Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die perfekte Dunkelheit des Fin Greenall"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

27. 6. 2011 - 17:59

Die perfekte Dunkelheit des Fin Greenall

Mit "Perfect Darkness" veröffentlicht der Engländer Fink ein emotional tiefgehendes und zugleich musikalisch federerleichtes Werk. Nicht nur für Traumtänzer.

Perfect memories fall down like ashes
from the fire we made love
and everything we gotta say
we save it

Fink zum Nachlesen:
Das grandiose Werk und FM4 Album der Woche 2007 "Distance and Time", besprochen von Natalie Brunner.

Leise hämmert ein verhalltes Sample im luftleeren Raum, bis ein trockener Schlagzeugbeat einsetzt. Die bekannt gefühlvoll gespielte Akustikgitarre von Fink alias Fin Greenall bildet das knöcherne Harmoniegerüst für den sich langsam aufbauenden Eröffnungs- und Titelsong "Perfect Darkness". Darin rollen schwere Wellen einer stürmischen See über uns hinweg, wobei Fin rät einfach ruhig zu bleiben und abzuwarten. Denn schlussendlich wird alles gut werden, wenn der Sturm vorbei ist.

Der englische Musiker FINK

Anja Haering

Im selben Maße, wie die anfänglich düstere Atmosphäre sich aufzuhellen beginnt, betten sich nach und nach warme Streicher und Background-Gesänge zur ausdrucksstarken Stimme von Fink. Und das anfängliche Gefühl, alles sei beim Alten geblieben, weicht der Ahnung, dass "Perfect Darkness" eine Wandlung und große Weiterentwicklung darstellt.

Ängste, Zukunft und warme Schatten

Der Musiker aus der Trip Hop Geburtsstadt Bristol, der mit der Jahrtausendwende seine Decks und DJ-Pulte durch die Gitarre ersetzt hat, ist mit seinen beiden Live-Musikern Guy Whittaker am Bass und Tim Thornton am Schlagzeug zu einer richtigen Band zusammengewachsen. Der zweite Song "Fear Is Like Fire", der sich mit der Angst vor Auftritten auseinandersetzt, überrascht und verblüfft zugleich. Denn das für Fink übliche, sehr reduzierte Soundspektrum wird schon im ersten Refrain durch eine verzerrte Indierockattitüde gebrochen, die an die Grundgezeit der Neunziger erinnert. Aber es wäre nicht Fin Greenall, würde dieses Experiment nicht zielsicher in den geschmackssicheren Klanghafen einlaufen.

Albumcover FINK "Perfect Darkness"

Fink

Mit dem anschließenden "Yesterday Was Hard On All Of Us" erreicht das vierte Album gleich mal einen emotionalen Höhepunkt. Der unglaublich einnehmende Rhythmus der Akkordzerlegungen zeiht einen sofort in Bann, während sich der englische Musiker ratlos zu fragen scheint, was die Zukunft wohl bringen wird. Und wenn in dem herzergreifend schönen Refrain sich eine Begräbnisszene widerspiegelt, die Fin und andere Freunde nach langer Zeit endlich wieder zusammenbringt, leuchtet im Hintergrund ein Hoffnungsschimmer, die in weiterer Folge auch die dunkelsten Winkel der Platte immer wieder erleuchtet.

Fin: "Das ganze Album ist eigentlich sehr optimistisch. Aber es ist auch eine gewisse Nervosität zu spüren. Denn mit jeder neuen Veröffentlichung hat sich unsere Band und Karriere ein wenig verändert. Mit 'Perfect Darkness' haben wir das Gefühl, dass sich sehr viel geändert hat und noch ändern wird. Es ist noch größer geworden, als die anderen und es wird unser Leben beeinflussen. Mit jedem Album, dass wir schreiben, verändern wir unsere Zukunft und wissen in dem Moment aber nicht, was sie für uns bereithalten wird."

Der englische Musiker Fink

Chris Lopez

Dass die Zukunft nichts Schlechtes bringen wird, dafür haben Fink schon im Vorfeld gesorgt. Denn auch wenn Fin recht nervös ist, mit dem Produzenten Billy Bush und den Aufnahmen in einem großen Studio in Los Angeles, hat er auf die richtige Karte gesetzt. Die Produktion ist trotz extremer Reduktion breiter und fängt durch den organischen Klang vor allem die Live-Energie von Fin, Guy und Tim ein. Absoluter Höhepunkt dabei ist "Warm Shadow", ein unruhiges und zugleich sphärisches Stück über den Wunsch, sich aus dem warmen Bett nicht hinausbewegen zu wollen. Ein magischer Moment vollkommener Zufriedenheit im Rückzug, ein rhythmisch vertracktes, ständig wechselndes und überaus clever gezeichnetes Soundgemälde, dessen hypnotischer Song erst nach knapp sechs Minuten mit dem Verklingen der letzten, gezupften Gitarrensaite nachlässt.

Ehrlichkeit, Skateboards und Berliner Sonenaufgänge

Alles was dieser englischen Musiker macht, hat eine ganz besondere Atmosphäre, vermittelt eine gewisse Intimität und scheint von einer tiefen Ehrlichkeit getragen zu sein.

Fin: "Fink kann gar nicht anders als ehrlich sein. Wir müssen eigentlich die ganze Zeit ehrlich sein, schließlich sind wir keine Schauspieler, sondern Musiker. Deshalb ist auch unsere Musik ehrlich, damit wir unsere Gefühle hineinlegen und dahinter stehen können."

So hat Fin mit "Honesty" auch gleich einen ganzen Track diesem Thema gewidmet, wobei es wie bei den meisten Stücken gleich um mehrere Aspekte geht, wie Beziehungen und Trennungen. Wichtig dabei ist "Perfect Darkness" nicht in das überfrachtete Klischeefach "Folk und Singer/Songwriter" einzuordnen. Dazu flirren zu viele elektronische Vergangenheitselemente durch den Klangraum, schrauben sich modulierte Gitarreneffekte im Hintergrund in hohe Frequenzbereiche, während sich kleine Samples subtil und fast unmerklich mit dem rohen Bandsound mischen.

Aber Fin kann auch ganz anders. Zum Beispiel bei der grandiosen Blues-Skizze "Wheels", die ausschließlich mit Gitarre, Stimme und sanften Fußgeklopfe auskommt. Wobei hier der musikalische Stil ganz bewusst gewählt wird, schließlich geht es um die große Leidenschaft von Fin, die er zugunsten der Kunst aufgeben hat müssen, dem Skateboarding.

Der Musiker Fink live auf der Bühne in Frankreich

Fink

Fin: "Letztes Jahr hatte ich einen schlimmen Unfall. Ich hab mir beim Skaten den Ellbogen gebrochen. Ich konnte zwei Monate nicht Gitarre spielen und alle um mich herum waren stinksauer. Wir mussten die Aufnahme verschieben und viele Gigs absagen. Also musste ich damit aufhören. Aber irgendwann möchte ich trotzdem einmal ein kleines Grundstück kaufen und einen eigenen Skatepark bauen."

Damit braucht man sich um Fin auch in Zukunft keine Sorgen zu machen, sollten die Pläne mit Fink nicht ganz so aufgehen, wie gewünscht. Bis dahin werden die drei Musiker jedoch noch auf vielen Bühnen dieser Welt stehen, denn ihre Fangemeinde ist eingeschworen, die Kritiker wohlwollend und wenn jedes Album eine derart schöne Entwicklung mit sich zieht, dann bleiben uns Fink hoffentlich noch für viele Alben erhalten. Denn das großartige Anschlussstück "Berlin Sunrise", wirklich entstanden auf einem Balkon in der deutschen Großstadt, gibt mit seinem poppigen Gesangslinien und eingängigen Melodien schon einen Vorgeschmack, in welche Richtung sich die Band um Fin Greenall weiterentwickeln könnte. Und vielleicht heißt dann das nächste Werk defective brightness.