Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ein eiserner Vorhang der Homophobie?"

Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

17. 6. 2011 - 14:51

Ein eiserner Vorhang der Homophobie?

Der Besuch einer Gay-Parade in unseren östlichen Nachbarländern kann gefährlich sein.

Die Bilder, die uns diese Woche via Youbtube und Co. erreichen, sind dramatisch und verstörend. Machen zornig, traurig und nachdenklich gleichermaßen. Die malerische, kroatische Hafenstadt Split letzten Samstag: Etwa 300 AktivistInnen ziehen mit Regenbogenfahnen durch die Altstadt, Bilder, wie man sie etwa auch von der Wiener Ringstraße kennt, ein friedlicher Sommerspaziergang – bis auf einen Unterschied, die Zaungäste betreffend: Während in Wien maximal vereinzeltes Kopfschütteln als Zeichen des Missfallens zu sehen ist, sehen sich die Teilnehmer dieser kroatischen Parade tausenden Gegendemonstranten gegenüber.

Demonstriert wird aber nicht etwa gegen eine Sache, etwa gegen die Homoehe oder ähnliches, nein, sie demonstrieren gegen Menschen. Menschen, die, ginge es nach dem Willen des Mobs, kein Recht haben sollen, in der Stadt Split am öffentlichen Leben teilzunehmen oder gar vollwertige kroatische BürgerInnen zu sein. Eine Welle des Hasses verschanzt sich hinter den Polizeiabsperrungen, wie im Fansektor der Ultras werden Parolen gegen die Parade skandiert und gesungen.

"Tötet alle Schwuchteln"

Mittelfinger werden den Aktivisten entgegengestreckt, hunderte, tausende. Es bleibt nicht bei Worten und Gesten, bald fliegen die ersten Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper – es gibt Verletzte und Blut fließt. Man hat den Eindruck, nur die massive Anwesenheit der Sicherheitskräfte verhindert, dass der Mob noch schlimmeres anstellt. Am Ende des Tages auf der Hafenstraße in Split wird die kroatische Polizei 140 Randalierer, allesamt Männer, festnehmen. Dennoch gibt es auch Kritik an der Exekutive, die Veranstalter werfen den Polizeikräften vor, viel zu spät eingeschritten zu sein. Auch die Politik kann und darf dieses Ereignis mitten in Europa nicht ignorieren: So hat Staatspräsident Ivo Josipovic die Ausschreitungen heftig verurteilt und auch die kroatische Zeitungslandschaft sorgt sich um das Image des Landes, das in zwei Jahren der EU beitreten soll. Allerdings ist das Problem bereits mitten in der EU angekommen. Neben diversen Ausschreitungen bei früheren Veranstaltungen in Ländern wie Polen oder der Slowakei kämpft auch unser östlicher Nachbar Ungarn mit zunehmend rechts-autoritären Tendenzen, die auch der Homophobie einen fruchtbaren Nährboden bieten.

Anti Gay Demonstration in Bukarest, 2006

Robert Ghement/epa

Anti Gay Demonstration in Bukarest 2006

Heute im FM4 Jugendzimmer

  • "Schwul/Lesbisch in MigrantInnencommunities" - Am Vortag der Wiener Regenbogenparade sind junge Schwule und Lesben mit Migrationshintergrund zu Gast bei Claus Pirschner im FM4 Jugendzimmer. Du kannst mitdiskutieren! Die Nummer ins Studio: 0800 226 996

Morgen findet nicht nur in Wien (und etwa auch Zagreb) eine Regenbogen-Parade statt (die natürlich in jedem Land anders heißt), auch in Budapest rüstet man sich für die "Budapest Pride 2011". Auch dort ist die Angst vor Ausschreitungen groß, so hat die rechtsextreme Jugendbewegung HVIM bereits für 15 Uhr eine Gegendemo angekündigt – wieder wird gegen Menschen, die man nicht so sein lassen will wie sie sind, "demonstriert". Seitens der Polizei versucht man vor allem mit Personenkontrollen zu reagieren, man darf gespannt sein, ob die ungarische Exekutive diese Job so erledigt, dass Bilder wie in Split ausbleiben. Amnesty International ist mit einer 50köpfigen Delegation zur Beobachtung vor Ort. Lukas Tagwerker und Albert Farkas werden für FM4 aus Budapest berichten.

Auch wenn der europäische Einigungsprozess derzeit vor massiven, vor allem wirtschaftlichen, Hürden steht, hat der Konsolidierungsprozess eines unumstößlichen Wertekanons, zu dem natürlich auch die Freiheit der sexuellen Orientierung zählt, zumindest schon ein bisschen was erreicht. Während solche Ausschreitungen früher zwar nicht mit Billigung, aber zumindest Stillschweigen der betreffenden Regierungen rechnen konnten, müssen nun offizielle Stimmen kundtun, dass für so etwas in Europa kein Platz ist. Selbst die ganz Rechten.

Gay Pride Amsterdam 2008

http://www.flickr.com/photos/faceme/

Gay Pride Amsterdam 2008

Berichte zu den Paraden in Wien und Budapest gibt es morgen, Samstag in FM4 Connected.

  • Und schon heute, Freitag Abend im Jugendzimmer: "Schwul/Lesbisch in MigrantInnencommunities"

Welchen Einfluss haben Migrationshintergründe auf Schwule und Lesben in Österreich? Wie lebt es sich als Homosexuelle/r in MigrantInnencommunities? Du kannst mitdiskutieren! Die Nummer ins Studio: 0800 226 996

In einem Staatengefüge, wo Mitgliedsstaaten wie die Niederländer sogar die Staatsbürgerschaft an die Anerkennung dieses Konsens der Menschenrechte knüpfen, muss ein gemeinsamer Nenner zwangsläufig zu einer Verbesserung des Status Quo führen. Auch wenn man davon in Split noch nicht viel gesehen hat. Will Kroatien aber 2013 tatsächliche der EU beitreten, ist nun das offizielle Kroatien und sein Bildungssystem gefragt, diesem Hass durch Information und Aufklärung Einhalt zu gebieten.

Das gilt natürlich auch für Ungarn, Polen oder die Slowakei – und hier ist es bereits ein Problem der EU. Umso gespannter wird die europäische Öffentlichkeit, auch und vor allem die homosexuelle, morgen nach Budapest blicken. Während in Wien morgen hoffentlich das Wetter schön wird, was dankenswerterweise mittlerweile das vordringlichste Problem unserer Regenbogenparade ist.

Das war nicht immer so.

Und das macht Hoffnung.