Erstellt am: 23. 6. 2011 - 00:56 Uhr
Alle gegen den Duke
"I'm not gonna fight you. I'm gonna kick your ass!" - Das ist nur einer der vielen blöden Sprüche des muskelschweren, wasserstoffblonden Macho-Clowns Duke Nukem. In den frühen 1990er Jahren war der Computerspielheld noch ein kleines, buntes Männchen in einem Hüpfspiel - doch irgendwann ist er der Protagonist eines politisch unkorrekten, und überdrehten Klamauk-Egoshooters geworden. Seither ist Duke Nukem eine Games-Legende.
Auf zur Nostalgie
Jeder, der männlich, um die 30 Jahre alt ist und in seinen Teenagerjahren Computerspiele gespielt hat, wird sich wohlig zurückerinnern: an die Spiel gewordene Sammlung pubertärer Witze namens "Duke Nukem 3D" (1996). Das Game ist heute ein Klassiker, ebenso wie die Tradition liebgewonnen war, dass der Nachfolger "Duke Nukem Forever" - Ende 1996 in Produktion gegangen - nie erscheinen würde. Es war einer der längsten Running Gags in der Geschichte der Games-Kultur - bis "Duke Nukem Forever" vor gut einer Woche nun eben doch noch veröffentlicht wurde.
Dass das Game nach 15-jähriger Reifung mit unzähligen finanziellen und personellen Verstrickungen sich nun selbst auf den Arm nimmt, ist Ehrensache. Ebenso wie die 1:1 in die Jetztzeit übernommene, überzogene Macho- und Badass-Welt von damals, voller Babes, Aliens, großer Waffen und doofer Einzeiler. Weil der Duke ständig politisch unkorrekt und sexistisch ist, ist er selbst natürlich die größte Witzfigur. Doch er nimmt‘s mit Humor und lässt sich nicht unterkriegen - etwa, wenn er auf Kleintiergröße geschrumpft wird und sich so seinen Fans stellen muss. Mutig steht er seinen Mann und tönt zu einem 10-jährigen stolz, dass er kein Spielzeug sei sondern eine Action-Figur.
Doch jetzt wollen sie ihn nicht mehr
"Duke Nukem Forever" ist technisch ebenso simpel wie spielerisch geradlinig ausgefallen, genauso stumpf wie unterhaltsam. Es ist Fast Food mit jeder Menge Geschmacksverstärkern und pickigem Eistee dazu. Das ist weder schick noch gesund, manchmal aber doch ein großer Genuss - wenn man es zulässt. Doch so schnödes Abwägen interessiert viele Rezensenten nicht - sie sind erst mal beleidigt. Vor allem wegen des Umstandes, dass das Spiel so lange in Entwicklung war (obwohl es in den 15 Jahren die meiste Zeit auf Eis lag), hat die internationale Games-Presse in einem kollektiven Schulterschluss das Spiel in Grund und Boden kritisiert. Man wäre hier nicht auf der Höhe der Zeit, schreiben sie; die Testosteron gesteuerten Kino-Action-Helden, die 1996 mittels Duke Nukem parodiert worden waren, gäbe es doch schon längst nicht mehr. Mag alles sein. Fest steht, dass das Spiel trotzdem Spaß macht und mit seinen plakativ doofen Inhalten und seiner unverblümten Blödheit weniger zweifelhaft und ein amüsanteres Refugium ist als bierernste und grafisch aufgebohrte Weltkriegsshooter.
2K Games
Mit zweierlei Maß
Sie misst nicht zum ersten Mal mit zweierlei Maß, die sich stark selbst inspirierende Welt des Videospieljournalismus. Man liest sich natürlich gegenseitig, und ehe man sich versieht, schwimmt man schon mit der vorherrschenden Kritikermeinung zu einem bestimmten Game mit, als seinen persönlichen Eindrücken zu vertrauen. Im Fall von "Duke Nukem Forever" ist es interessant, dass nicht nur ein wichtiges Spiel eines großen Publishers (2K Games) unisono geköpft wird (dessen PR-Agentur bereits heftig Schaum geschlagen hat) sondern man auch eine über Jahre gewachsene Szene-Ikone vorschnell verstößt. Vermutlich war die für viele ernüchternde Tatsache ausschlaggebend, dass aus einer schrulligen Versagensgeschichte nun doch noch ein handfestes Spiel geworden ist.
2K Games
"Duke Nukem Forever" von 3D Realms / Triptych / Gearbox ist im Vertrieb von 2K für PC Windows, PS3 und Xbox 360 erschienen.
Offiziell beschwert man sich über Dinge wie rückständige Präsentation und überholte Spielinhalte. Interessant: Seit wann sind jetzt, in der Zeit der so oft gleichförmig aussehenden Facebook- und Smartphone-Spiele Grafik und visueller Stil plötzlich wieder so essentiell? Und wie kann man sich ernsthaft über angeblich veraltete Spielprinzipien aufregen, wenn man selbst gerade das fünfte Level-Pack von "Angry Birds" und die x-te Match-3-Variation fürs Handy runtergeladen hat? Ist es soviel wertvoller, gegen die Feuerkraft der Locust hinter Steinwänden in Deckung zu gehen als mit den wütenden Pigcops Ringelreia zu spielen, wie man es früher auch mit den Cyberdemons in "Doom" getan hat? Egal, der Duke muss trotzdem dran glauben, schließlich hat er ihnen ihre schadenfrohe Tradition zerstört. Wer hätte gedacht, dass Dukes Asskicking so subversiv zu verstehen war?