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11. 6. 2011 - 13:01

Transsexuelle von Abschiebung bedroht

Yasar wurde in der Türkei schwer misshandelt. Bei einer Rückkehr droht ihr der "Ehrenmord" - aber in wenigen Tagen soll sie aus Österreich abgeschoben werden.

Yasar kommt aus der Türkei und ist transsexuell. Sie wurde in der Türkei schwer misshandelt und ist deshalb auf einem Auge blind. Als Yasar 2009 bei einem Messerattentat durch einen Lungenstich verletzt wurde, lehnte die Polizei es sogar ab, eine Anzeige entgegenzunehmen. Yasars eigene Familie hat einen Auftragsmörder auf sie angesetzt. Sie ist untergetaucht, nachdem mehrere Transsexuelle aus ihrem Umfeld in der Türkei ermordet wurden. Aber in Österreich wurde ihr Asylantrag abgelehnt, seit Ende Mai sitzt sie in Schubhaft.

Transsexualität gilt in weiten Teilen der Türkei als Tabu, sagt Jo Schedlbauer von TransX, dem Verein für Transgenderpersonen: "Das betrifft auch Yasar, die vor ihrer Familie verbergen musste, dass sie Trans ist. Dann ist das aufgekommen und jetzt droht ihr der Ehrenmord. Weil das so eine große 'Schande' für ihre Familie darstellt, dass sie besser die Tochter umbringen, als sich damit zu arrangieren, dass ihr Kind zur Frau wird."

Yasars offizieller Personenstand ist männlich. In der Pubertät hat sie weibliche Formen entwickelt. Es besteht der starke Verdacht, dass sie eigentlich intersexuell ist. Jo Schedlbauer: "Das bedeutet, dass männliche und weibliche Anteile vorhanden sind - aber nicht aus einem psychischen Grund oder Identitätsgrund, sondern aus medizinischen Gründen. Eine bekannte Form ist z.B. ein Chromosomensatz XXY. Aber es gibt auch hormonelle Verschiedenheiten und viele andere Formen medizinischer Intersexualität."

Yasar wurde im Asylverfahren durch den Verein Menschenrechte vertreten. Nach der Ablehnung ihres Asylantrags hat der Verein eine Berufungsfrist versäumt, sagt Jo Schedlbauer: "Yasar hat mir im Gefängnis bei einem Besuch erzählt, dass sie einfach nie erfahren hat, dass eine Ablehnung gekommen ist. Bescheide werden üblicherweise an die Rechtsvertretung zugestellt. Yasar hat wochenlang versucht ihre Rechtsvertretung zu erreichen. Zuerst war niemand im Büro erreichbar, dann war ihre Vertreterin auf Urlaub - und plötzlich war die Frist versäumt. Aber der Skandal liegt im ganzen Verfahren. Es passieren Fehler und Fehler sind auch menschlich. Es müsste doch so sein, dass es bei einer Fristversäumnis durch eine Rechtsvertretung irgendeine Chance gibt, dieses Verfahren im alten Stand wiedereinzusetzen."

Die rechtlichen Mittel, um Yasars Abschiebung zu verhindern, sind also ausgeschöpft. Deswegen will TransX den Fall so öffentlich wie möglich machen. Vor einigen Tagen haben gegen ihre Abschiebung Hunderte Menschen demonstriert, es gibt eine Unterschriftenliste, eine Website und vieles mehr. Jo Schedlbauer: "Wir organisieren jetzt wieder eine Demonstration. Sie wird am Montag, 13. Juni, stattfinden. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr auf der Uni-Rampe. Wir werden dann eine Zwischenkundgebung beim Büro des Vereins Menschenrechte haben. Und eine Schlusskundgebung vorm Polizeianhaltezentrum, wo Yasar in Schubhaft sitzt. Dort werden wir möglichst laut schreien, damit sie es auch hört und ein bisschen ermutigt ist."

TransX erfährt fast jeden Monat von einem Hassverbrechen an einer Transgenderperson in der Türkei. Auf seiner Website dokumentiert der Verein alle ihm bekannten Fälle. Es ist zu hoffen, dass Yasar nicht bald erneut Teil dieser traurigen Liste sein wird, weil sie die österreichischen Behören am 15. Juni abschieben.