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Pia Reiser

Filmflimmern

9. 6. 2011 - 05:40

"Das Musikbusiness fickt meine Seele"

Von den Anstrengungen nicht im Takt des Musikmarktes zu tanzen: "Utopia Ltd" zeigt 1000 Robota im täglichen Zwist mit Rock'n'Roll und Integrität. Gewinn Tickets für die FM4 Kinopremiere!

Vor ein paar Jahren covern 1000 Robota „Wir bauen eine neue Stadt“ von Palais Schaumburg und einer ganzen Legion von Musikjournalisten schießen Tränen der Glückseligkeit und Nostalgie in die Augen, in Erinnerung an die aufregende, ekstatische Zeit des NDW.

Damit ist genau das Gegenteil von dem passiert, was 1000 Robota wichtig ist. „Wir wollen Entstehung verursachen, nicht erinnern“, so Anton Spielmann, Sänger, Mittelpunkt und wortschwallendes Sprachrohr der dreiköpfigen Band. Das ist nur einer von unzähligen guten, wichtigen Sätzen, die Spielmann in der Dokumentation „Utopia Ltd“ ausspuckt.

Musikalische Vergangenheiten interessieren die Band nunmal nicht, auch wenn ein Jimi Hendrix Poster in Schlagzeuger Jonas Zimmer hängt und im Probenkeller Kurt Cobain. Doch nicht nur das Vergangene, nein, auch viele der musikalischen Gegenwarten interessieren sie nicht, die "Elektroscheiße" mit Sauflyrik, die Deichkind neuerdings machen genausowenig wie die Klagelieder von Tomte. Mit Thees Uhlmann liefern sie sich eine kleine Fehde, die hauptsächlich über die Presse ausgetragen wird. Spielmann widert die Leidenshaltung von Tomte an, Uhlmann hingegen soll sich zu Bühnenansagen, wie, er könne das Geld der Eltern von 1000 Robota bis zu ihm riechen, hinreißen haben lassen.

Die Band 1000 Robota im Tourbus

Topkino

Das Ding mit dem Hype

„Utopia Ltd“ heftet sich an die rastlosen Fersen und Münder von 1000 Robota, zu einem Zeitpunkt, als die Drei sich mit einer Welle an öffentlicher Aufmerksamkeit konfrontiert sehen. „Papa, wir sind gleich auf Arte“, gluckst Spielmann ins Telefon. Ein Freund neben ihm meint, das fühle sich alles so nach Hype an, wenn man nur die mediale Berichterstattung kennt. „Aber wo bitte ist der Hype“, fragt er dann und schaut sich um. Er und die Band lümmeln in einem Raum, ein Hotel oder Backstage, von Hype, Glamour oder erfülltem Rock’n’Roll-Traum meilenweit entfernt. Dem Hype, man darf ihm also wirklich nicht glauben. An einem Abend auf Tour durch Deutschland zweigt die Band 100 Euro der Gage ab, um 40 Leute auf die Gästeliste zu setzen. Spielmann läuft durch die Nacht, spricht Passanten an, ob sie nicht auf ein Konzert gehen wollen es sei für sie gratis und es sei noch zu wenig los, man brauche mehr Publikum. Die Passanten lehnen ab.

Foto aus einem Fotoautomat, das an einer Wand klebt

Topkino

Die Dokumetation hat nichts mit Rockumentaries gemeinsam, die gerne mit musikunterlegten Montagen von crazy Backstage-Action und glamourösen Bühnenauftritten längst überholte Rock'n'Roll-Bilderwelten vor den Vorhang holen; es ist auch keine konsumfetischistische und krampfhaft hedonistische Gaga-Gaudi-Narzissmus-Orgie wie "Across the Universe" oder "Part of the Weekend Never Dies". "Utopia Ltd" ist ein Glücksfall in Filmform, wo sich Form und Inhalt zunächst die Hände reichen und sie dann nach dem Publikum ausstrecken. Es ist eine langbelichtete Momentaufnahme von drei jungen Männern, die eine Vision haben und die Verbiegemaßnahmen, die ihnen angeboten werden, ablehnen. Nicht aus Trotz, Stolz, Arroganz, sondern aus Klugheit und Integrität.

Die Band 1000 Robota

Topkino

Mess & Business

Zwei Jahre lang hat Regisseurin Sandra Trostel die Band begleitet, nur ein paar Mal meldet sie sich fragend aus dem Off zu Wort. Die Kamera schlurft mit wie ein viertes Bandmitglied, verschafft Einblicke in den Bandalltag, der bei 1000 Robota auch noch Zeugnisverteilung und Sportunterricht umfasst. Außerdem hässliche Hotels, Geldsorgen, Strafzettel, Eltern die das Tourbusbeladen vom Fenster aus betrachten. Die Kamera ist manchmal unruhig, fahrig und passt sich so Anton Spielmann an, dem Mann, dem zuviele Gedanken durch den Kopf gehen, als dass er sie auch noch alle für uns ausformuleren kann. Viele aber schaffen den Weg von seinem Kopf an unser Ohr, und das ist grandios so. Das Musikbusiness fickt meine Seele“, sagt er, zernagt von dem Spagat zwischen hehren Idealen und Zugeständnissen an Label, Markt und Publikum.

"Utopia Ltd" zeigt, dass das Parkett eines in Ruinen liegenden Gebäudes immer noch glatt sein kann, wenn das Gebäude "Musikbusiness" heißt. Genaugenommen ist der Parkett glatt und man zieht sich andauernd Schiefer ein. 1000 Robota haben Ideale, Ideen, Energie, Schaffensdrang und ein Label namens Tapete Records. Mit dem wird die Band mehrmals ordentlich aneinanderkrachen. 1000 Robota sind nicht stur, sie wissen nur, was sie wollen und was nicht und haben mit Spielmann einen wunderbaren Ausformlierer ihrer Anliegen. Auf und abseits der Bühne.

Die Band 1000 Robota

Buback Records

Label und Leben

Wenn das Label Bedenken bei einer Lyrics-Zeile äußert, knallt er schonmal mit der Tür; doch 1000 Robota sind nicht angry young men, die irgendwann gezähmt vom Alltag auf diese Anfangsband-Tage mit der gleichen Nostalgie zurückblicken werden wie die oben genannten auf Palais Schaumburg. 1000 Robota sind überlegte young men, die versuchen mit widrigen Umständen der Musikindustrie zurecht zu kommen ohne in ein "Früher war alles besser"-Lament zu verfallen, aber auch nicht hysterisch jeden Strohhalm, den das Business ihnen anbietet, dankbar auf Knien rutschend annehmen. "Sie haben ihren Bestimmungsort erreicht", äfft Spielmann nachts im Auto die Stimme des Navigationsgerät nach. Wenn man Jonas Hinnerkort, Sebastian Muxfeldt und Anton Spielmann auf der Bühne sieht, fällt einem dieser Satz wieder ein und man kann ihn nur bejahen. Los, baut uns eine neue Stadt. Wer sich nach "Utopia Ltd" kein 1000 Robota Album kauft, hat schon eines. Oder nichts verstanden.

FM4 Kinopremiere: "Utopia Ltd"

am 14. Juni 2011
um 20.00 Uhr im Topkino Wien

Wer an der Verlosung der 30x2 Tickets teilnehmen will, muss nur folgende Frage richtig beantworten: Bei den Konzertmitschnitten welcher Band führt Regisseurin Sandra Trostel seit einigen Jahren Regie?

Die richtige Antwort und euren ganzen Namen bitte an
game.fm4@orf.at schicken.

Der Einsendeschluss ist vorbei, die richtige Antwort ist Deichkind.