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Pia Reiser

Filmflimmern

9. 6. 2011 - 10:57

The fantastic Mr. Fox

Er hat dem Monstrum namens Yuppie ein Herz verpasst und ich ihn in meines eingeschlossen: Eine Verbeugung vor Michael J. Fox, der am 9. Juni seinen 50. Geburtstag feiert.

"Roads? Where we're going, we don't need roads", sagt nicht nur Doc Brown zu Marty McFly, sondern auch Ronald Reagan in seiner State of the Union Adress im Jahr 1986. Schneller als man Fluxkompensator sagen kann, hat man etwas mit dem 40. Präsidenten der Vereinigen Staaten gemeinsam. Einen Lieblingsfilm, nämlich. "Back to the Future" macht den aus der TV-Serie „Family Ties“ bekannten Michael J. Fox endgültig berühmt und zur Ikone zahlloser damals 10-Jähriger, deren Herz heute immer noch für Marty brennt. Mit der Energie eines Gummiballs, der ebenfalls mit mindestens 1,21 Gigawatt unterwegs ist, flitzt er durch Robert Zemeckis' Film, dessen Drehbuch an Perfektion grenzt.

Untertags dreht Michael J. Fox weiter für „Family Ties“, in der Nacht dann „Back to the Future“. Und beide Rollen hätten eigentlich an andere gehen sollen; Matthew Broderick war vorgesehen für die TV-Serie und mit Eric Stoltz begannen die Dreharbeiten für „Back to the Future“, den fand Zemeckis schnell „too serious for a comedy“ und holte Michael J. Fox an Bord der Delorean-Zeitmaschine.

szenenbild aus "back to the future"

20th century fox

Die Zukunft und möglichst schnell zu ihr vorzudringen ist für Michael J. Fox nicht nur in „Back to the Future“ von großer Bedeutung, in den meisten seiner Filme spielt er Figuren, die eine ganz genaue Vorstellung, ja sogar einen Plan von der eigenen Zukunft haben; die wichtigste Selbstdefinition erfolgt über den Job. Vergesst nicht, es sind die 80er Jahre. In „The Secret of my success“ spielt Michael J. Fox – ähnlich gehetzt wie Marty McFly – einen Tausendsassa, einen, der arbeiten und Karriere machen will, der sich raufackert, aus der Postabteilung in die Chefetage. Mit Tricks. Aber schlau war der Fox ja stets.

Kein Peter Pan

Michael J. Fox gehört zu einer Riege an Schauspielern der 1980er Jahre, die paradoxerweise mit kindlichen Zügen ausgestattet waren, aber – im Gegensatz zu den Männerfiguren, die ab den 90er Jahren die Leinwände beherrschten – möglichst schnell erwachsen werden wollten. Das Peter-Pan-Syndrom oder die Verlängerung der Kindheit mittels popkultureller Obsessionen ist ihnen fremd. Der Slacker, der die Einreihung in die Mühlen des Alltags verweigert, wartet noch auf seinen großen Auftritt in der Geschichtsschreibung, wir befinden uns in der grellen Welt der Yuppies. Die Sakkoärmel werden aufgekrempelt, nicht nur, weil man annimmt, es sieht klasse aus, sondern auch, um die Ellbogen besser gegen andere einzusetzen. Und Michael J. Fox vollbringt das Wunder, einer der Yuppies zu sein, den wir lieben. Er hat dem slicken Monstrum namens Yuppie ein Herz verpasst. Und unsere für ihn schlagen lassen.

michael j, fox in der serie "family ties"

abc

People who have money don't need people. (Alex P. Keaton)

Er war es genaugenommen sogar, der dem Anfang der 80er Jahre aufkommenden Begriff des "young, urban, professional" ein Gesicht mit einem bezaubernden Seitenscheitel verpasst hat. In „Family Ties“ spielt er Alex P. Keaton, den ältesten Sohn zweier ehemaliger Hippies. Hippiekinder haben inzwischen selbst Kinder und eines davon ist überzeugter Republikaner. Eine perfide Art der Revolution, ihre Kinder zwar nicht zu fressen, aber anzunagen. Der Liberalismus weicht dem Konservatismus, amerikanische Gesellschaftsströmungen, gebündelt in der Serienfamilie Keaton. Alex ist glänzendes Abziehbild der Reagan-Ära. Trägt als Schüler Pullunder und Sakko, hat ein Abo des „Wall Street Journal“ und seine Lunchbox ziert ein Richard-Nixon-Konterfei. Er ist schlau und unbeirrbar, es gibt nichts, was nicht durch kurzes Aufeinanderpressen der Lippen und einem Fahren durch die Haare gelöst werden könnte. Jederzeit bereit, ein "Casablanca"-Zitat in die Welt zu schmeißen: "Of all the Basic Applied Economic Principles of Capitalism in the Post-Industrial Era Seminars in the world, you had to walk into mine."

Michael J. Fox

shout factory

Family Ties

Ähnlich wie in "Family Ties" gestikuliert Michael J. Fox auch von 1996 bis 1998 als rechte Hand des Bürgermeisters in der Sitcom „Spin City“. Nur die politischen Seiten hat er gewechselt; der Kreis schließt sich, als in der letzten Episode mit Fox aus dem Off erzählt wird, dass er einen Republikaner namens Alex P. Keaton kennengelernt habe. „Was für ein Arschloch“. Nicht nur am Bildschirm schlägt sein Herz für die Demokraten, im Wahlkampf 2008 unterstützt er Barack Obama. Nicht ohne Witz; „Barack to the Future“ steht auf seinen T-Shirts zu lesen.

Flux Capacitor... fluxxing. Engine running.

Der Kanadier wird in den 1980er Jahren zum Publikumsliebling und zur Verkörperung des amerikanischen Traums, der damals besonders das Mantra der unendlichen Möglichkeiten und Aufstiegsszenarien aller Art besang. Seine kindlichen Züge erlauben es Michael J. Fox auf der Leinwand Gollum-gleich nach den Yuppie-Schätzen zu greifen und dennoch unendlich sympathisch zu bleiben. Er ist der Junge von nebenan, der on- und offscreen alles andere als ein bad guy ist. Während man mit der medialen Inszenierung als Raubein oder Enfant Terrible mit Leichtigkeit um das Publikum buhlen kann, schafft Michael J. Fox das beinah Unmögliche, bündelt entwaffnende Freundlichkeit, Höflichkeit, Optimismus und Energie - und wird zum Star.

Die Aufsteigersaga „Das Geheimnis meines Erfolges“ mit der Glorifizierung des Sich-Abrackerns nimmt man ihm umso mehr ab, wenn man die Geschichten des jungen Michael J. Fox kennt, der die High School schmeißt und von Edmonton nach New York zieht. Telefon hat er keines, beim Casting für „Family Ties“ gibt er die Telefonnummer eines Lokals an und verbringt dort seine Zeit, um den Anruf nicht zu versäumen. Er verkörpert ein James-Stewart-artiges Ideal: Selbst wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, heißt das noch lange nicht, dass man nicht frisch gekampelt ist und anderen die Tür aufhält.

Michael J Fox mit einem Stoffelch

gemeinfrei

Young, urban, professional

Seine Yuppie-Figuren sind weder egoistisch noch zynisch; und somit wahrscheinlich keine Yuppies mehr. Allerspätestens 1993 müssen auch seine Charaktere die Erfahrung machen, dass Karriere ja alles andere als das einzige im Leben ist. In „Doc Hollywood“ kracht er als ehrgeiziger Jungarzt am Weg nach Hollywood, um König der Schönheitschirurgie zu werden, in einer kleinen Stadt in einen Zaun und springt dort als Arzt ein. Während der Dreharbeiten bemerkt Michael J. Fox ein unkontrollierbares Zittern eines kleinen Fingers. Für acht Jahre hält Fox die Diagnose Parkinson geheim, dann geht er damit an die Öffentlichkeit und zieht sich 1998 aus „Spin City“ zurück.

Ich seh die letzte Folge mit ihm damals irgendwann in der Nacht und heule mir die Augen aus. Aus dem Sitcom-Set wird eine Bühne, in Football-Jacket und hellen Jeans, einem Outfit, das an seine Rollen als dynamischer Teenager erinnert läuft er zu „Glory Days“ durch das Büro-Set ein und umarmt seine Schauspielkollegen. Standing Ovations des TV-Publikums für Fox. Doch auch, wenn er „Spin City“ verlässt, immer wieder betont er, er werde sich nicht von Parkinson von irgend etwas abhalten lassen. Und schon gar nicht wird er der Krankheit die Macht geben, ihn zu definieren. Trotzdem sind Michael J. Fox und Parkinson inzwischen untrennbar miteinander verbunden, weil mit der gleichen Energie, mit der er früher auf der Leinwand zu sehen war, er sich engagiert, aufklärt und immer wieder Demokraten unterstützt, die sich für Stammzellenforschung einsetzen. Unter anderem mit einem Video, das für Aufsehen sorgt. Michael J. Fox geht soweit, manchmal Medikamente vor Auftritten abzusetzen, um die Auswirkungen von Parkinson zu zeigen. "It's like having a 4-year-old climbing on you all the time and so whatever you're trying to do, you've got this 4-year-old and you're … just trying to be patient and focus on what you need to do", beschreibt er die Krankheit.

Michael J Fox

APA

Anybody home, McFly?

Mit seiner Mimik, seinem Timing und seiner Fähigkeit zur Sprunghaftigkeit ist er ein Komödien-Schauspieler. Der Horror von Peter Jacksons Horror/Komödien-Strudel „The Frighteners“ wird von seiner komödiantischen Energie stets in Schach gehalten. Ausflüge ins Drama wie „Bright Lights, Big City“ oder „Die Verdammten des Krieges“ sind fürs Publikum schwierig, weil das Image von Michael J. Fox als Komödiant den Blick auf den Film verbaut. Gegen den Optimismus, den er ausstrahlt und verkörpert, kann er nicht anspielen. Wenn er auf der Leinwand erscheint, dann wie ein Phoenix aus der Asche von Frank-Capra-Filmen, die einen nicht-klebrigen Pathos innehaben, einen völlig ernstgemeinten Glauben an etwas Gutes. Für „Scrubs“, „Rescue Me“, „Boston Legal“ „The Good Wife“ und "Curb your Enthusiasm" kehrt er immer wieder zumindest ins Fernsehen zurück. Am 9. Juni feiert er seinen 50. Geburtstag, auf der Hochzeit seiner Kinder will er eines Tages tanzen, wiederholt er immer wieder. Da würde ich mir keine Sorgen machen. Michael J. Fox hat die Sturheit, den Biss, den Charme und die Unbezwingbarkeit eines Marty McFly. Und der meinte: If you put your mind to it, you can accomplish anything.

Michael, you're the only one, we'd ever want: Happy birthday.