Erstellt am: 25. 6. 2011 - 15:08 Uhr
Die Tote im Pelzmantel
"Ein guter Kriminalroman ist wie ein Besuch in einer fremden Stadt (...)
Ein guter Autor ist demnach wie ein guter Freund, der einem diese unbekannte Stadt zeigt ..." liest man im Nachwort. Wenn dem jedoch so ist, bleibt dieses Buch leider nur ein unbekanntes Dorf und der Autor ein flüchtiger Bekannter.
aufbau verlag/vargas, baudoin
Und das, obwohl die französische Autorin Fred Vargas ausgezeichnete Kriminalromane schreibt und auch der Künstler Edmond Baudoin eine starke Position im Comicbereich einnimmt.
Gemeinsam haben die beiden bereits im Jahr 2000 den Krimi "Im Zeichen des Widders" als Graphic Novel herausgebracht. Und jetzt eben "Die Tote im Pelzmantel".
Die Geschichte ist schnell erzählt, nimmt sie doch nur knapp 50 Seiten ein. (45 weitere Seiten sind für Edmond Baudions Zeichnungen und Erklärungen, für das Nachwort und für eine Leseprobe aus Vargas "Der verbotene Ort" reserviert.)
Der obdachlose Schwammverkäufer Pi wird Zeuge eines Mordes. Eine Frau wurde angeschossen, sie hat überlebt, dennoch wird immer von Mord und dem gesuchten Mörder gesprochen. Vielleicht liegt ein großes Missverständnis ja schon im Titel. Die Tote im Pelzmantel ist nicht tot. Aber das weiß man ja schon neun Seiten nachdem sie angeschossen wurde ...
aufbau verlag/vargas, baudoin
Pi wird also Zeuge eines Schussattentats und verweigert der Polizei jede Auskunft. Warum sollte er jemandem helfen, wenn ihm auch niemand hilft? Der gerissene Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg findet jedoch einen Weg, den Obdachlosen zum Sprechen zu bringen. Dass dieser Weg kaum erzählt wird und dass das Feingefühl, für das Fred Vargas bekannt geworden ist, in dieser Comicadaption völlig ausgespart bleibt, verwundert. Ebenso wie die Tatsache, dass der Obdachlose, obwohl er sich "so flach wie möglich auf den Luftschacht der Metro gedrückt hat" später dem Kommissar einen Zettel übergeben kann, auf dem er alles aufgeschrieben hat "wie der Kerl aussah, sein Gang, seine Klamotten, was für eine Marke seine Karre war. Und zuletzt das Kennzeichen."
Die lieblose Verbindung von Text und Bild zeigt sich nicht nur in inhaltlichen Schwächen, sondern auch in formalen Fehlern, die ganz einfach nicht passieren dürfen. So steht inmitten einer Sprechblase von Pi "sagte Pi in herausforderndem Ton".
aufbau verlag/vargas, baudoin
Fast schon zynisch, wenn im Nachwort umfangreich erklärt wird, was eine Graphic Novel ausmacht und warum das Zusammenspiel von Wort und Bild so wichtig ist.
Unverständlich, warum dann das Lettering, also die Schrift in den Sprechblasen und auch der Text zwischen den Bildern, nicht von Hand geschrieben sind, sondern nur mit einer maschinellen Pseudohandschrift. Diese ist noch dazu nur in Großbuchstaben gesetzt und die Schriftgröße variiert je nach Platz in der Sprechblase.
So wirken die Seiten teilweise völlig überladen und in Kombination mit den rauen und groben Zeichnungen ergibt sich ein unruhiges Bild.
aufbau verlag/vargas, baudoin
Man wird das Gefühl nicht los, dass ein großer Verlag auf den gut laufenden Zug der Graphic Novels aufspringen will und ganz einfach auf bekannte Namen setzt. Aber so einfach geht das leider nicht.