Erstellt am: 22. 6. 2011 - 16:27 Uhr
Diana Vreeland: "Allure. Der Roman meines Lebens."
Horst P. Horst
"Allure. Der Roman meines Lebens" von Diana Vreeland ist 2011 im Verlag SchirmerMosel erschienen, in der übrigens aus-ge-zeichneten Übersetzung von Ursula Wulfekamp.
"Ich bin überzeugt, dass ich es mir aussuchte, in Paris zur Welt zu kommen. Ich bin überzeugt, dass ich mir meine Eltern wählte. Ich bin überzeugt, dass ich mir den Namen Diana aussuchte. Und ich bin überzeugt, dass ich dafür sorgte, ein Kindermädchen namens 'Pink' zu haben. Fragen Sie mich nicht nach ihren weiteren Namen. Menschen, die 'Pink' heißen, haben keine weiteren Namen."
Das ist ein Buch, das man am besten im Schwimmbad liest, in goldenen Sandalen. Ein glamouröses Buch! Die Memoiren der flamboyanten US-Vogue Chefredakteurin Diana Vreeland, soeben erstmals auf Deutsch erschienen. Die amtierende US-Vogue-Chefin und damit weltweit mächtigste Modefrau Anna Wintour - mit ihrem Eisgesicht und perfekten Pagenkopf - wirkt im Vergleich zu ihrer Vorgängerin Vreeland wie ein braves mausiges Schulmädchen.
"Allure" ist keine Anleitung à la "Wie leite ich erfolgreich ein Modemagazin?" oder "Was ziehe ich heute an?" und schon gar nicht ist das ein Buch der Sorte "Oma erzählt vom Krieg", wie bei den Memoiren von Hildegard Knef ("Der geschenkte Gaul") oder Coco Chanel ("Die Kunst, Chanel zu sein"). "Allure" ist der Standpunkt einer durch und durch modernen Frau, das Gegenstück zu Stefan Zweigs sentimentaler "Welt von Gestern".
Diana Vreeland begann ihre Karriere als Kolumnistin und Redakteurin für die Modezeitschrift Harper’s Bazaar. 1962 bis 1972 war sie Chefredakteurin der amerikanischen Vogue. 1971 wurde sie Beraterin des Metropolitan Museum of Art für den Bereich Mode und kuratierte große Ausstellungen.
Costume Institute
Diana Vreeland, reich und als Mitglied der High Society geboren, pendelt schon als Kind zwischen Europa und Amerika. Vreeland plaudert, will amüsieren, ja sie gibt sogar zu, dass ihre Geschichten mit der Zeit wie von selbst immer großartiger und großartiger werden. Aber sie bewahrt immer Haltung, selbst bei Geschichten über Tod und Selbstmord und ihre enttäuschte Mutter.
Was für dekadente Partys und berühmte Leute da in den Anekdoten lebendig werden! Greta Garbo, Twiggy, Andy Warhol, Dhiagilew von den ballets russes, Coco Chanel, oder die Tänzerin Josephine Baker.
fritz lang
"Eines Abends in Paris (...) ging ich mit einer Freundin in ein kleines Lichtspieltheater (...) um den Film "die Herrin von Atlantis" mit der wunderbaren Brigitte Helm zu sehen.
Drei Soldaten der Fremdenlegion, die sich verirrt haben (...) sind in der Oase, sie sehen Brigitte Helm, diese göttliche Frau, die auf einem Thron sitzt, umgeben von Geparden! Die Geparden räkeln sich in der Sonne. Brigitte Helm richtet den Blick auf die Soldaten. Einer von ihnen nähert sich. Sie reicht ihm ein Glas Champagner, er trinkt es. Sie nimmt ihm das Glas ab, zerbricht es, trennt ihm damit den Hals durch (...) Ich war gebannt.
Und dann, dann gingen die Lichter an, ich spürte eine kleine Bewegung unter meiner Hand. Ich schaute nach unten - es war ein Gepard! Und neben dem Geparden saß Josephine Baker! "Oh", sagte ich, "Sie haben Ihren Geparden hergebracht, damit er die Geparde sehen kann!" "Ja", sagte sie, "genau."
Natürlich gibt es auch genug Oma-Sprüche von Diana Vreeland, die 86 Jahre alt wurde: Geh nicht müde zu Bett, oder putz unbedingt die Sohlen deiner Schuhe.
Vreeland daheim im Salon. "I want this place to look like a garden, but a garden in hell. Red is the great clarifier -- bright and revealing. I can't imagine becoming bored with red -- it would be like becoming bored with the person you love."
Diana Vreeland
Aber das Buch tropft vor Glamour. Es ist so saftig, dass man sich manchmal direkt eine Revolution herbeiwünscht, in der sich die armen Amerikaner auflehnen gegen die oberen Zehntausend. Es gibt seitenlange Exkurse über Männer, die besonders elegant den Hut ziehen konnten, über die versunkene Welt, in der Damen der Gesellschaft für ein Nachthemd dreimal zur Anprobe zum Schneider gingen, und in der das Mädchen Diana ein ganz großes Herz für Kutschpferde hatte.
Weitere Leseempfehlungen:
Das war eine Generation! Wir sprechen von der Martini-Ära. Damals stiegen die Herren aus dem Wagen, um einen zur Haustür zu begleiten, sie schwankten ein wenig und fielen auf den Bürgersteig. Man selbst ging ins Haus, und sie blieben auf dem Bürgersteig liegen. Dann kümmerte sich unweigerlich der Chauffeur oder Taxifahrer um den Herrn.
Der Martini der Zwanziger war entsetzlich.
Das Buch tropft vor Glamour. Es ist so saftig, dass man sich manchmal direkt eine Revolution herbeiwünscht, in der sich die armen Amerikaner auflehnen gegen die oberen Zehntausend.