt ihn in anderen Genres ein. Wenn doch, so ist das irritierend und interessant. In "Road to Perdition" wandelt er durch eine düstere Gangsterballade um Vertrauen und Verrat, in Mike Nichols satiregetränkter Abrechnung mit amerikanischer Außenpolitik "Charlie Wilson’s War" ist er Partyschnecke und Kongressabgeordner in Personalunion. Da spielt an seiner Seite die strahlende Julia Roberts als doppelmoralische Südstaatenbelle ebenfalls gegen ihr Image an. Jetzt tun sich die beiden Instanzen der Feelgoodfabrik wieder zusammen, treten gemeinsam auf die Leinwand und startwochenendetechnisch gegen die Transformers an. Optimus prime gegen Optimismus prime.
EMW
Balsam für die Krisenseele
Für "Larry Crowne" versucht sich Hanks zum zweiten Mal nach "That thing you do!" als Spielfilmregisseur, besetzt sich selbst in der Hauptrolle und inszeniert ein Stück altmodisches Kino, das den Grundsatz besingt, dass immer alles möglich ist und man vor Veränderungen keine Angst haben soll. Larry Crowne ist ehemaliger Koch der Navy, der zunächst in seinem Shop bei U-Mart aufgeht und eines Tages gefeuert wird, weil eben die Krise ihre Kraken ausstreckt. Ihm fehle die höhere Schulbildung, somit die Möglichkeit aufzusteigen und so muss man ihn gehen lassen.
Der Hypothekenschlund lauert und der Bank tut es leid, dass man da jetzt nichts mehr tun kann. Doch es ist keine Zeit für Depressionen, stattdessen stehen Tatendrang und der unverrückbare Glaube an eine Gutheit, die dem amerikanischen Gesellschaftssystem innewohnt, an der Tagesordnung.
Larry schreibt sich an einem Community College ein, wird Teil einer Hipster Scooter Bande und findet Gefallen an der stets mies gelaunten Professorin, die von Julia Roberts gespielt wird und stets in hochtaillierten Kleidern steckt. Kein Wunder also, dass sie schlecht gelaunt ist. Egal wie uninspiriert ein Film ist, Hanks und Roberts liefern stets solide schauspielerische Leistungen ab; nur das reißt "Larry Crowne" auch nicht aus der dramaturgischen Bredouille. Subplots werden angerissen, um sie im Sand verlaufen zu lassen, an sich dramatische Ereignisse fasst man - wie in einer Sitcom - in einem Satz zusammen. Nebenfiguren wie Cedric The Entertainer als pfeiferauchender Lottogewinner und Larrys Nachbar verkommen zur reinen Karikatur, während George Takei als Wirtschaftsprofessor mit seinen wenigen Szenen knapp an irrwitzigem camp vorbeischrammt.
EMW
Immerimmerwieder geht die Sonne auf
"Larry Crowne" ist ein Film, der vermarktungstechnisch auf das gute, alte 90er Konzept des Starvehikels setzt und an dem die Haltung des Wohlfühlkinos für gebeutelte Krisenseelen das Interessanteste ist. Zeitgeistbedingtem Zynismus setzt Hanks überbordenden Optimusmus entgegen. Selbstfindung und Selbstneufindung des kleinen Mannes, ein working class Triumph einer erfundenen Arbeiterklasse und eine Beschwörung des Glaubens an die Community, Zusammenhalt und Nachbarschaftshilfe. Der Held, der auf die Schnauze gefallen ist, steht wieder auf. Und lacht. Putzt sich den Dreck vom Gewand und stellt ein Schild an der Stelle auf, damit nicht andere auch hinfallen.
EMW
"Larry Crowne"läuft ab 1. Juli 2011 in den österreichischen Kinos.
Capra und Stewart
Mit dem Image des Jedermanns, der stets Haltung bewahrt und den Optimismus im Nacken hat, beschwört Tom Hanks den Geist zweier prägender Figuren im Hollywood der goldenen Studiozeit: Regisseur Frank Capra, der in zahlreichen Produktionen Gemeinschaftssinn, ehrliche Arbeit und Uneigennützigkeit in den Mittelpunkt stellte und James Stewart, der ebenfalls jahrelang den Mann von der Straße spielte, aufrechte Lackel mit sozialem Gewissen. Doch weder diese Bezugspunkte, noch Roberts noch Hanks haben die großen Studios überzeugt, keines will den Film finanzieren und so schlüpft Hanks auch noch ins Produzentengewandel. "We don’t know how to make these kind of movies.", kam von den Studios als Antwort auf Hanks Anfragen zurück. Tom Hanks wußte es leider auch nicht.