Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Muße. Vom Glück des Nichtstuns"

Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

29. 6. 2011 - 16:12

Muße. Vom Glück des Nichtstuns

Ein Plädoyer für den Schlaf, das Faulsein und den Müßiggang von Ulrich Schnabel.

Hermann hat es in dieser Animation von Loriot nicht leicht. Einfach nur da sitzen und nichts tun geht nicht. Zumindest nicht mit der geschäftigen Ehefrau, die doch das mehrheitliche Denken unserer Gesellschaft repräsentiert: Man muss immer etwas machen und soll dabei auch bloß keine Zeit verlieren. Der dadurch mögliche Stress macht krank: Die WHO erklärt berufsbedingten Stress durch permanente Überlastung zu einer der "größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts."

Ulrich Schnabel ist Redakteur im Ressort Wissen der ZEIT in Hamburg und Autor mehrerer Sachbücher. Er schreibt vorwiegend über Themen im Grenzbereich zwischen Natur- und Geisteswissenschaft.

Von wegen Nichts tun: Kernspintomografische Untersuchungen ergaben, dass erst beim Nichtstun bestimmte Hirnregionen aktiv werden, schreibt der Wissenschaftsjournalist Ulrich Schnabel.

Außerdem ist Müßiggang gar nicht so einfach. Denn Muße funktioniert nicht auf Knopfdruck. Viele hoffen auf entspanntes Nichtstun im Urlaub: Endlich im gewünschten Ort angekommen will man abschalten und nichts tun. Aber es geht nicht. Stattdessen lässt man sich von einem Animationsprogramm ablenken oder nörgelt am Urlaubsort herum.

Dabei braucht Muße vor allem eines, weiß Ulrich Schnabel: ausreichend Zeit. Aber die fehlt uns. Es ist doch paradox – ständig werden neue Technologien entwickelt, die Zeit sparen sollen – wo aber bleibt die Zeit, die wir doch im Überfluss gewinnen?

15 bis 25 Prozent der Arbeitszeit verwendet der typische Büroarbeiter für die Beantwortung von Mails. Schnabel schreibt von einer Untersuchung über den Arbeitsalltag von Managern und Programmierern. Alle elf Minuten klingelt das Telefon, trifft ein mail ein oder ein Kollege fragt etwas. Und falls nichts Störendes eintrifft, sucht man sich selbst nach elf Minuten eine Ablenkung. Die Konzentrationsspanne beträgt also nur mehr elf Minuten.

Dafür greift die Arbeitszeit immer mehr in die Freizeit über. Freizeit als solche können viele schon gar nicht mehr definieren. Der Flow, also das sich selbst Vergessen in einer Tätigkeit, wird immer seltener. Aber Muße bezieht sich auf den Augenblick. Nicht abschweifen, sondern hier und jetzt.
"Als Kunst, nicht ständig unseren (eigenen oder eingeredeten) Wünschen hinterherzurennen, sondern auch einmal stehen zu bleiben und das Glück des Augenblicks genießen zu können."

Auf Sofa liegender Mann in Nachdenkpose

Blessing Verlag

buchcover muße, mann liegt auf einem sofa

blessing verlag

Ulrich Schnabel: Muße. Vom Glück des Nichtstuns, Blessing Verlag, 2010

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Über das Mittagsschläfchen wird gelächelt, gleichzeitig leiden immer mehr Menschen an Schlafstörungen. Aber ohne Schlaf keine großen Ideen. So schreibt Ulrich Schnabel etwa von Rene Descartes, dem Begründer des modernen Rationalismus, der ein Langschläfer war ebenso wie Albert Einstein, Winston Churchill oder John Lennon.

Heute aber gilt langes Schlafen als unmoralisch. Benjamin Franklin gab als oberste Maxime aus, dass man bloß keine Zeit verlieren dürfe und immer etwas Nützliches tun solle. Das gipfelte in dem schicksalhaften Satz "Zeit ist Geld". Davon sollte man sich befreien, findet Ulrich Schnabel und "seine (Lebens)zeit nicht ausschließlich mit Geldverdienen gleichzusetzten, sondern einmal die Freuden des Nichtstuns, des Faulenzens und des Dösens zu preisen." Schnabel belegt, warum Schlaf die Gedächtnisleistung, die Aufmerksamkeit und den Einfallsreichtum fördert. Er portraitiert verschiedene Menschen, die sich nicht dem Zeitdiktat unterwerfen und er beschreibt Möglichkeiten, wie man sich langsam an die Muße herantastet.

Quadriga 8
Über dieses Buch, die Muße, aber auch über das Verirren und Umwege Machen, um dann doch besser zum Ziel zu gelangen, wird im Rahmen der Quadriga am Donnerstag, 30.7. in Wien diskutiert.
Die Gäste sind die Perfektionismusforscherin Christine Altstötter-Gleich, der Philosoph Gerhard Schwarz vom Verein der Zeitverzögerer, die Philosophin Rebekka Reinhard und Kathrin Passig, als "Expertin" fürs Verirren.

Der Eintritt ist frei.
Beginn ist um 18:30 Uhr im Palais Epstein neben dem Parlament.