Erstellt am: 29. 6. 2011 - 12:09 Uhr
New Order und New Rave
Erstens leben totgesagte Genres länger, als einem lieb ist, zweitens haben sich Autokratz mit ihrem stilistischen Spagat zwischen den Achtziger- und Nullerjahren geschmäcklerisch abgesichert, und drittens ist das Veröffentlichungsdatum gut getimt: die ehemaligen Kitsuné-Labelkollegen Digitalism veröffentlichen zeitgleich "I love you, Dude", das auch das FM4-Album dieser Woche stellt. Der französische Electro-House Produzent SebastiAn releast gerade sein Album "Total" auf EdBanger Records und dort wird heuer auch noch das neue Album von Justice herauskommen. Das sollte für ein akustisches sowie mediales New-Rave-Klassentreffen reichen. Wo ist mein Bandana?

Autokratz
"I met Russel on a night out. We got into a little bit of a fight, because he threw-up upon my shoes. Then I saw him a few other times and it turned out that we liked the same music. So we started a band."
So british haben sich David Cox und Russel Crank vor einigen Jahren kennengelernt. Bald darauf wurden sie Teil der angesagten Filzstift-Gesichter-Gemeinschaft des Labels Kitsuné, wo sie 2007 ihren Durchbruch feierten.
New Rave war der Hype der Stunde und Autokratz ließen mit voller Wucht bratzige Beats und bolzende Bässe an die Decken der Clubs knallen, als wären es Gummibälle. Genauso sind dann die Massen am Dancefloor zu ihren Nummern herumgesprungen. Ping Pong.
"Songwriting is the Backbone of the Album"
Doch New Rave macht mittlerweile nur noch einen kleinen Teil ihres Schaffens aus. Auf "Self Help for Beginners" schrauben Autokratz weniger an aufgekratzten Dancefloor-Burnern, sondern mehr an Synthie- und Electro-Pop mit vorwiegend klassischen Songstrukturen. Die Stimme von Sänger David Cox sowie die Gitarre bekommen mehr Raum, die Produktion bleibt gewohnt druckvoll und musikalisch ist die Referenz der Achtziger Jahre unüberhörbar.
Doch New Order ist nicht nur als Einfluss, sondern auch in der Person von Bassist Peter Hook auf einem "Becoming the Wraith" vertreten. Auch die Zusammenarbeit mit Andrew Innes, Gitarrist von Primal Scream stellt einen logischen und authentischen Draht in die Achtziger Jahre dar.
Trotz eingängigen Pop-Melodien und new order-esquen Synths klingen Autokratz auch nach Autopilot und Konserve, was vor allem bei dem metallischen Reißnagelbrett "The Seventh Seal", das nach dem gleichnamigen Film von Ingmar Bergmann benannt ist, besonders auffällt:
"There are so many wars around the world, there is constantly rage in it. Sometimes I feel like we are at the end of days. Maybe the seventh seal will be opened soon, I don´t know."

Autokratz
Insgesamt haben Autokratz 35 Songs aufgenommen, von denen es 13 auf "Self Help for Beginners" geschafft haben. Doch nicht nur künstlerisch waren die beiden extrem produktiv. Sie haben auch ihr eigenes Label Bad Life gegründet und damit Kitsuné den Rücken gekehrt. Damit erklärt sich auch der Albumtitel, denn zum ersten Mal stellen die beiden etwas auf die Beine, von dem sie selbst noch nicht wissen, wie es funktionieren wird.
Gründe für die Trennung von Kitsuné waren laut David Cox keine persönlichen Differenzen, sondern eher stilistische. Als "Not my cup of tea" bezeichnet er das momentane musikalische Spektrum des Pariser Trendsetterlabels. Autokratz haben sich mit ihrem Sound weiterentwickelt und deshalb versuchen sie nun, ihr eigenes Musik-Universum zu entwerfen. Der Grund für den Start von Bad Life war unter anderem auch, dass die Beiden zahlreiche, vielversprechende Demos anderer Produzenten erhalten haben, die sonst im Orkus verschwunden wären.
Doch Autokratz haben sich nicht nur von Kitsuné getrennt. Auf "Self Help for Beginners" verarbeitet David Cox eine gescheiterte Liebesbeziehung, was auch die kühle und düstere Grundstimmung des Albums und Songtitel wie "The Opposite of Love" erklärt:
"When Relationships are ending, there is quite a negative, dark force that envelopes your world. The whole album is very much influenced by those feelings at that time. It´s a very, very personal album."