Erstellt am: 19. 6. 2011 - 13:56 Uhr
Song Zum Sonntag: Hotel Morphila Orchester
Peter Weibel ist Peter Weibel und was seins ist ist seins.
Er ist der fleißigste und wortgewandteste Kunsttheorethiker der Welt. In einer Mischung aus Narrentum und Scharfsinnigkeit treibt der Grazer Künstler und Kunstkurator seine Kritiker seit den sechziger Jahren vor sich her. Seine unvergleichliche, verschmitzte Vortragsart bedient sich spontaner Assoziationsketten, die in einem alles gleichzeitig verhandelnden Schwall aus Versatzstücken auf Kollegen, Medienkonsumenten und die Öffentlichkeit niederprasseln.
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Dabei wird mit Hilfe von Einzelteilen aus klassischer Kunstgeschichte, postmoderner Philosophie, Medientheorie, Linguistik, Semiotik, Popkultur, Metakritik, Mathematik, Kybernetik und Gesellschaftskritik ein sprachliches Gesamtkunstwerk erzeugt, das immer über Weibel schwebt, auch / oder gerade wenn er in gesellschaftliche Diskurse eingreift.
Gerade weil eine (latent ohnehin kunst- und intellektuellenfeindliche sowie humorlose, also österreichische) Öffentlichkeit sich gegen Weibel einschießt - seine Ideen und seine Reden waren für mich zumindest immer ein herrlicher Spaß. Zuletzt seine "Rufer in der Wüste" Rolle beim Club 2 anläßlich des Todes von Peter Alexander, wo er in obgenannter Art dem Verstorbenen (und dem Österreich, das von ihm geprägt wurde) eine Einordnung in die Gegen/ Popkultur der Sixties zukommen ließ, die in 3 Nebensätzen Alexanders Idylle als reaktionär "aufdeckte". Ein Gemeinplatz, den jeder wusste, aber Weibel sprach ihn aus.
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über Peter Weibel macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Aus seinem Bedürfnis heraus, auch den damals aktuellen und dem Naturell Peter Weibels sehr zupaß kommenden New Wave mitzugestellten, entstand 1978 das Hotel Morphila Orchester, das er kürzlich wiederbelebte. Da in dieser Kolumne oft (manchmal auch unverhältnismäßig) versucht wird, Songs wie Messages oder Gedichte zu lesen, passt Peter Weibel hier perfekt hinein: Mit einem an Jandl und Cummings angelehnten assoziativen Wortspiel kann Peter Weibel so über sich sprechen und über die Kunst, über den Zustand des postfordistischen Kapitalismus in der "Ich AG" Gesellschaft und deren Überwindung: Indem man Dinge zu sich herholt, die noch einem selber gehören: Sprache, Dank, Hilfe, Natur, Wort. Eigensinn, Eigenlob, Eigennutz, Eigenleben,
Dazu bricht aus dem - immer noch hauptsächlich an Jah Wobble und Keith Levene von P.I.L. geschulten - Sound des Orchesters, gleichsam als Symbol für ein Aufbäumen des modernen künstlerischen Ichs, ein seventiues Rocksau Gitarrensolo aus, gekrönt mit einem an Wittgenstein gemahnenden Satz am Ende: "Meine Sprache spricht mich".