Erstellt am: 25. 6. 2011 - 04:32 Uhr
Es darf geheiratet werden
Das lange Warten
Zuletzt hat sich das gezogen, wie eines dieser überlangen Gitarrensoli in einem Rush-Song. Denn eigentlich hätte es schon am Montag passieren sollen, doch erst Freitagnacht ist es in Albany zur Abstimmung über die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Eheschließungen gekommen. Schuld an der Verzögerung war einmal mehr das berüchtigte Gesetzgebungsprodzedere des New Yorker Parlaments, das ungewöhnlich viele Schlupflöcher und Verzögerungsmechanismen kennt.
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Das Unterhaus, die sogenannte New York State Assembly, ist in der Hand der Demokraten und hat bereits am 15. Juni mit großen Mehrheit die von Govenor Andrew Cuomo (D) initiierte Same-Sex-Marriage Bill verabschiedet. Von der Assembly ist das Gesetz in die zweite Kammer, den New York State Senate gewandert, den die Republikaner kontrollieren. Bekanntlich sind die Konservativen in Sachen Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften eher wenig aufgeschlossen und nicht selten christlichen Lobbies und Vorfeldorganisationen verpflichtet. In den vergangen Jahren ist das Gesetz bereits drei Mal (auch mit Stimmen der Demokraten) abgeschossen worden. Warum dieses Mal die Zeichen schon von Beginn an auf Erfolg standen, lag an der ungewöhnlichen Pro-Stimmung unter den Abgeordneten des State Senate, die sich in einem Patt ausdrückte. 31 Mandatare bekannten sich öffentlich zur Gleichstellung homosexueller Ehen (davon zwei Republikaner), 31 dagegen (davon ein Demokrat, Reverend Rubén Díaz, dessen Enkeltochter eine bekennende Lesbe ist).
AP
Nun lag alles in den Händen des Mehrheitsführers des Senats, Dean G. Skelos von den Republikanern, der persönlich gegen die Homoehe ist, sich politisch aber kompromissbereit zeigte. Eine Schlüsselrolle kam Skelos deshalb zu, weil der Senat nicht einfach über das Gesetz abstimmen konnte. Allein der Mehrheitsführer der Kammer entscheidet, ob eine Vorlage zur Abstimmung gelangt. Kein Wunder, dass eine Studie der New York University zum Schluss gekommen ist, dass die Gesetzgebung des Staates NY die „most dysfunctional in the nation“ ist, wie es Jon Stewart in der Daily Show am Donnerstag formulierte. Die Republikaner machten die Abstimmung von verschiedenen Garantien abhängig, die die Interessen christlicher Instiutionen schützen sollten, etwa in Fragen des Klagerechtes bei Verweigerung von Eheschließungen durch bestimmte Kirchen oder bei Adoptionen von Kindern, die häufig über christliche Vermittlungsagenturen abgewickelt werden. Sollte die Vorlage in diesem Sinn geändert werden, würden zwei weitere Republikaner mit Ja stimmen, so munkelte man in Albany.
Proteste und Paraden
Bereits am Sonntag haben verschiedene LGBT (Lesbian Gay Bisexual Transgender) Gruppen mit Versammlungen in New York und Albany Stimmung für die letzte Gesetzgebungs-Session vor der Sommerpause gemacht. Ich habe mit einigen VetreterInnen von Queer Rising vor der geschichtsträchtigen Bar Stonewall Inn in Greenwhich Village gesprochen. Sie zeigten sich zuversichtlich, dass das Gesetz noch am Montag verabschiedet würde.
Albany Times Union
Schlussendlich hat es dann doch bis Freitagnacht gedauert. Nach mehreren Änderungen des Textes ist das Gesetz mit 33 zu 29 Stimmen verabschiedet worden. Der Jubel bei der am Sonntag stattfindenden Pride-Parade in Manhattan dürfte ziemlich rosarot werden. Dem Beschluss in Albany misst man Signalwirkung für die nationale Gesetzgebung bei. New York ist der sechste und bisher größte US-Bundesstaat, in dem sich fortan männliche/männliche und weibliche/weibliche Stimmbänder das Ja-Wort geben dürfen.
Neben der Option auf die Institution Ehe geht es bei der Legalisierung um die Gleichstellung beim Erbschaftsrecht, bei der Versicherung, im Krankheitsfall und beim Steuerrecht. Zuvor konnte man bereits in einem anderen Staat geschlossene Ehen in New York anerkennen lassen. Das Prozedere war jedoch langwierig und finanziell wesentlich aufwendiger als die Lösung einer normalen Wedding License (meine Heten-Lizenz hat vor drei Jahren 27 Dollar gekostet, die Extra-Zeremonie im Standesamt in Brooklyn schlug sich mit einem zusätzlichen 20er nieder).
metromix.com
Präsident Obama hat übrigens am Donnerstag in New York bei seinem ersten Fundraiser vor queerem Publikum die Gleichberechtigung aller Partnerschaften gefordert, jedoch wieder einmal ohne sich dezitiert für die Legalisierung der Homoehe auszusprechen. Man geht zwar davon aus, dass Obama Pro-Marriage ist, doch ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl regiert das politische Kalkül in Richtung Mitte. Obwohl Umfragen in der US-Bevölkerung ein stetiges Anwachsen der Zustimmung ausmachen wollen, ist der Weg zum Altar für viele gleichgeschlechtliche Paare noch ein weiter.
Dennoch, die Weichen sind gestellt. Wie schon Justin Vivian Bond mittels einer Scott Matthew Komposition im Shortbus Soundtrack singt: "And we all get it in the end".