Erstellt am: 20. 6. 2011 - 14:02 Uhr
Arabic Graffiti
"During a revolution it's not only the artist that makes the graffiti. Everyone is making the graffiti with a can, a brush, a pen or even a lipstick" erzählt Pascal Zohgbi. So sei das auch 2005 im Libanon gewesen und deswegen habe er sich überhaupt für dieses Thema interessiert.
Der libanesische Typograph Pascal Zoghbi war Vortragender bei der Typo Berlin 2011.
Seine Arbeiten findet man auf 29arabicletters.com
Pascal hat im Libanon Grafik und Typographie studiert und dort auch als Grafiker gearbeitet. Während 2005 im Libanon die sogenannte Zedern-Revolution ausbricht, in der die Syrer aus dem Land vertrieben wurden, macht er gerade in Holland seinen Master. Er kehrt zurück in den Libanon und bemerkt die vielen Graffitis auf der Straße. Prinzipiell habe man zwei Themen feststellen können: einerseits politische Nachrichten, die hauptsächlich gegen, vereinzelt aber auch für die Syrer waren und andererseits Nachrichten von Leuten, die ganz einfach ihren Zorn und Ärger zeigten: "That’s enough" , "We’re fed up", "Leave us".
Pascal Zohgbi & Don
Nachdem die Revolution vorbei war, wurden auch die politischen Graffitis weniger, erinnert sich Pascal. An deren Platz traten "social graffitis", die den Alltag zum Thema hatten.
2005 beginnt Pascal die Graffitis zu fotografieren und auf seinen Blog 29letters.wordpress.com zu stellen. "I became like the documenting person of what was happening in Beirut – online and in the typographic community."
Die ersten vier Jahre hat er nur Graffitis aus dem Libanon gesammelt, später aber auch beobachtet, was in Palästina, Ägypten oder im mittleren Osten passiert. Dort hätten die meisten Graffitis eine klare Nachricht oder zeigen den Ärger der Bevölkerung. Graffitis seien nicht so wie in Europa oder in den USA "artistic stuff" oder nur der "tag" der Künstler. "Because they don’t have extreme political problems as we have."
Pascal Zohgbi & Don
Graffitis und Revolutionen beeinflussen sich gegenseitig. "We think that some revolutions make people do some graffitis and some graffitis make people go out to streets and make a revolution."
In einigen Ländern im mittleren Osten ist es verboten, Graffitis anzubringen. Pascal Zoghbi erzählt von Beispielen in Syrien, in denen Jugendlichen die Fingernägel ausgerissen wurden oder von einem jungen Künstler in Libyen, der Gaddafi zeichnete und daraufhin umgebracht worden sei. Machthaber fürchten offensichtlich die unkontrollierbare Kraft von Graffitis. "It is a very strong tool people are using." Vor allem sei das der Fall, wenn die Regierung alle Medien kontrolliere und die Bevölkerung ihre Meinung nur mehr an Wänden veröffentlichen kann.
Pascal Zohgbi & Don
(Clara Trischler über die Mauer zwischen Israel und dem Westjordanland)
In den meisten arabischen Ländern sei es daher gefährlich, Graffitis zu zeichnen. In Palästina sei es in gewisser Entfernung zur Grenzmauer möglich, und nur im Libanon seien Graffitis legal. Jede und jeder darf an öffentliche Mauern schreiben, unter bestimmten Auflagen: Es darf keine private Mauer sein und die Nachricht darf sich nicht direkt an eine bestimmte Führungsperson richten.
Deswegen sei Beirut bei internationalen Sprayern auch so beliebt, meint Pascal Zoghbi.
Und so ist auch der Berliner Street-Artist Stone aka Don Karl 2008 nach Beirut gekommen, um dort einen Workshop über Graffititechniken zu geben: "Bombing Beirut".
Pascal Zohgbi & Don "Stone" Karl
Pascal Zoghbi ist ihm mit seinem Blog aufgefallen und war daher der ideale Partner für Übersetzungen. Jetzt haben Stone und Zoghbi das Buch "Arabic Graffiti" herausgegeben. Einige Artikel aus dem Blog wurden dafür überarbeitet, es finden sich aber auch andere Autoren aus Bahrain oder Kairo im Band.
"Arabic Graffiti" ist ein gelungenes Sammelwerk, das mit einer Einführung in die arabische Schrift, Kalligraphie und Handwerk den Übergang schafft zu öffentlicher Kunst, zur Verwendung und Bedeutung von verschiedenen Schildern im Alltag und zu Graffitis im Mittleren Osten.
Die Autoren stellen verschiedenste arabische Street-Artists und deren Arbeiten vor. Die meisten Street-Artists seien männlich, jung und kommen aus einer Subkultur: Designer, Künstler oder Musiker. Nur vereinzelt sprayen auch Frauen.
Bei den gezeigten Arbeiten handelt es sich um teilweise großartige Schriftzüge, die in Kalligraphie übergehen. Ein kurzer Abschnitt über von der arabischen Graffiti-Szene beeinflusste und inspirierte Typographie und Design runden das bemerkenswerte Buch ab.