Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Let's draw some noise"

Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

29. 6. 2011 - 15:02

Let's draw some noise

TONTO machen seit einem Jahrzehnt Comics. Zum Geburtstag schenken sie sich und uns eine Ausstellung.

Zuletzt drangen sie an den "Nordpol" vor und brachten ihre ganz eigene Geschichte einer Expedition in Heftform heraus. Die achtzig kolorierten Seiten sind das jüngste Werk der Gruppe TONTO, die Edda Strobl und Helmut Kaplan vor circa zehn Jahren starten. Genau können sie das Datum nicht festmachen, und bei TONTO macht jede/r ihre bzw. seine eigenen Sachen. Das wird in ihrer aktuellen und selbstbetitelten Ausstellung augenscheinlich.
Und dennoch entsteht schlussendlich stets ein gemeinsames Ganzes. Was hält TONTO als Gruppe zusammen? "Um uns einen genauen Überblick zu verschaffen, nützen wir jetzt die Ausstellung!", schmunzelt Helmut Kaplan.

Ausstellung von TONTO Comics im Forum Stadtpark mit Zeichnung an der Wand

Radio FM4

Viele Comiczeichner hat das Gründungsduo Strobl/Kaplan für sich entdeckt. Michael Jordan lesen die Beiden im Netz auf, auf Simon Häussle werden sie durch einen Newsletter aufmerksam und "den Dice" aka Diceindustries lernen sie auf einem Festival kennen, während er Bände signiert. Sie kommen ins Gespräch und eine gemeinsame Basis ergibt sich. Bislang bewährt sich die strategisch unregelmäßige Community-Bildung erstaunlich gut. Nur ein Südamerikaner wollte sich nicht auf eine Zusammenarbeit mit der Comic-Gruppe mit Basis Graz einlassen. "Comics" assoziiere man in seinem Land mit Kioskware, begründete der bildende Künstler sein Desinteresse.

Im Grunde wäre der Ferne bei TONTO in guter Gesellschaft gelandet. Aber: "Er meinte, er arbeite nur mit Comic-verwandten Mitteln und habe sonst nichts damit zu tun", erinnert sich Edda Strobl. Nachsatz: "Wir können kein Spanisch, er hat die Anfrage nicht verstanden".

Die Gruppenbildung prägt die Gestaltung der Hefte von TONTO weit mehr, als das bei Anthologien ohnehin der Fall ist. Jedes TONTO-Heft wird aus den sehr subjektiven Positionen der mitwirkenden Künstlerpersönlichkeiten kompiliert. Das kann dauern. Assoziationen sind ein bestimmendes Element. In den Schnittmengen entsteht eine Identitätskonstruktion dessen, was von LeserInnen als TONTO erkannt wird.

Vieles erscheint in Ausschnitten oder in Teilen, als KünstlerIn muss man mit der Reflexion Anderer auf die eigenen Arbeiten umgehen können. "Es gehört wahrscheinlich dazu, dass es vom eigenen Verständnis her nicht ganz filigrane Kunstwerke sind, die nur genau in einer ganz bestimmten Weise bestehen können. Und wenn irgendetwas verkehrt angeordnet wird, ist schon alles kaputt", sagt Helmut Kaplan. Nicht, dass er die Zeichnungen seiner KollegInnen plündern würde, während er an der nächsten Publikation arbeitet. Doch er wählt aus einem Materialpool aus.

Edda Strobl schneidet Passepartouts, Helmut Kaplan rahmt Zeichnungen und Michael Jordan sieht zu.

Radio FM4

Edda Strobl fertigt Passepartouts an, Helmut Kaplan ordnet Exponate. Michael Jordan schaut ihm über die Schulter. Die schiefe Optik geht auf mein Konto.

Remixen beim Zeichnen und Kleben

Das TONTO-Heft #13 widmet sich dem ergiebigen Schlagwort "Noise" und wird im Herbst erscheinen. Musikalische Strategien versuchen die TONTOs mit Stiften und Papier umzusetzen.

Helmut Kaplan ordnet jeder Seite ihre Zeichnung zu, und ich durfte in der sozusagen Pre-Null-Nummer blättern. Iggy Pop tritt in Serbien auf, gut festgehalten von Aleksandar Zograf. Man begibt sich mitten in einen Orkan im Ohr, in einen Tinnitus! Einen großen Karton voll Abfallschnipsel des Layouts bekam Diceindustries. Aus dem Assoziationsfundus kompiliert er eine Position aus Geschichten, die vielleicht im Heft gar nicht erscheinen. Die Ausgabe würde ich mir sogleich vorbestellen.

Für "Noise" behandelt das Kollektiv Zeichnungen wie Musikstücke auf Tonbändern. "Du kannst sie zerschneiden, kopieren und verschiedenen Leuten Stücke geben", sagt Kaplan.

Titelblatt zum nächsten TONTO-Comic-Heft

TONTO Comics

Erste Ansichten von "Noise". Das Titelblatt

TONTO improvisieren prinzipiell mit Vorliebe. "Jedes Thema braucht eine andere Art der Bearbeitung", sagt Edda Strobl. Erzählungen ziehen TONTO aus Geschichten verschiedener AutorInnen, für die LeserIn fügen sich die Bilder zu einer Narration.

Simon Häussle kann gut mit und bei TONTO arbeiten. In Österreich gibt es keine industrialisierte Comicproduktion, umso wichtiger sei es, dass es alternative Labels gibt, die ihre Linie über Jahre hinweg weiterentwicklen und dennoch offen für andere Positionen sind.

Vorab-Kopie eines Comics des im Herbst erscheinenden Comic-Bandes "Noise".

TONTO Comics

Eine Vorab-Seite des im Herbst erscheinenden Comics zum Thema "Noise" zeigt Wolfsfiguren, die wie Menschen bei Autounfall agieren

TONTO Comics

Vorab-Seite aus einem erscheinenden Comicheft von TONTO: Zeichnung eines Waldes mit Fuchs und Mader

Szenen eines Jahrzehnts

Wie TONTO zu den Motiven und Images kommt, das sind Prozesse, die sich über Jahre ziehen. Motive werden modifiziert, finden wieder Anschlussmöglichkeiten und lassen sich mit anderen, weiteren Motiven kombinieren. Zugleich ist die einzelne Arbeit manchmal in weniger als einer halben Stunde gefertigt.

Doch bis Edda Strobls Leporello voller Collagen ihrer Reise in Amerika 1991 zum Kern der Doppelheft-Nummer "Nordpol" wurde, verging ein Jahrzehnt. Treibholz, Eisschollen und bissige Seehunde, die an Booten nagen, zieren die Innenseite des Umschlags. Auf der übernächsten Seite lacht man über einen Eisbärenwitz eines gewissen Alootook Ipellie. Den möglicherweise einzigen Inuit-Comiczeichner lernte die Grazerin Strobl auf dem Festival "GRRR!" in der serbischen Industriestadt Pancevo kennen.

Ebenso vielschichtig wie die einzelnen Momente der Entstehungsgeschichte ist das Comicheft "Nordpol".

Comic aus "Nordpol": Zwei Mädchen unterhalten sich auf einer Party, während ringsum das Geschehen turbulent wird.

TONTO Comics | Edda Strobl

Comic aus "Nordpol": Zwei Mädchen unterhalten sich auf einer Party, während ringsum das Geschehen turbulenter wird.

TONTO Comics | Edda Strobl

Comic Jams

Ein Exponat der Ausstellung: Stapel Comichefte, die von der Zeit aufgefressen wurden, unter Glas.

Radio FM4

Zeit frisst Comics.

Die ersten Kontakte außerhalb Österreichs führten zu Reisen in Länder des Balkans. Kein Zufall: "Die Künstler machen viele, kleine Festivals und arbeiten auch viel mit Community-Bildungen", weiß Strobl. Bei Gefallen könnte man sich gleich die nächsten Comic-Zusammenkünfte notieren: Dunja Jankovic organisiert das kleine, feine Festival SKVER! auf Mali Lošinj. Dahin fahren die TONTOs unmittelbar nach ihren ersten Ausstellungstagen. Gerade passiert ist das Novo Doba Festival in Belgrad. Als eines der besten deutschsprachigen Comicfestivals nennt Edda Strobl das bekannte Fumetto in Luzern.

Entdeckungen lassen sich anhand der Comics machen, die TONTO von geschätzten, internationalen KollegInnen bei ihrer Retrospektive auflegen.

Stifte müsse man immer mithaben, findet Edda Strobl. Der Klassiker Tischserviette ist gar nicht so abwegig, wie man vermuten mag, versichert Simon Häussle. "Es gibt ja die Auffassung von alleinstehenden Individuen, die stundenlang in ihrem Kämmerlein sitzen und am Ende kommt ein Buch heraus." So ein steifer Vorgang sei das Comicmachen nicht. Bei TONTO zumindest nicht. Es ist mehr ein kollektiver Prozess, nicht so streng vorgefasst, der sich in verschiedene Richtungen bewegen könne.

Zeichnung zweier Männer, die mit dem Rücken zueinander stehen und jeweils geradeaus blicken. Darunter steht geschrieben: "Vorwärts! Na klar!"

TONTO Comics | Helmut Kaplan

Den Status Quo der Gruppe zeigt die Ausstellung zum zehnjährigen Bestehen. Zu den gerahmten Comics, Malereien und Zeichnungen an den Wänden kommen die KünstlerInnen im Forum Stadtpark zusammen. Aleksandar Zograf reist aus Serbien an, Michael Jordan und Simon Häussle sind schon da. Auch Nicolas Mahler zählt zur Gruppe, sein Animationsfilm "Mystery Music" wird gezeigt.

Eröffnet wird die Ausstellung heute, Donnerstag, 29. Juni 2011, um 19 Uhr im Forum Stadtpark in Graz. Zu sehen ist sie bei freiem Eintritt bis 30. Juli.