Erstellt am: 9. 6. 2011 - 15:41 Uhr
Zehn Jahre Piratenjagd
Erst vor wenigen Tagen hatte der Verein für Antipiraterie (VAP) in Wien gerichtlich durchgesetzt, dass der Zugang zu kino.to seitens des Internetproviders UPC gesperrt werden musste. Wirkung hatte das kaum, denn der Betreiber von kino.to wich für die User aus Wien einfach auf eine andere Domain aus - schon konnten User wieder Filme anschauen. Diesmal ist das Problem für kino.to größer: Bei Razzien in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wurden zwanzig Wohnungen und Büros durchsucht, dreizehn Personen festgenommen sowie zahlreiche Computer und Unterlagen beschlagnahmt. Zwölf der dreizehn Festgenommenen sind Deutsche, nach einer vierzehnten Person wird gefahndet. Initiiert hatte die Razzien der deutsche Schwesterverein des VAP, die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU). Beide Organisationen, VAP wie auch GVU, sind private Vereine von Mitarbeitern der Musik- und der Filmindustrie sowie deren Anwälten. Diese Vereine existieren, weil Urheberrechtsdelikte nur zivilrechtlich eingeklagt werden können, damit ein Staatsanwalt aktiv wird. Die Piratenjäger sind international vernetzt und machen wenig Unterschied, ob es sich bei den von ihnen beanstandeten Plattformen um Filesharing-Netzwerke, Torrent-Tracker oder Streaming-Angebote, um Netzpolitik-Aktivisten oder um Geschäftsleute handelt.
Kino.to
Napster, Piratebay, Kino.to
In den letzten zehn Jahren haben wir mehrere Klagen und Schließungen erlebt. 2001 wurde Napster, die erste P2P-Filesharing-Plattform der Geschichte, per Gerichtsbeschluss geschlossen. Napster war nichtkommerziell und werbefrei, hatte aber auch keine besonderen politischen Ziele. Der berühmt-berüchtigte Bit-Torrent-Tracker Piratebay - schon einige Male für kurze Zeit abgeschaltet, um stets wieder zurückzukommen - ist eng verbunden mit der schwedischen Piratenpartei, also politisch höchst aktiv. Kino.to ist weder Napster, noch Piratebay gleichzusetzen.
piratebay
Kino.to war eine Website mit einer großen Menge an Werbeeinschaltungen und bot den Usern Links an. Die Links führten zu Streams von Filmen, die man nicht herunterladen konnte. Die verlinkten Filme lagen auf anderen Websites, sogenannten Filehostern. Die GVU behauptet, dass kino.to in Wirklichkeit auch manche dieser Streaming-Filehoster betrieben hat oder zumindest an ihnen beteiligt war. Bei einigen der Filehoster mussten User mit Kreditkarte oder Payal für den Filmgenuss bezahlen, andere waren gratis – wobei die Werbeeinblendungen auf kino.to immer zahlreich waren. Die GVU wirft den Betreibern nicht nur gewerbsmäßigen Handel mit Kopien von Filmen, sondern auch die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Welche Konsequenzen letzterer Vorwurf haben kann, haben wir angesichts der monatelangen Gerichtsverhandlung gegen den VGT in Österreich erlebt.
Während also den Betreibern von kino.to für gewerbsmäßigen Handel mit Kopien und die Bildung einer kriminellen Vereinigung mehrjährige Gefängnisstrafen drohen, brauchen sich österreichische Internetuser, die Streams von kino.to genutzt haben, keine Sorgen zu machen. Das Ansehen eines Streams ist ebenso legal wie auch das Bezahlen einer Mitgliedschaft bei einem Filehoster. Sogar der Download eines Filmes (den man bei kino.to ohnehin nicht machen konnte) gilt in Österreich für viele Juristen als legal, weil er durch das im Urheberrecht nicht ganz klar definierte Recht auf Privatkopie geschützt sei. Rechtliche Probleme kann nur kriegen, wer selbst Filme für einen der Filehoster von kino.to hochgeladen hat. Die Generalstaatsanwaltschaft in Deutschland sagt aber, dass sich die Ermittlungen der Justiz auf die Betreiber von kino.to konzentrieren, nicht auf die User.
Wirklich schade ist es um die nervige, mit Werbepopups gespickte Plattform kino.to nicht. Drei Angelegenheiten sollten trotzdem nachdenklich stimmen:
1. Die aggressive Vorgangsweise der Behörden bei den Razzien gegen einen Website-Betreiber in zwanzig Wohnungen und Büros
2. Der nichtvorhandene politische Wille europäischer Gesetzgeber, das völlig veraltete Urheberrecht an die realen Gegebenheiten im Internet anzupassen. Auch Google oder Yahoo bieten Links zu den Inhalten anderer Websites an.
3. Das Nichtvorhandensein vernünftiger Onlineshops für Filme in Deutschland und Österreich.
Guten Morgen, liebe Filmindustrie. Es ist 2011. Vielleicht solltet ihre eure Energien in neue Ideen und Konzepte anstatt in Piratenjagdvereine stecken. Dann würde sich das Problem nämlich von alleine lösen. Aber das zehn Jahre alte Beispiel Napster zeigt die Inkompetenz der Unterhaltungsindustrie auch heute noch: Im Jahr der Schließung bezahlte BMG Millionen für den Markennamen Napster - ein funktionierender Online-Musikladen ist daraus bis heute nicht entstanden.