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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

30. 6. 2011 - 21:39

Fußball-Journal '11-63.

Gibt es ein Entkommen aus dem tiefen Tal der doppelten Buchführung in betrügerischer Absicht? Zum Kartnig-Prozess und der Admira-Affäre.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einer Einschätzung darüber, was die zeitgleich diskutierte Entscheidung der Bundesliga über die Doppelvertrags-Affäre von Trenkwalder Admira alles auslösen/bewirken wird/kann.

Vorgeschichte und Basic-Info dazu hier.

Diese Woche war wieder Kartnig-Prozess in Graz. Mit jeder Menge einvernommener Zeugen, vor allem ehemaligen Spielern. Die wurden zu ihren Einkünften befragt, um herauszubekommen, ob und wie und wie geplant sie ihre Gehälter und Handgelder bezogen hatten, brutto für netto, aus schwarzen Kassen, damals in den 90ern vor allem, aber bis 2005/6, bis zum Ende der Ära Kartnig eben. Der wegen schweren Betrugs, betrügerischer Krida, grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen sowie Steuerhinterziehung angeklagt ist.

Die ehemals bei Sturm Beschäftigten haben allesamt einen juristischen Freifahrschein, sie werden nicht belangt, auch wenn sie Illegales getrieben oder gebilligt haben. Tolle Regelung - von der man auch eine offene Ansprache erwartet hat.
In den letzten Tagen waren nun Franco Foda, Roman Mählich, Gilbert Prilasnig, Günther Neukirchner, Tomislav Kocijan, Michael Krenn, Jürgen Säumel, Kazimierz Sidorczuk, Gerald Strafner oder Arnold Wetl im Zeugenstand.

Und viel wußten sie, trotz Blanko-Garantie, nicht.
Jürgen Säumel gab an, Gelder, über deren Legalität er nicht so genau Bescheid wußte, sicherheitshalber selber versteuert zu haben. Die meisten anderen nahmen einfach ohne nachzufragen.

Sturm-Märchenstunden vor Gericht

Sidorczuk erzählt von seinen schlechten Deutsch-Kenntnissen und staunt nicht schlecht, als er mit Überweisungen an eine polnische Firma konfrontiert wird, die jährlich 400 000 Schilling betrugen, zufällig der Beitrag, den er dann überwiesen bekam, konfrontiert wird. Keine Ahnung davon, sagt der Kasi und lacht, und der Gerichtssaal mit ihm.

Franco Foda, der als Spieler zwei Verträge, einen mit umgerechnet 12.700 Euro monatlich netto, und einen mit 12.700 Euro brutto hatte, zuckt dazu die Achseln.

Mählich konnte sich an gar nichts erinnern: es täte ihm sehr leid, aber er wisse einfach gar nix mehr, sagte der TV-Experte.
Der ebenfalls vorgeladene Ivica Vastic war der Zeugenladung erst gar nicht nachgekommen, so sehr ist ihm die Sturm-Zeit nicht mehr geläufig. Die 1000 Euro-Strafe sind ihm aber wohl lieber als ein peinlicher Alzheimer-Auftritt.

Keiner der Ex-Spieler ist also imstande vor Gericht das zu sagen, was sie wissen, was das Umfeld weiß, was alle wußten und wissen: dass Sturm Graz mit doppelter Buchführung arbeitete, dass Netto für Brutto-Doppelverträge Usus waren, dass Prämien und Zuwendungen nicht versteuert wurden. Alle wassern drum herum, drucksen und stellen sich deutlich blöder, als sie sind. Die einen mit enormer zynischer Chuzpe, die anderen verschämter.

Schuldbewusstsein? Was soll das denn sein, bitte?

Eines ist aber klar: es gibt kein Schuldbewusstsein.
Bei Hannes Kartnig, der dieses System von Betrug, Steuer- und Abgaben-Hinterziehung von seinen Vorgängern übernommen hat und es zum unverzichtbaren Teil seines selbstherrlichen Provinzkaiser-Regimes gemacht hat. Der ist allerdings ein hoffnungsloser Fall - der glaubt ja wirklich daran.

Das fehlende Schuldbewusstsein betrifft vor allem die aktuelle Spieler- und Trainer-Generation, die dieses System Kartnig als feststehend und unhinterfragt akzeptiert und übernommen hat.

Solange das so ist, und solange ein absurdes Gesetz des Schweigens, diese Fußballer-Omerta, das Denken dieser Branche standardisiert und definiert, gibt es kein Entkommen aus dem tiefen Tal der Betrügerei und doppelten Buchführung zum Zweck des Verschaffung von illegalen Vorteilen. Illegal sowohl im juristiischen als auch im sportlichen Sinn.

Das System Kartnig ist offiziell zwar überwunden, es sitzt aber noch in den Köpfen und Seelen der gesamten Branche.
Und natürlich gibt es weiterhin Leute, die wie Kartnig denken: herrenbauernmäßig, gutsherrenmäßig, provinzkaisermäßig, frankstronachmäßig; wer das Geld hat, macht, was er will.

Die Admira-Schattenwirtschaft auf dem Prüfstand

Als der Kurier kürzlich die Schattenwirtschaft bei Admira aufdeckte, die Verschleierungsstrategien durch doppelte Verträge, rechtfertigte sich der Kaiser des Vereins, der Leiharbeiter-King Richard Trenkwalder (ohne dessen Initiative die Admira vor Jahren in die Insolvenz geschlittert wäre) damit, dass das 1) bei ihm in der Firma so üblich wäre und dass er 2) dort machen könne, was er wolle.
Wenn man also die Lizenz-Bestimmungen im österreichischen Profifußball umgeht und das, was man an Zusatz-Zahlungen halt nicht angeben will, in einen anderen Bereich outsourct, dann ist das in Ordnung und vollständig sauber.

Die Logik ist so verdreht, so absurd und so unverschämt, dass sie schon wieder den Kartnig-Preis verdient. Denn Trenkwalder glaubt das echt selber.

Nun muss die Bundesliga diese doppelte Buchführung, die zum Zweck der Umgehung der Lizenzbestimmungen durchgeführt wurde, prüfen. Und selbstverständlich bestrafen.
Denn nicht zuletzt dank dieser Unregelmäßigkeiten hat es die Admira geschafft, in der abgelaufenen Saison genau einen Punkt vor dem korrekt abrechnenden Vorarlberger Verein SCR Altach die Meisterschaft der 2. Liga zu gewinnen.

Heute nacht wird also ein folgenschweres Urteil gefällt

Man hat also den Aufstieg indirekt diesen Unaufrichtigkeiten, dem Jonglieren mit nicht korrekt versteuertem Geld, diesem Umgehen der Regeln, sowohl den juristischen als auch den sportlichen, zu verdanken.

Altach will sich das nicht gefallen lassen und fordert die Aberkennung des Titels.

Nun sind die Vertreter der Bundesliga, sind die Entscheider und Wächter über die Korrektheit des heimischen Fußballs aus genau der Generation, die diese Woche im Kartnig-Prozess ausgesagt haben. Und sie vertreten dieselbe Geisteshaltung: nicht drüber reden, geheim halten, verschleiern und nichts wissen, wenn man gefragt wird.

Altach bekam nicht einmal Akteneinsicht ins aktuelle Vorgehen. Die für heute angesetzte Entscheidung ist also abzusehen: man wird den Provinzkaiser ein bisserl kitzeln, mit dem Zeigefinger "Du, du, ganz ein Schlimmer bist du, gell!?" machen und die Admira mit zwei oder drei Minus-Punkten für die nächste Saison belasten.

Die Konsequenzen des Konsequenzlosigkeit

Wirkliche Konsequenz ist keine zu erwarten.

Im übrigen würde ich mich gern irren und morgen an dieser Stelle mit Freuden-tränen von einem bahnbrechenden Urteil berichten.

... und einen Tag später hat es sich bewahrheitet: ein halbgares feiges Fingergeklopfe. Eine Geldstrafe, sonst nichts. Damit wird die betrügerische Absicht hinter dem Sport auch für die nächsten Jahre gerechtfertigt und quasi straffrei gestellt. Sieht auch die Fußballer-Gewerkschaft so.

Und damit verursacht man eine ganz andere Konsequenz, eine, die niemand intendiert, die sich aber automatisch einstellt. Das liebliche Fingerklopfen sagt nämlich nichts anderes als "wir drücken bei sowas ein Auge zu; weil wir wissen, dass es anders nicht geht, als mit der doppelten Buchführung."

Was das bedeutet, ist klar: es wird weiter passieren, man wird halt cleverer verschleiern. Sich als Opfer darstellen und den Kurier als Nestbeschmutzer diffamieren.
Mit einer halbgaren Entscheidung, wie sie die Bundesliga treffen wird, weil sie sie so treffen muss, weil es ihre Verfasstheit gar nicht anders zulässt, wird der heimische Fußball auf weitere fünf bis zehn Jahre kartnigisiert werden. Egal, wie dessen Prozess ausgeht.

Und die Branche hätte bewiesen, dass sie sich an Ivica Vastic und seinem Mut zur Wahrheitsfindung orientiert; also ohne Rückgrat zu leben versteht.