Erstellt am: 24. 6. 2011 - 19:43 Uhr
"Wir sind Fußballerinnen"
Ein "Sommermärchen" soll die Veranstaltung werden, in Anlehnung an die Männerweltmeisterschaft 2006. Und dieses Sommermärchen könnte einen besseren Ausgang haben, als die Niederlage der deutschen Männer im Halbfinale gegen Italien - das deutsche Team ist schließlich Titelverteidigerin. Und eines von drei Teams, das bisher diesen Titel erreicht hat - Weltmeisterschaften gibt es schließlich erst seit 1991.
16 Teams treten bei der Weltmeisterschaft an, aus Europa, Asien, Nord- und Südamerika, Afrika und Ozeanien - die Zusammensetzung des Feldes ist genauso international wie bei anderen, ähnlichen Großveranstaltungen. Favoritinnen sind wohl die Gastgeberinnen, Deutschland, sowie die Usa und Brasilien, eine Überraschung könnte eines der asiatischen Teams schaffen.
Aber Frauenfußball schon viel länger, als dieses Datum vermuten lässt. Aus der chinesischen Han-Dynastie, 200 n. Chr., gibt es ein Relief, das zwei Frauen zeigt, die mit einem - so vermutet man - Lederball spielen. Aber dennoch hat sich Frauenfußball über die Jahre schwer getan, gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen. Die Entwicklung des Frauenfußballs verläuft annähernd parallel zur Erstreitung von Frauenrechten. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, in einer Phase, als Frauen sich in der Gesellschaft vorher verschlossene Räume und Lebensbereiche erobern, gibt es eine erste Blütezeit. Die ersten Frauenmannschaften bildeten sich, etwa die englischen Dick Kerrs Ladies, die so erfolgreich sind, dass ihre Spiele von mehreren Zehntausenden ZuschauerInnen besucht werden. Und auch Österreich zählte damals zu den Vorreitern. 1924 gründete sich der 1. Wiener Damenfußballklub "Diana", 1936 trugen neun Vereine - alle aus dem Großraum Wien - die erste Meisterschaft aus.

Matthias Marschik:
Siehe dazu auch Eine kleine Geschichte des Frauenfußballs, ein Überblick über Meilen- und Mühlsteine des Frauenfußballs: Von den Dick Kerrs Ladies, einem Kaffeservice als Prämie für den Europameisterinnen-Titel, der Soccer-Barbie bis hin zu Lira Bajramaj
Doch durch Nationalsozialismus und Austrofaschismus, wo bürgerlich-christliche Werte radikalisiert werden, erhält diese Entwicklung einen jähen Bruch. Während des zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit, in der die "Hausfrau" das propagierte Idealbild der Frau ist, bleiben Frauen aus den für kurze Zeit eroberten Räumen ausgeschlossen. So argumentiert der Deutsche Fußballbund noch 1955, dass "Kampfsport der Natur des Weibes im wesentlichen fremd" sei, dass "Körper und Seele Schaden erleiden" würden und dass Fußball für Frauen nicht schicklich sei. In weiten Teilen Europas hält sich das von den Fußballverbänden ausgesprochene Verbot von Frauenfußball bis in die 70er des letzten Jahrhunderts.
Langer Kampf um Anerkennung
Der mediale Aufmerksamkeitstrubel, der durch die Ausrichtung der Weltmeisterschaft in Deutschland gerade herrscht, verstellt ein wenig den Blick darauf, das dieser Kampf um gesellschaftliche Anerkennung noch nicht zu Ende ist. So haben das französische Team bei einem Medientag vor dieser Weltmeisterschaft ein großes Transparent über ihr Trainingscamp gehängt: "Wir sind Fußballerinnen, keine ballspielenden Mädchen". Und haben zum Abschluss der Interviews die vermutlich großteils männlichen Sportjournalisten mit aufs Feld genommen: Damit die am eigenen Leib erfahren können, wie gut die einzelnen Fußball spielen können.
Siehe auch "Fußball: Arena der Männlichkeit" auf science.ORF.at
Überall dort, wo Männerfußball vorherrschender Nationalsport ist, hat es Frauenfußball schwer, denn dort wird Fußball mit Männlichkeit gleichgesetzt. In den USA, wo Fußball hinter American Football, Basketball und Baseball nur ein Sport unter vielen ist, machen Frauen und Mädchen immerhin 40% aller in Vereinen organisierten FußballspielerInnen aus. Und in Asien, wo Fußball erst relativ spät populär wurde, ist es sozusagen ein "Trendsport", der sowohl für Männer als auch für Frauen gleich offensteht. Das mag auch der Grund dafür sein, dass das erste kontinentale Frauenfußballturnier in Asien stattfand: Die ersten Asienmeisterschaften wurden 1975 ausgetragen, immerhin neun Jahre vor der ersten Europameisterschaft.
Die Geschichte des Frauenfußballs in Fußballverbänden wie FIFA, AFC oder UEFA ist noch nicht so alt. Nach mehreren inoffziellen Turnieren fand die erste FIFA-Weltmeisterschaft gerade mal vor 20 Jahren statt. Erst seit dieser Zeit gibt es Strukturen zur Förderung und Unterstützung von Frauenfußball. Dieser zeitliche Rückstand zeigt sich auch in der Ausbildung der Spielerinnen. So hat etwa Marta, die derzeit wohl beste und spektakulärste Spielerin der Welt, erst mit 14 mit Vereinsfußball begonnen, ihre Kolleginnen in der brasilianischen Nationalmannschaft haben teilweise erst mit 17 oder 18 begonnen, in Fußballteams zu spielen. Das Ausbildungsdefizit ist nur schwer aufzuholen und es ist fast überall so: Mädchen haben selten eine durchgängige Vereinskarriere, beginnnen zumeist später als ihre männlichen Altersgenossen mit Vereinsfußball und lernen taktische und spielerische Regeln viel später. Gute Einzelspielerinnen wie Marta ergeben selten ein gutes Team - dennoch zählen die Brasilianerinnen neben den deutschen Frauen und den immergefährlichen USA zu den Favoritinnen.
Aber kann man denn von Frauenfußball leben? Das ist eine Frage, die immer wieder gern diskutiert wird, und neben anderen Stammtisch-Niveau-Argumenten beweisen soll, dass Frauenfußball im Gegensatz zu Männerfußball keine Ernst zu nehmende Sportart sei. Doch der Vergleich ist müßig. Frauen verdienen in allen Sportarten weniger als Männer, in manchen Sportarten können nicht mal Olympiasieger vom Sport leben. Der Frauenfußball ist erst am Beginn und hat noch viel Potential. Die erste wirklich ausgebildete Spielerinnen-Generation macht gerade ihre erste Erfahrung auf internationaler Ebene, in den USA läuft der zweite Versuch einer Profi-Liga immerhin schon in der vierten Saison. Und die Ligen in Schweden und Deutschland sind stark, andere Länder ziehen nach. Mit der Aufmerksamkeit kommen auch die SponsorInnen und das Fernsehen und damit Kontinuität.
Nur als Anmerkung, weil ein eigenes, weites Feld: Die Problematik ist schon da, siehe das mediale Bild der "sexy Fußballerin".
Frauenfußball ist ein Sport wie jeder andere, durch die Entwicklung kommt auch die Problematik der Kommerzialisierung. Außerdem ist Fußball eine der am zugänglichsten Sportarten überhaupt und macht nun mal Spaß, egal ob selbst gespielt oder vor dem Fernseher. Und ich wollte eigentlich auch gar nicht über geschichtliche Hintergründe und andere Basics schreiben, sondern mich mit dem Sport beschäftigen...
Gruppe A: GER, CAN, NGA, FRA
Von den insgesamt sechs Trainerinnen bei diesem Turnier sind in drei in dieser Gruppe. Deutschland, trainiert von Silvia Neid, wird nach der Vorrunde wohl auf Platz eins stehen, alles andere wäre eine große Überraschung. Dahinter gibt es einen offenen Kampf. Sowohl Frankreich als auch Kanada haben sich ohne Niederlage für das Turnier qualifiziert. Und die Super Falcons aus Nigeria dominieren den Fußball in Afrika, haben aber bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen noch nicht viel vorzuweisen - vielleicht klappt es diesmal, eine junge, starke Generation kommt nach.
GRUPPE B: JPN, NZL, MEX, ENG
Die Japanerinnen haben keine einfache Gruppe erwischt. Mexiko hat in der Qualifikation überraschend die USA geschlagen und damit in die Relegation geschickt.England tritt wieder mit ihrem Star Kelly Smith an und Neuseeland ist die unbekannte Größe in der Gruppe: Für sie gibt es nicht allzuviele mögliche Testspielgegnerinnen, ohne gleich eine Weltreise antreten zu müssen.
Guppe C: USA, PRK, COL, SWE
Tipp: "Hana, dul, sed", eine Doku über das nordkoreanische Frauenfußball-Team läuft derzeit im Wiener Stadtkino
In der Gruppe C treffen die zweifachen Weltmeisterinnen und dreifachen Olympiasiegerinnen aus den USA auf Nordkorea – das wird ein heißes Duell, nicht nur aus politischen Gründen. Nordkorea hat in den letzten zehn Jahren dreimal den Asien Cup gewonnen, und im Frauenfußball ist Asien eine Macht. Mit Ex-Europameisterin Schweden ist eine dritte Favoritin in der Gruppe C dabei. Zwischen den drei Teams geht es wohl um die beiden Plätze fürs Viertelfinale, die Kolumbianerinnen sind wohl nur Außenseiterinnen. Die Cafeteras, wie sie genannt werden, sind das erste Mal bei einer WM und spielen dabei auch das erste Mal gegen Teams, die nicht aus Südamerika kommen. Aber dass auch in Südamerika guten Fußball gespielt wird, beweist Brasilien.
Gruppe D: BRA, AUS, NOR, EQG
Brasilien gehört auf jeden Fall zu den Favoritinnen. Ihr Ziel ist es, endlich einen großen Titel zu erringen, nachdem sie bei den letzten Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen jeweils im Finale gescheitert sind. Auf dem Weg ins Finale müssen sie aber erstmal gegen Norwegen, die immerhin auch schon mal Weltmeisterinnen waren und gegen Australien bestehen. Und gegen Äquatorial Guinea.
Die Qualifikation des Teams aus einem der kleinsten Staaten Afrikas war eine große Überraschung. Öffentliche Gerüchte und Vorwürfe kursierten bald über das Team, das bislang noch wenig Erfolg hatte. So ging unter anderem das Gerücht um, dass bei den letzten Afrikameisterschaften Männer mitgespielt hätten. Zwei der als Mann-Beschuldigten sind heuer nicht im Team, scheinbar aus Verletzungsgründen. Die dritte Beschuldigte, Genoveva Anonma, ist der Star des Teams und spielt in der deutschen Bundesliga, bei Turbine Potsdam. Sie hat schon mehrere Gendertests über sich ergehen lassen müssen. Die Fifa verzichtete auf eine formale Untersuchung – jedoch ist dieses Problem in vielen Bereichen des Frauensports zu finden und nicht nur eine Frage von männlicher versus weiblicher Körper. Sondern eben auch, wie die Läuferin Caster Semanya einer breiteren Öffentlichkeit klargemacht hat, ist die Grenze zwischen was ist Frau und was ist Mann nicht so einfach zu ziehen, wie es die Gesellschaft gerne tut.