Erstellt am: 18. 6. 2011 - 18:58 Uhr
Wer die Hassbrenner lobt
In Berlin sind dieses Jahr bereits 163 Autos in Flammen aufgegangen. Das ist kein direkt neues Phänomen, über die Frage, ob Autos abfackeln politisch ist, haben wir an dieser Stelle schon berichtet.
Aber weil seit Mitte Mai fast jede Nacht mehrere Autos in verschiedenen Bezirken brannten, sind die Brandstiftungen zur Zeit ein großes Thema in der Berliner Lokalpolitik. Die Springerpresse weiß zwar ganz genau, dass da Linksextremisten und "Hassbrenner" am Werk sind. Aber da auch viele Kleinwagen angezündet werden und Bekennerschreiben fehlen, weiß keiner so genau, wer jetzt warum eigentlich zündelt. Selbst in der autonomen Szene herrscht weitestgehend Schweigen darüber, wie man die neue Brandserie zu bewerten hat.
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Aber der Schauspieler Robert Stadlober hat dem Thema wieder Zunder gegeben. Der Filmheld aus "Sonnenallee" und "Crazy" sollte letzte Woche bei der Talkshow "3 nach 9" eigentlich nur ein bisschen über seinen neuen Film plaudern, doch man kam beim Talken vom Thema ab. Als der Moderator fragte, ob Stadlober Leute verstehen könne, die Autos anzünden, sagte der: "Solange in Hoyerswerda keine Asylantenheime brennen, habe ich keine Probleme mit brennenden Mercedessen."
Was dem folgte, war helles Entsetzen, Anrufe beim Fernsehsender, große Schlagzeilen, erboste Leserbriefe. "Eine unerträgliche Verharmlosung linksradikaler Gewalt", empörten sich Politker fast aller Parteien. Das sind kriminelle Taten, die jeder in der Gesellschaft ächten muss." Am meistens empörte sich die CDU: "Herr Stadlober sollte sich besser überlegen, was er sagt. Es ist eine Frechheit, solche Straftaten zu relativieren."
Die Jagd auf Stadlober war also eröffnet
Schaut man sich den strittigen Satz von Stadlober genauer an, bedeutet er doch eigentlich nur, dass der Schauspieler sich um brennende Autos weniger Sorgen macht als um brennende Menschen. Eigentlich ein Satz, den jeder unterschreiben könnte: Autos sind ersetzbar, Menschenleben nicht. Gewalt gegen Sachen ist nicht so schlimm wie Gewalt gegen Menschen.
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Allerdings sprach er dann weiter über die "Aufwertung von Stadtvierteln" und radikaleren Mitteln dagegen. Wenn das Abfackeln von Luxuskarossen innerhalb dieser Logik auch einen Sinn macht, sieht die Statistik der verkohlten Wrackteile ganz anders aus, viele VWs und Opel sind dabei. Und auch wenn es die "Bonzenmarken" trifft, vielleicht handelt es sich um ein lange zusammengespartes Auto eines hart arbeitenden Industriearbeiters, das Familienauto einer Ladenbesitzerin, Autos, die nun gerade nicht vollkasko-versichert sind? Aber das sind dann wohl Kollateralschäden, mit denen man als Kieztaliban rechnen muss.
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Trotzdem hat Stadlober mit seinem denkwürdigen Satz eines schön deutlich gemacht: Nichts ist dem Deutschen so wichtig und heilig wie sein Auto, bei keinem anderen Thema reagiert er empfindlicher. Die Liebe vor allem bei deutschen Männern zum Blech kann man schon als Objektophilie bezeichnen.
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Objektophile sind Menschen, die sich in tote Gegenstände verlieben und sie begehren, zum Beispiel eine Maschine oder ein Instrument. Der berühmte Sexualforscher Volkmar Sigusch gab kürzlich in einem Spiegel-Interview ein Beispiel für Objektophile: "Fragen Sie mal hundert Männer, mit wem sie mehr Zeit verbringen, wen sie mehr lieben: ihre Frau oder das neue Auto? Gehen Sie mal auf eine Automesse. Da können Sie bei Männern alle Zeichen der sexuellen Erregung beobachten: Glanzauge, Tremor, Sex Flush."