Erstellt am: 2. 7. 2011 - 18:59 Uhr
Die FM4 Charts vom 2. Juli 2011
- Die FM4 Charts vom 25.6.2011
- Brand New - Die FM4 Neuvorstellungen der Woche: Hard-Fi - "Good For Nothing", Colourmusic - "Yes", Ja, Panik - "Suicide" und Metronomy - "The Bay"
Manchmal ist es gut, einen kleinen Schritt zurück zu machen, um perspektivisch wieder mehr Sinn für die Totale zu bekommen. Aus diesem Grund werde ich die nächsten Wochen dieses Forum nutzen, um mich selbst blitzlichtartig auf die Charts zu konzentrieren und die inhaltliche Debatte über das, was momentan die Mehrheit der Nachrichten füllt und Zeitungsschlagzeilen wie "Das Militär steht Gewehr bei Fuß" (in einem EU-Land!) induziert - also die Lage der Weltwirtschaft und dessen, was wir gemeinhin als "Kapitalismus" bezeichnen - anderen Menschen überlassen, die in diesem Bereich forschen und publizieren.
Den Anfang macht heute Dr. Otmar Pregetter, er ist Unternehmensberater und Co-Autor des kapitalismuskritischen Bestsellers "Das Ende des Geldes".
An dieser Stelle gibt es heute also den ersten von zwei Teilen eines Gastkommentars, den Dr. Pregetter zur Frage, ob die aktuellen krisenhaften Entwicklungen tatsächlich Anlass zur Sorge geben, Nationalismus und Faschismus könnten in diesem Biotop der Unsicherheit eine für unmöglich gehaltene Reinkarnation erleben.
Teil 2 erscheint dann heute in einer Woche, meine Zusammenfassung der dieswöchigen Charts findet ihr hier im Anschluss des Gastkommentars.
Führt der "Bankrott" des Euro zu einem neuen (wirtschaftlichen) Faschismus?
Angesichts des vom griechischen Parlament verabschiedeten Sparpaketes, die "Freude" darüber war von Merkel bis Faymann groß, das in seiner ökonomischen Dimension und Auswirkung von (fast) allen Ökonomen (H.W. Sinn, Stephan Schulmeister u.a.m.) abgelehnt wird, frage ich mich, ob diese Entscheidung wider jede Vernunft und gegen die Mehrheit der Bevölkerung (sind die Regierungen nicht den Mehrheiten in ihrem Land verpflichtet?) nicht zu einem neuen, wirtschaftlichen, Faschismus führt.
George Soros meinte letztes Wochenende bei einer Veranstaltung im Wiener Burgtheater: "Vor dem Crash kommt der Faschismus. Den Menschen bleibt nach Abzug von Steuern, Abgaben und Zinsen immer weniger zum Leben über. Die Grenzen dessen, was in einer Demokratie durchsetzbar ist, werden zwangsläufig irgendwann erreicht. Es folgt der Polizeistaat."
Wir leben längst in einer Plutokratie (Herrschaft der Vermögenden) da zum Einen die soziale Ungleichheit (in fast allen europäischen Ländern besitzen die unteren 60-80% der Bevölkerung nichts, währenddem auf die oberen 10% ca. 70-80% des gesamten Geldvermögens entfallen!) wuchs und zum Zweiten die Verfilzung der politischen Elite mit dem Geldadel (oft unter Ausschaltung der parlamentarischen Kontrolle) eine Dimension erreicht hat, die in dem schändlichen Schauspiel der "Rettung Griechenlands" ihren bisherigen Höhepunkt fand. Die Politiker bestätigen diese bedenkliche Entwicklung täglich, indem sie wie Getriebene den Befindlichkeiten der Finanzmärkte hinterher hecheln.
Die größte Finanzkrise seit 1929 offenbarte die totale Unterwerfung der Politik unter die internationalen Finanzalchimisten, wo 3 Player (Goldman Sachs, Deutsche Bank und J.P.Morgan) die Spielregel der internationalen Spekulation über den Hochfrequenzhandel nach Belieben diktieren. Die Basis dieser verheerenden Entwicklung legten die Parlamentarier mit den Gesetzen zur Deregulierung der Finanzmärkte selbst. Dies gilt insbesondere für das Gesetz, dass es den Finanzinstituten erlaubt, "außerbilanzielle Gesellschaften" zu gründen, was einer - direkten - Aufforderung Schwarzgeschäfte in zig Milliarden Höhe zu tätigen, gleichkommt.
Hinzu kommt ein Personenkult (Ackermann, Bernanke, Merkel, Obama), der mit einem autoritären Führungsanspruch den "vermeintlich demokratisch gesinnten" Politkern einfach ihre Bedingungen diktiert. Das beste Beispiel ist der deutsche Finanzminister, Schäuble, der ein Papier zur Griechenlandkrise von der Deutschen Bank 1: 1 übernahm.
2.000 Abänderungsanträge gab es im EU-Parlament, als es galt, über die neue Richtlinie zur Regulierung von Hedge-Fonds abzustimmen. Diese 2.000 Anträge wurden von verschiedenen Abgeordneten eingebracht - stimmten jedoch teilweise wortwörtlich überein! Dies sah der deutsche Parlamentarier Sven Giegold als Indiz, dass diese Anträge direkt von Lobbyisten und nicht von den EU-Mandataren kamen. Eine ähnliche Verwobenheit zeigte der Fall des Österreichers Strasser auf.
Zusätzlich höhlt der permanente Verfassungsbruch (expressis verbis Art § 125 NO-Bail-Out Gebot hat Verfassungsrang!) der EU, das Vertrauen der Bürger in die Demokratie und die Justiz aus. Frau Christine Lagarde (die designierte Chefin des IWF) hat den geplanten Verfassungsbruch, in einem Anflug von Arroganz, am 18. Dezember 2010 im Wall Street Journal öffentlich angekündigt.
The treaty of Lisbon was very straight-forward. NO bailout."
Auch der österreichische Bundeskanzler will sein über den Boulevard (Kronenzeitung) gegebenes Versprechen (künftig alle Änderungen des Lissabon-Vertrages einer Volksabstimmung zu unterziehen) nicht einhalten. Es handle sich ja nur um eine kleine Abänderung (gemeint ist das 750-Milliarden-Rettungspaket), meinte er - und wird dabei sowohl vom Boulevard als auch den Qualitätsmedien unterstützt, für die dies auch kein Thema mehr zu sein scheint ...
Der Kern des (finanz)wirtschaftlichen Faschismus liegt im Zins(es-zins) basierten Geldsystem, das seit ca. 3 Jahrhunderten immer wieder die Bevölkerung enteignet und für sämtliche Kriege, Depressionen, dem totalen Vermögensverlust und das immense Leid der Weltbevölkerung verantwortlich ist. Empfehlenswert ist der Bericht über John Law, dem Erfinder des Zentralbanken-Kapitalismus: "Und jetzt werden wir alle reich".
Franz Hörmann, Univ. Prof. an der Wirtschaftsuniversität Wien, stieß mit seinem Artikel vom 13. Oktober 2010 im Standard: "BANKEN ERFINDEN GELD AUS LUFT" eine längst überfällige Diskussion über dieses verheerende Geldsystem an. Großes Interesse bezeugen mehr als 15 Millionen Zugriffe über Google
Selbstverständlich stellen meine o. a. Beispiele nicht mal den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein dar. Die Leser können viele ähnliche Beispiele aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld anführen, dessen bin ich mir sicher.
Sowohl die Vorratsdaten-Speicherung als auch der Eingriff in die Pressefreiheit in Ungarn, zeigen auf, wie weit die Gesetze in die fundamentalen Bürgerrechte eingreifen. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass wir es mit einer sehr gefährlichen Entwicklung der Konzentration der Staatsmacht - bei einigen wenigen privaten Institutionen (Personen) - zu tun haben.
Der EURO ist eine politische Fehlkonstruktion
Ach was war das für eine Freude, als der Euro am 1.1.2002 die nationalen Währungen ablöste und zum neuen "Geld" für die Mitgliedsstaaten wurde. Alle kritischen Stimmen, deren gab es von ökonomischer Seite genug, wurden abgewürgt und als "Einzelmeinungen" (wie immer, wenn es darum geht, nur die eigene Ideologie durchzusetzen) diskreditiert.
Die wirtschaftlichen Einwände waren vor einer Dekade korrekt - und haben sich bewahrheitet:
- Griechenland, Italien, Belgien und andere Länder erfüllten schon bei Eintritt nicht die zuvor festgeschriebenen Kriterien, als auch ihre getürkten Ziffern allseits bekannt waren.
- Die Maastricht-Kriterien wurden zum einen völlig willkürlich festgelegt und lassen zum Zweiten keinerlei Flexibilität der Wirtschaftspolitik in einer Rezession zu.
- Gerade Deutschland und Frankreich schafften zwischen 2002 und 2006 die Kriterien nicht, was man unter "Ironie" abbuchen kann. In der Tagesschau der ARD vom 11. Mai 2004 kommentierte dies Eichel wie folgt: "Diese seien ein Propagandawerkzeug ohne Sinn".
- Seit den frühen 90er Jahren gab es einen Hartwährungsblock von Deutschland, Österreich und den Niederlanden - und jenen der Weichwährungsländer in Südeuropa.
- Viele Politiker haben bis heute nicht verstanden, dass sie mit dem Euro auch ihre Geldpolitik an die EZB abgaben und somit einen entscheidenden Teil ihrer wirtschaftspolitischen Souveränität verloren.
- Was blieb, ist die Fiskalpolitik, die nun auch mit der Schaffung eines EU-Finanzministeriums an die EU abgegeben werden soll. Der "Cäsarenwahn" der EU-Bürokratie scheint ungebrochen - trotz des nachweislichen Misserfolges seit mehr als zehn Jahren!
Das Versagen der Europäischen Zentralbank
Nun, wir hören immer wieder - landauf/landab - den "Sing-Song" der EZB, wie stabil der Euro sei und vor allem, wie gering die Inflation, das Hauptziel der europäischen Zentralbank, sich entwickelt habe. Die wirtschaftlichen Fakten hingegen ergeben ein völlig anderes Bild,
denn der Euro verlor gegenüber
- dem Schweizer Franken in 5 Jahren 22% - 1 Jahr - 7,6%,
- der schwedischen Krone in 1 Jahr ca. 4% - in 10 Jahren fast 10%,
- der tschechischen Krone in 5 Jahren 14,7% - in 10 Jahren jedoch 40% an Außenwert.
- Gegenüber dem US-Dollar legte der Euro seit 2004 um ca 8% zu, im Vergleich zu 2008 verlor er allerdings mehr als 10%.
Rein statistisch gesehen betrug die (Verbraucher)Inflation ca. 2% über die letzten Jahre. Das Wirtschaftsforschungsinstitut in Österreich erhob die Inflation für lebensnotwendige Güter - und kam auf einen Anstieg der Preise um 6,7% !
Zwischen 2000 und 2009 stieg die Geldmenge im Euroraum um 94%, das BIP aber nur um magere 14%. Die EZB ließ den Mindestreservensatz seit 2000 unverändert bei 2% (d.h. von 100 Euro Kreditvergabe müssen die Banken nur 2% bei der Zentralbank hinterlegen) und trug massiv dazu bei, dass es aufgrund dieser Überliquidität im Finanzsektor zu einer immensen "Asset-Price-Inflation" - sowohl bei Aktien (der DAX stieg von ca. 2.300 Punkte (2003) auf fast 8.000 (2008)) als auch den Gold, Silber und anderen Rohstoffen - kam.
Der Euro ist kein Erfolgskonzept, wie die ökonomischen Fakten klar beweisen!
Die neo-liberale Wirtschaftspolitik der EU / Eurozone führte in die Irre.
Die Wirtschaftspolitik der EU ist total an den Vorgaben der Weltbank und des IWF von 1990, dem "Washington Consensus", orientiert. Alle neo-liberalen Dogmen - Liberalisierung, Globalisierung, Privatisierung, Abbau des Staatseinflusses usw. - wurden in die EU-Verträge übernommen und seit 1989 unter dem Slogan "TINA :There Is No Alternative" mit religiöser Hingabe von (fast) allen Politikern, heruntergebetet.
Insbesondere das "Steuern-runter-Lied" (Mehr Brutto - vom Netto!) war die Maxime des wirtschaftspolitischen Mainstreams. Die Tabelle zeigt auf, dass genau jene Länder, die ihre Abgabenquote am meisten senkten - Griechenland, Spanien und Irland - die größte Zunahme an Staatsschulden ab 2008 hinnehmen mussten.
Otmar Pregetter
Durch die massenmediale Propaganda der "Standort-Konkurrenz" der Länder wurden nicht nur die sozialen Standards ausgehöhlt, sondern auch Umweltinvestitionen am Altar des "Wettbewerbs" geopfert.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass genau jene Länder die nicht der Eurozone angehören wie Schweden, Dänemark z.B. seit 10 Jahren eine ungleich bessere Entwicklung nahmen. Sie erzielten höhere Wachstumsraten (bei gleicher Inflation) bei deutlich geringerer sozialer Ungleichheit und haben eine geringerer Staatsverschuldung - die um ca. 50% unter jener des Euroraumes liegt!
Dass sie überdies seit Jahren am meisten für Bildung, Forschung & Entwicklung als auch für die Entwicklungshilfe ausgeben - zeigt die total verfehlte Wirtschaftspolitik der EU auf!
Teil 2 des Gastkommentars erscheint am 9.7., nun noch zu den heutigen Charts:
Da landet eine Band, die unlängst sehr umtriebig durch österreichische Gefilde purzelte auf Rang 3: Portugal. The Man kommen zwar ursprünglich aus Alaska, es scheint aber, als würden sie sich auf der Donauinsel und im Ländle auch wohlfühlen, immerhin haben sie dort in der letzten Woche jeweils einmal gespielt. Mit "Got It All" stellen sie heute Platz 3 der Charts.
Die Kaiser Chiefs, von allen Bands die momentan in den Charts sind wohl die Bestverdiener (die Strokes und die 9VBats mal ausgenommen) haben sich einen weiteren Platz nach oben geschraubt und schaffen mit "Little Shocks" nun Rang 2.
Und die neue Nummer 1 von FM4 kommt diese Woche von den Crystal Fighters und nennt sich "Plage".
Wer bisher durchgelesen hat, bedanke ich für sein/ihr Durchhaltevermögen und verbleibe mit den besten Wünschen auf ein feines, erstes Juliwochenende. Mögen alle Wesen in Frieden sein.